Nach Festnahmen:Seehofer verspricht entschlossenes Vorgehen gegen Rechtsextreme auch bei der Polizei

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Einen Tag nach der Zerschlagung einer mutmaßlichen rechten Terrorzelle sind am vergangenen Samstag die ersten Festgenommenen in Karlsruhe zu Haftrichtern des Bundesgerichtshofs (BGH) gebracht worden. (Foto: Uli Deck/dpa)
  • Die Bundesanwaltschaft ermittelt gegen zwölf Tatverdächtige, die eine rechtsextremistische Terrorzelle gebildet und Anschläge geplant haben sollen.
  • Bundesinnenminister Seehofer kündigt an, "dass wir auf allen Ebenen entschieden und unermüdlich dagegen vorgehen müssen".
  • Die Bundesregierung verspricht den Angehörigen aller Religionsgemeinschaften Schutz; es ist allerdings offen, ob Moscheen künftig schärfer polizeilich bewacht werden.

Von Constanze von Bullion, Berlin, und Wolfgang Janisch, Karlsruhe

Nach der Festnahme von zwölf mutmaßlichen Rechtsterroristen hat Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) eine konsequente Aufklärung und Verfolgung rechtsextremistischer Straftaten angekündigt. Dies gelte auch für Mitarbeiter im öffentlichen Dienst. "Extremismus ist absolut inakzeptabel und wir gehen ohne Ansehen der Person konsequent dagegen vor", sagte er der Süddeutschen Zeitung. "Der öffentliche Dienst steht fest auf dem Boden unserer Verfassung. Daran darf es auch in Zukunft keinen Zweifel geben." Dass die Tatverdächtigen rechtzeitig entdeckt worden seien, sei ein "großer Erfolg", sagte Seehofer. "Der Fall zeigt auch, was sich da in Deutschland zusammenbraut und dass wir auf allen Ebenen entschieden und unermüdlich dagegen vorgehen müssen."

Nach Festnahmen in sechs Bundesländern ermittelt die Bundesanwaltschaft gegen zwölf Tatverdächtige, die eine rechtsextremistische Terrorzelle gebildet und Anschläge geplant haben sollen. Die Festgenommenen sind alle Deutsche und dem Vernehmen nach zwischen 31 und 60 Jahre alt. Zu ihnen gehört ein Mitarbeiter der Polizeiverwaltung. Ein weiterer Mann, der auf freiem Fuß blieb, soll nach Informationen von SWR und ARD-Hauptstadtstudio ein Informant der Polizei gewesen sein. Die Tatverdächtigen sollen Angriffe auf Politiker, Muslime und Moscheen geplant haben, um Chaos auszulösen und die Gesellschaftsordnung der Bundesrepublik zu überwinden. Ziel soll es gewesen sein, in Deutschland lebende Muslime zur Gegenwehr zu provozieren und bürgerkriegsähnliche Zustände heraufzubeschwören.

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Ihr Plan: Anschläge auf Politiker, Muslime und Asylbewerber. Die Bundesanwaltschaft ermittelt gegen zwölf Rechtsextreme. Mindestens einer von ihnen soll sich bereits eine Waffe besorgt haben.

Von Jana Stegemann

Bei einem Tatverdächtigen wurde eine aus einem Stahlrohr selbst gefertigte "Slam-Gun" gefunden. Mit einer ähnlichen Waffe war der Anschlag auf eine Synagoge in Halle verübt worden. Zudem wurden nach ersten Berichten eine Pistole, Munition sowie Goldbarren und Chemikalien sichergestellt. Ob es sich bei den vorgefundenen Waffen und "Eierhandgranaten" tatsächlich um spreng- und schussfähiges Material handelt, war am Montag noch Gegenstand von Untersuchungen der Bundesanwaltschaft. Unklar blieb zunächst auch, ob die Tatverdächtigen zum Zeitpunkt ihrer Festnahme bereits in der Lage waren, einen Anschlag durchzuführen. Möglicherweise stand die Finanzierung des Angriffs noch nicht. Zu klären ist auch noch, ob weitere Waffen benötigt wurden, um die Pläne durchzuführen.

Bundesweit sind derzeit 53 rechtsextreme Gefährder bekannt

Bundesinnenminister Seehofer betonte, die Behörden seien auf die Tatverdächtigen aufmerksam geworden, bevor diese einen Anschlag verüben konnten. "Die Maßnahmen zeigen, dass die Sicherheitsbehörden von Bund und Ländern sehr eng und erfolgreich zusammenwirken", sagte er. Regierungssprecher Steffen Seibert sagte Angehörigen aller Religionsgemeinschaften im Namen der Bundesregierung Schutz zu. "Wer hier in Deutschland seine Religion praktizieren will und das im Rahmen unserer Rechtsordnung tut, der soll das ohne Gefährdung und Bedrohung tun können. Das betrachten wir als eine Aufgabe des Staates, das auch sicherzustellen", so Seibert.

Offen blieb zunächst allerdings, ob Moscheen angesichts der zugespitzten Bedrohungslage künftig schärfer polizeilich bewacht werden. Nach dem Anschlag in Halle war Synagogen und jüdischen Gemeinden mehr Polizeischutz zugesagt worden. Ein Sprecher des Bundesinnenministeriums verwies am Montag allerdings nur auf die Länder. "Die Sicherheitsbehörden der Länder sind ja zuständig für Schutzmaßnahmen", sagte er. Nach Beurteilung der Lage könnten die Länderpolizeien "dann in ihrer eigenen Zuständigkeit entscheiden, ob besondere Schutzmaßnahmen nötig sind". Die Ermittlungen zeigten, so der Sprecher weiter, dass Sicherheitsbehörden und Verfassungsschützern der Zugang zu Chatgruppen etwa auf Whatsapp erleichtert werden müsse. Ein entsprechender Gesetzentwurf wurde bereits vorgelegt, ist aber umstritten.

Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul (CDU) hatte am Freitag bekanntgegeben, dass ein Verwaltungsmitarbeiter der Polizei suspendiert worden sei. Er soll einer der mutmaßlichen Unterstützer der Terrorzelle sein. Die anderen sieben mutmaßlichen Mittäter wurden in Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Bayern und Sachsen-Anhalt gefasst. Nach Informationen des Spiegel ist der mutmaßliche Anführer der Gruppe den Sicherheitsbehörden als rechtsextremer Gefährder bekannt. Wie das Magazin berichtet, hatten Staatsschützer den 53-jährigen Werner S. aus dem Raum Augsburg bereits vor mehreren Monaten entsprechend eingestuft. Bundesweit sind derzeit 53 rechtsextreme Gefährder bekannt. Ihnen werden schwere Gewalttaten bis hin zu Anschlägen zugetraut. Wie die Welt am Sonntag unter Berufung auf Ermittlerkreise berichtet, agierte die Gruppe unter dem Namen "Der harte Kern". Die Männer hätten unter anderem Bezüge zur rechtsextremen Gruppierung "Soldiers of Odin", die erstmals in Finnland bekannt wurde.

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