Regierung:Abrüstungsvertrag: Nato will Russland letzte Chance geben

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Viele Nato-Partner befürchten, dass ein Ende des Vertrages ein neues Wettrüsten auslösen könnte. (Foto: Wolfgang Eilmes)

Brüssel (dpa) - Russland soll eine letzte Gelegenheit erhalten, die von der Nato vermutete Missachtung der Regeln des INF-Abrüstungsvertrags über atomare Mittelstreckenwaffen zu beenden.

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Brüssel (dpa) - Russland soll eine letzte Gelegenheit erhalten, die von der Nato vermutete Missachtung der Regeln des INF-Abrüstungsvertrags über atomare Mittelstreckenwaffen zu beenden.

Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur haben sich die Nato-Staaten bei einem Außenministertreffen zwar darauf verständigt, eine „erhebliche Verletzung“ des Vertrags durch neue russische Marschflugkörper offiziell festzustellen. Konkrete Konsequenzen auf Bündnisebene werden wahrscheinlich aber erst eingeleitet, wenn Moskau Aufforderungen nach einer zügigen Vernichtung der Waffen ignoriert. Eine Nato-Reaktion könnte zum Beispiel ein Ausbau der Raketenabwehr in Europa sein.

Eine Bündniserklärung zu dem Thema sollte am frühen Dienstagabend nach einer Sitzung der Außenminister zum INF-Vertrag veröffentlicht werden. In ihr soll auch konstatiert werden, dass die neuen russischen Marschlugkörper „eine signifikante Gefahr“ für die euro-atlantische Sicherheit darstellen.

Sollte Russland nicht einlenken, hätte dies auch zur Folge, dass die USA den INF-Vertrag mit politischer Rückendeckung der anderen Alliierten kündigen könnten. Als denkbar gilt, dass die Vereinigten Staaten diesen Schritt in Kürze gehen, um den Druck auf Russland noch einmal zu erhöhen. Moskau hätte dann nur noch sechs Monate Zeit, um durch ein Einlenken das Abkommen zu retten. Nach dieser Frist könnten die USA laut Vertragstext aussteigen.

Das geplante Vorgehen gilt als Kompromiss unter den Nato-Partnern. US-Präsident Donald Trump hatte eigentlich bereits im Oktober angekündigt, den INF-Abrüstungsvertrag wegen neuer russischer Marschflugkörper vom Typ 9M729 aufkündigen zu wollen. Nato-Partner wie Deutschland befürchten allerdings, dass dies ein fatales Signal wäre und ein neues Wettrüsten auslösen könnte. Sie wollen deswegen alle Möglichkeiten nutzen, um das Abkommen doch noch zu retten.

„Wir denken, dass es klug ist, weiter zu versuchen, den Vertrag zu erhalten und Russland zur Vernunft zu bringen“, sagte der niederländische Außenminister Stef Blok. Bundesaußenminister Heiko Maas äußerte sich zunächst nicht öffentlich zu der Debatte.

Der INF-Vertrag über nukleare Mittelstreckensysteme (Intermediate Range Nuclear Forces) wurde 1987 zwischen den USA und der damaligen Sowjetunion geschlossen. Er verpflichtet beide Seiten zur Abschaffung aller landgestützten ballistischen Raketen und Marschflugkörper mit Reichweiten zwischen 500 und 5500 Kilometern. Zugleich untersagt er auch die Produktion und Tests solcher Systeme.

Die USA werfen Russland seit längerem vor, mit der Entwicklung eines Marschflugkörpers mit dem Namen 9M729 (Nato-Code: SSC-8) gegen den Vertrag zu verstoßen. Russland dementiert das und hat im Gegenzug auch den USA schon mehrfach einen Vertragsbruch vorgeworfen. Ein Einlenken Moskaus gilt deswegen als sehr unwahrscheinlich.

In europäischen Militärkreisen wird allerdings vermutet, dass auch die USA kein großes Interesse an einem Erhalt des Vertrags haben. Er verpflichtet nämlich nur Russland und sie selbst zum Verzicht auf die atomaren Mittelstreckenwaffen. Andere aufstrebende Militärmächte wie China können sie weiter bauen. Ziel der USA könnte es deswegen sein, das INF-Abkommen durch einen neuen multilateralen Vertrag zu ersetzen. Alternativ könnten sie zur Abschreckung von Gegnern selbst neue landgestützte Mittelstreckensysteme bauen.

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