Regenschirmbewegung Hongkong:Thailand deportiert chinesischen Aktivisten

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  • Der Hongkonger Studentenführer Joshua Wong wollte nach Thailand, um einen Vortrag zu halten. Doch am Flughafen in Bangkok wurde er festgenommen.
  • Offenbar wurde er auf die schwarze Liste gesetzt - auf Wunsch der chinesischen Regierung.
  • Seit 2014 wurden auf Verlangen Pekings eine ganze Reihe chinesischer Dissidenten und uigurischer Flüchtlinge aus Thailand zwangsweise nach China zurückgeschickt.

Von Kai Strittmatter

Im Vorgehen gegen politisch missliebige Stimmen reicht Chinas Arm mittlerweile weit über die eigenen Grenzen hinaus. Die Hongkonger mussten dies am Mittwoch erneut feststellen: Da fand sich einer ihrer prominentesten Bürger, der 19-jährige Studentenführer Joshua Wong, für fast zwölf Stunden in einer Zelle der thailändischen Polizei wieder, die ihm die Einreise nach Thailand verwehrte. Offenbar auf Wunsch Pekings. Die thailändische Zeitung The Nation zitierte den stellvertretenden Kommandanten des Grenzschutzes am Flughafen Suvarnabhumi mit den Worten, man habe Wong "auf Verlangen Chinas" auf die schwarze Liste gesetzt, eingesperrt und am Mittwoch dann zurück nach Hongkong deportiert.

Wong ist das bekannteste Gesicht der Hongkonger Regenschirmbewegung von 2014. Damals hatten Hunderttausende Demonstranten Teile der Innenstadt Hongkongs besetzt und von Peking ein Ende der zunehmenden Einmischung in die Autonomie der Stadt verlangt. Die Proteste brachten keinerlei Entgegenkommen Chinas, schufen aber vor allem in den Reihen der Hongkonger Jugend neue politische Kräfte. Wong ist heute Vorsitzender der jungen Partei Demosisto. Er war auf Einladung von thailändischen Studenten nach Bangkok gereist, um an der Chulalongkorn-Universität einen Vortrag zu halten. Nach seiner Landung in Bangkok in der Nacht auf Mittwoch nahmen ihn dann offenbar mehr als zehn Polizeibeamte fest, brachten ihn in eine Zelle und erlaubten ihm keinen Kontakt zu einem Rechtsanwalt oder zu seiner Familie.

Schwere Anschuldigungen gegenüber Peking

Unmittelbar nach seiner Abschiebung zurück nach Hongkong beschuldigte Wong die Militärregierung von Thailand der politischen "Unterdrückung" und nannte seine Festnahme "illegal". 28 Abgeordnete des frisch gewählten Hongkonger Parlaments veröffentlichten eine Erklärung, in der sie die thailändische Regierung verurteilten. Wong sei im Besitz gültiger Reisedokumente gewesen und habe nie thailändische Gesetze gebrochen.

Sophie Richardson, die Chinaexpertin der Gruppe Human Rights Watch sagte, der Zwischenfall lege nahe, dass "Bangkok traurigerweise bereit ist, Pekings Geschäfte zu erledigen". China habe offenbar Angst, dass Wong "seinen Einfluss in andere Länder trage", sagte Nathan Law. Der 26-jährige Law war 2014 ebenfalls Studentenführer und wird von kommender Woche an, wenn Hongkongs neues Parlament erstmals zusammentritt, als Vertreter von Wongs Demosisto der jüngste Abgeordnete der Stadt sein.

Seit dem Putsch von 2014 regiert in Thailand eine Militärjunta, die mehr und mehr die Nähe von Chinas Regierung sucht. Wongs Abschiebung ist nur der jüngste Zwischenfall: Seit 2014 wurden auf Verlangen Pekings eine ganze Reihe chinesischer Dissidenten und uigurischer Flüchtlinge aus Thailand zwangsweise nach China zurückgeschickt.

Erschrecken und Sorge im Lager der Demokraten

Der spektakulärste Fall war jener des Hongkonger Verlegers und Buchhändlers Gui Minhai, der vergangenen Oktober aus seinem Apartment im thailändischen Strandressort Pattaya verschwand und wenig später in der Obhut des chinesischen Sicherheitsapparates in China wieder auftauchte: allem Anschein nach gekidnappt von chinesischen Agenten. Auch aus Myanmar sind ähnliche Fälle bekannt. Und Joshua Wong selbst wurde schon im Mai 2015 einmal die Einreise nach Malaysia verwehrt. Damals erklärte ein malaysischer Regierungsvertreter, sein Land wolle "die Beziehungen zu China nicht aufs Spiel setzen".

In Hongkong haben diese Fälle Erschrecken und Sorge im Lager der Demokraten ausgelöst, die in ihrer Stadt eine Erosion der Freiheiten beobachten und von Peking verlangen, dass es die bis 2047 zugesagte Autonomie der Stadt respektiert. "Das ist undenkbar, abscheulich", sagte am Mittwoch Claudia Mo, eine langjährige Abgeordnete der Civic Party und eine der prominentesten Demokratinnen Hongkongs, über Wongs Deportation. "Was ist aus der thailändischen Regierung geworden? Eine antidemokratische Fluggesellschaft der Pekinger Regierung?" Wenn das Beispiel Schule mache, dann könne es bald jeden treffen: "Dich oder mich, falls Peking irgendwie auf die Idee kommt, wir seien gefährliche, nicht willkommene Individuen."

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