Referendum zum Fiskalpakt:Die Musterschüler stimmen ab

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Irland gilt als Vorbild für einen erfolgreichen Sparkurs. Bis 2013 will das Land finanziell wieder auf eigenen Beinen stehen. Wenn dieser Plan schiefgeht, könnte der neue Rettungsfonds ESM helfen - vorausgesetzt, die Iren ratifizieren den Fiskalpakt.

Christian Zaschke, London

Offiziell beginnt die irische Volksabstimmung über den europäischen Fiskalpakt erst an diesem Donnerstag, aber in Teilen des Landes wird bereits seit Montag fleißig abgestimmt: Die Bewohner der kleinen Inseln vor der Westküste haben ihre Stimmen schon abgegeben, damit diese rechtzeitig zur Auszählung am Freitag auf dem Festland in der jeweiligen Hauptstadt des Wahlkreises vorliegen.

Yes or no? Dublins Straßen sind gepflastert mit Plakaten zur bevorstehenden Abstimmung über den Fiskalpakt. (Foto: REUTERS)

Die Irish Times berichtet, dass die Wahlbeteiligung recht gering war, was die Regierung in Dublin nicht gerne hören dürfte. Je geringer die Wahlbeteiligung, desto größer die Chancen der Gegner des Fiskalpakts.

Die übrigen EU-Mitglieder betrachten die Abstimmung mit größtem Interesse. Zwar müssen nur zwölf der 17 Euro-Länder den Fiskalpakt ratifizieren, doch hätte ein irisches "Nein" symbolische Kraft. Sämtliche großen Parteien in Irland werben eindringlich für ein "Ja", selten waren sich die Regierung aus der konservativen Fine Gail und der sozialdemokratischen Labour-Partei sowie die liberale Fianna Fail so einig.

Einzig die linke Partei Sinn Fein, der frühere politische Arm der Terrororganisation IRA, fährt eine Kampagne gegen den Fiskalpakt. Diese allerdings mit beachtlichem Erfolg: In Umfragen erreicht Sinn Fein derzeit 24 Prozent der Stimmen, mehr als je in ihrer Geschichte. Dass die Partei das "Ja" zum Fiskalpakt verhindern kann, gilt dennoch als unwahrscheinlich.

Laut letzten Umfragen wollen 49 Prozent der Iren mit Ja stimmen, 35 Prozent mit Nein, der Rest ist unentschieden. Rechnet man die unentschiedenen Wähler heraus, ergibt sich eine Mehrheit von 58 Prozent. Die wäre komfortabel, und dennoch macht sich in der Regierung eine gewisse Nervosität breit.

Das liegt daran, dass die Iren schon zweimal wichtige, Europa betreffende Abstimmungen zunächst blockiert haben. Im Jahr 2001 lehnte eine Mehrheit die Nizza-Verträge ab, im Jahr 2008 sprachen sich die Iren gegen den Lissabon-Vertrag aus. Die Wahlbeteiligung war beide Male gering. Die Regierung beraumte jeweils eine zweite Abstimmung an, in der beide Verträge - mit höherer Wahlbeteiligung - doch noch die Zustimmung erhielten.

Seither kursiert unter den Iren der Witz, wenn es um Europa gehe, könnten sie abstimmen, wie sie wollten - die Wahl würde ohnehin so lange wiederholt, bis sie mit Ja stimmten. Dass, anders als in den übrigen Euro-Staaten, überhaupt abgestimmt wird, liegt daran, dass in Irland Entscheidungen, die die Verfassung betreffen, dem Volk vorgelegt werden müssen.

Bis zum Jahr 2008 hatte sich in Irland eine gewaltige Immobilienblase gebildet. Durch die Finanzkrise kam eine Bankenkrise hinzu, das Land stand vor dem Bankrott. Dieser konnte abgewendet werden, weil EU, Europäische Zentralbank und Internationaler Währungsfonds das Land 2010 mit 67,5 Milliarden Euro unterstützten.

Seit dem Crash von 2008 spart das Land eisern, Irland gilt als Musterschüler unter den Krisenstaaten. Bisher ertragen die Bürger den Sparkurs mit einer Mischung aus Murren und Fatalismus. Dazu mischt sich einerseits beträchtliche Wut auf die Banken und andererseits Stolz darauf, dass in Irland nicht Chaos wie in Griechenland herrscht.

Bereits 2013, so ist die Hoffnung, will das Land sich wieder selbst Geld an den Märkten beschaffen und auf eigenen Beinen stehen. Sollte das jedoch nicht wie geplant funktionieren, wäre Irland wieder auf die EU angewiesen, auf den neuen Rettungsfonds ESM. Zu dem haben allerdings ausdrücklich nur die Länder Zugang, die den Fiskalpakt ratifiziert haben. Genau hier setzen die Befürworter an.

Fianna-Fail-Chef Micheál Martin warnte: "Ein Nein bedeutet noch mehr Unsicherheit und noch mehr Sparmaßnahmen." Premier Enda Kenny sagte: "Im Fiskalpakt geht es um Vertrauen, Investitionen, Chancen, Stabilität und gute Haushaltführung." In der Irish Times schrieb er: "Ich empfehle an diesem Donnerstag mit Ja zu stimmen, um unseren Aufschwung und unsere Investitionen zu schützen."

Die Gegner des Pakts sprechen hingegen von Angstmache. Sinn-Fein-Chef Gerry Adams sagte, die Menschen sollten sich fragen, ob die bisherigen Sparmaßnahmen zu mehr Arbeitsplätzen und zu Wachstum geführt hätten und fügte an: "Die Antwort ist Nein."

Etwa 3,1 Millionen Iren sind berechtigt, ihre Stimme abzugeben. Von sieben Uhr morgens bis zehn Uhr abends sind die Wahllokale an diesem Donnerstag geöffnet. Um neun Uhr am Freitagmorgen beginnt die Auszählung.

© SZ vom 31.05.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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