Regierungsbildung in Österreich:"Sebastian Kurz ist ein irritierender junger Mann"

Lesezeit: 2 min

Sticheleien in der Führungsebene: Bundespräsident Alexander Van der Bellen (re.) soll sich herablassend über Sebastian Kurz geäußert haben. (Foto: AP)
  • Österreichs Bundespräsident Alexander Van der Bellen soll sich vor hochrangigen Auslandsvertretern abschätzig über den möglichen neuen Kanzler Sebastian Kurz geäußert haben.
  • Die Hofburg lässt mitteilen, dass Van der Bellens Zitate in der Presse verdreht worden seien.
  • Der Präsident selbst schweigt zu der Posse.

Von Peter Münch, Wien

Vom österreichischen Bundespräsidenten Alexander Van der Bellen weiß man, dass er ein leidenschaftlicher Raucher ist, dass er dem Leben gern die guten Seiten abgewinnt und oft recht offenherzig plaudert. Offenkundig unterscheidet ihn da einiges vom Kanzler in spe Sebastian Kurz, weshalb es eigentlich nicht verwundern kann, dass der 73-jährige Präsident in dem 31-jährigen Aspiranten angeblich einen "irritierenden jungen Mann" sieht, "der kaum Alkohol trinkt, nicht raucht und auch keinen Kaffee trinkt".

Diese und noch ein paar andere pointierte Aussagen zur aktuellen Regierungsbildung, die Van der Bellen zugeschrieben werden, sorgen jedoch derzeit in Österreich für Aufregung. Die Frage ist, ob er das tatsächlich alles gesagt hat. Wenn ja: Warum? Und wenn nicht, warum hat man ihm das in den Mund gelegt?

Die Akte Strache
:Psychogramm eines Populisten

FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache ist bis zum Vizekanzler aufgestiegen. Wie ist er so weit gekommen? Eine Spurensuche, die in seiner Kindheit beginnt. Teil II der Akte Strache.

Von Leila Al-Serori und Oliver Das Gupta, Innsbruck/Wien

Ein verhängnisvolles Mittagessen

Affäre oder Intrige - zwischen diesen beiden Polen schwankt die Einschätzung eines Falls, der im Hotel Imperial an der Wiener Ringstraße seinen Anfang nahm. Van der Bellen traf sich dort mit den Botschaftern der anderen 27 EU-Mitgliedstaaten zu einem Mittagessen und gab dabei seine Einschätzung zu den seit der Wahl vom 15. Oktober laufenden Koalitionsverhandlungen ab.

Es ist bekannt, dass der von den Grünen stammende Präsident kein großer Freund eines rechten Bündnisses aus ÖVP und FPÖ ist. Wie üblich war bei solchen Anlässen Vertraulichkeit über den Inhalt des Gesprächs vereinbart. Doch kaum waren die Teller geleert, drangen schon die ersten Details nach draußen.

Die Kronen-Zeitung trumpfte mit dem Protokoll eines "hochrangigen Auslandsvertreters" auf, in dem Van der Bellen kräftig nach rechts austeilt. Er äußert sich demnach positiv über eine Minderheitsregierung und sinniert darüber, dass er "de jure unendlich FPÖ-Ministervorschläge ablehnen" könnte. Sebastian Kurz wird darin neben dem Abstinenzlertum noch bescheinigt, dass er "flexibel" sei und selbst "nicht wisse, was er in zwei Jahren will, und sicher nicht, was er in fünf Jahren machen will."

Wer fertigte das Protokoll an?

In der Hofburg, dem Sitz des Bundespräsidenten, ist diese Veröffentlichung mit größtmöglicher Empörung aufgenommen worden. Zitate seien verdreht und verfälscht worden, hieß es. Zur Verstärkung trat auch noch der estnische Botschafter auf, der wegen der EU-Ratspräsidentschaft seines Landes zu dem Mittagessen geladen hatte. Er sagte, dass hier "die Öffentlichkeit mit Fehlinformationen irregeführt" werde.

Zwei Fragen stehen nun im Raum: Wer hat das Protokoll angefertigt? Und wer hat ein Interesse daran, den Präsidenten zu desavouieren. Zur ersten Frage wird mittlerweile in den Medien auf eine mögliche Urheberschaft des ungarischen Vertreters verwiesen. Zur zweiten wabert nun der Verdacht durch Wien, dass mit der Weitergabe und Veröffentlichung Van der Bellen geschwächt werden soll, damit er den Koalitionsverhandlern künftig nicht mehr so kernig dazwischenfunken könne.

Van der Bellen selbst hat sich noch nicht geäußert. Mit der Absage einer für Anfang Dezember geplanten Reise zu Österreichs UN-Soldaten in Libanon "aus innenpolitischen Gründen" hat er allerdings deutlich gemacht, dass er sich weiter intensiv um die Verhandlungen zur Regierungsbildung kümmern will. Sebastian Kurz dagegen hat direkt Stellung genommen zu den vermeintlichen Aussagen des Präsidenten. Er hat bestätigt, dass er nicht raucht, keinen Kaffee trinkt und tagsüber keinen Alkohol. "Am Abend aber", so sagte er, "trinke ich ganz gern."

© SZ vom 24.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Regierungsbildung in Österreich
:Ja, sie wollen

Die ÖVP verhandelt mit der FPÖ über eine Koalition. Die soll sowohl rechtskonservativ als auch pro-europäisch wirken. Rechtsradikale Minister könnte allerdings der Präsident verhindern.

Von Peter Münch

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: