Regierungskompromiss beim Doppelpass:Es ist nur ein Pass!

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Kein Heiligtum: Enspannterer Umgang mit der Staatsangehörigkeit (Foto: Daniel Bockwoldt/dpa)

Sie hätten einfach Willkommen sagen und die Optionspflicht restlos abschaffen können. Stattdessen will die Regierung auf Druck der Union neue Nachweishürden für den Doppelpass schaffen. Es wird Zeit für einen entspannten Umgang mit der deutschen Staatsangehörigkeit.

Ein Kommentar von Thorsten Denkler, Berlin

Nur ein Gedankenspiel, für einen Moment. Mal angenommen, der jetzt gefundene Doppelpass-Kompromiss würde für alle gelten. Also: Jedes in Deutschland geborene Kind wäre zwar von Beginn an deutsch, mit deutschem Pass und allem drum und dran. Aber nach spätestens 23 Jahren muss es nachweisen, dass es mindestens acht Jahre in Deutschland gelebt, sechs Jahre zur Schule gegangen ist oder zumindest seinen Schulabschluss in Deutschland gemacht hat. Wer das nicht kann, der verliert die deutsche Staatsangehörigkeit. So manches Diplomatenkind aus hohem Hause wäre heute staatenlos.

Darum geht es gar nicht? Stimmt. Es geht vor allem um die Kinder von türkischstämmigen Eltern. Was es aber keineswegs besser macht. Die Allermeisten derer, die hier geboren sind, sind auch in Deutschland aufgewachsen, gehen zur Schule, machen ihren Abschluss. Und wie immer gilt: Es gibt sicher wenige Ausnahmen von dieser Regel.

Vor allem in CDU und CSU aber wollen sie ein neues Doppelpass-Gesetz, das erst mal alle Kinder türkischer Abstammung unter Verdacht stellt. Das zeigt die Einigung, die Innenminister Thomas de Maizière für die Union und Justizminister Heiko Maas für die SPD jetzt ausgehandelt haben. Wer in Deutschland geboren ist, seine Kindheit aber im Ausland verbracht hat, sorry, der darf keine zwei Pässe haben. Der muss sich entscheiden, ober er Deutscher bleiben will oder Türke. So steht es im Kompromisspapier.

Schon der bisherige generelle Zwang zur Entscheidung für die eine oder andere Staatsangehörigkeit, die Optionspflicht, ist den jungen Menschen nicht gerecht geworden. Viele wollen - natürlich - ihre kulturelle Herkunft nicht verleugnen. Zugleich aber ist ihnen Deutschland Heimat geworden.

Es ist löblich, dass auch in den Unionsparteien die Bereitschaft gestiegen ist, diesen Zwang zur Entscheidung endlich abzuschaffen. Auf Druck der Union will die Bundesregierung aber jetzt neue bürokratische Nachweishürden aufbauen.

Es ist paradox: Einerseits wird auf jedem Integrationsgipfel der Bundesregierung die Willkommenskultur gepredigt. Kanzlerin Angela Merkel wirbt, wo sie kann, um Zuwanderung. Aber wenn es um die deutsche Staatsangehörigkeit geht, dann wird so getan, als gehe es um etwas Heiliges, etwas wirklich ganz, ganz Besonderes eben. So kostbar, dass sie nicht jedem ohne weiteres gegeben werden darf, selbst in Deutschland geborenen Kindern ausländischer Eltern nicht.

Das Abendland wird nicht untergehen

Vielleicht sollten wir lernen, etwas entspannter mit der Staatsangehörigkeit umzugehen. Ein Pass ist kein Heiligtum. Die Staatsangehörigkeit regelt Rechte und Pflichten eines Staatsangehörigen. Sie sollte befreit werden von nationalem Dünkel.

Jetzt aber soll weiter unterschieden werden zwischen guten Deutschen und Deutschen auf Bewährung. Damit sollte endlich Schluss sein. Wer hier geboren ist oder Deutscher werden will, weil er schon lange hier lebt und brav seine Steuern zahlt, der soll Deutscher sein können. Und wenn er seinen alten Pass aus welchen Gründen auch immer dafür nicht abgeben will - sei es drum. Das Abendland wird deshalb sicher nicht untergehen.

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