Rechtsextremismus:Razzien gegen völkische Siedler in Schleswig-Holstein

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Ein Blaulicht leuchtet auf dem Dach eines Polizeiwagens. (Foto: David Inderlied/dpa/Symbolbild)

Vergangene Woche verbot Bundesinnenministerin Faeser eine Neonazi-Gruppe. Nun gab es ein weiteres Verbot einer rechtsextremen Vereinigung. Einsätze gab es auch im Norden.

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Berlin/Kiel (dpa) - Bei Razzien gegen völkische Siedler hat es auch zwei Einsätze in Schleswig-Holstein gegeben. Die beiden Einsatzorte im Norden waren in Lübeck und im Kreis Stormarn, wie ein Sprecher des Innenministeriums der Deutschen Presse-Agentur sagte. In einem Fall sei eine Verbotsverfügung übergeben worden, im anderen sei eine Durchsuchung erfolgt.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hatte zuvor binnen weniger Tage die zweite rechtsextremistische Vereinigung verboten. Einsatzkräfte der Polizei durchsuchten daraufhin am Mittwochmorgen 26 Wohnungen von 39 Mitgliedern sowie Räume des Vereins „Die Artgemeinschaft - Germanische Glaubens-Gemeinschaft wesensgemäßer Lebensgestaltung“ in zwölf Bundesländern, wie das Innenministerium in Berlin mitteilte. Bei den Razzien seien unter anderem Schusswaffen, ABC-Schutzanzüge, Gold, Bargeld und extremistische Schriften sichergestellt worden, sagte Faeser.

Das Verbot der Vereinigung, die sich häufig in einem Hotel in Thüringen traf, wurde nach Angaben des Ministeriums seit mehr als einem Jahr vorbereitet. Maßgeblich seien hierbei Erkenntnisse des Verfassungsschutzes gewesen, hieß es. Die Vereinigung, die nach Ministeriums-Schätzungen rund 150 Mitglieder hat, richte sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung und den Gedanken der Völkerverständigung.

Schleswig-Holsteins Innenministerin Sabine Sütterlin-Waack (CDU) betonte, der Rechtsextremismus in Schleswig-Holstein und insgesamt im Bundesgebiet werde entschlossen und konsequent bekämpft. Das Vorgehen am Mittwoch sei dafür ein weiterer Beleg gewesen. „Das Verbot dieser zahlenmäßig eher kleinen Organisation macht überdies deutlich, dass der Kampf gegen die Feinde unserer freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Einzelfall nicht von ihrer Zahl, sondern ihrer extremistischen Ideologie abhängt.“

Ziele der Razzien am frühen Mittwochmorgen seien das „Einfrieren von Vereinsvermögen“ und die Sicherstellung potenzieller Beweismittel wie etwa Orden, Fahnen und Büsten gewesen, die dem Nationalsozialismus zugeordnet werden, hieß es bei einer der Durchsuchungen in Baden-Württemberg von einem Sprecher des Landeskriminalamts. Nach Angaben der Bundesinnenministerin waren rund 700 Einsatzkräfte bundesweit an den Razzien beteiligt, darunter auch Beamte der Bundespolizei.

Faeser beschrieb die „Artgemeinschaft“ als „sektenartige, zutiefst rassistische und antisemitische Vereinigung“. Das Verbot sei ein „weiterer harter Schlag gegen den Rechtsextremismus und gegen die geistigen Brandstifter, die bis heute NS-Ideologien verbreiten“. Die Ministerin sagte: „Wir werden den Rechtsextremismus noch weiter scharf im Blick haben.“

Der Verein habe versucht, durch eine „widerwärtige Indoktrinierung von Kindern und Jugendlichen neue Verfassungsfeinde heranzuziehen“, so die Innenministerin. Zu den antisemitisch gefärbten Kinderbüchern, die von der Vereinigung vertrieben wurden, gehörten nach Angaben aus Sicherheitskreisen mehrere Titel aus der Zeit des Nationalsozialismus. Dazu zählt etwa das Buch „Pudelmopsdackelpinscher“.

Laut Bundesinnenministerium umfasst das ausgesprochene Verbot auch alle Teilorganisationen der Bewegung. Dazu gehörten sogenannte „Gefährtschaften“, „Gilden“, „Freundeskreise“ und ein Verein namens „Familienwerk“. Am vergangenen Dienstag hatte Faeser bereits die rechtsextreme Gruppe „Hammerskins Deutschland“ verboten. Vor allem durch die „manipulativ indoktrinierende Erziehung ihrer Kinder“ und den Vertrieb entsprechender Schriften sei die „Artgemeinschaft“ nicht weniger gefährlich als die „Hammerskins“, sagte die Ministerin.

Zur Begründung des Verbots führte ihr Ministerium aus, die Vereinigung verbreite unter dem Deckmantel eines pseudoreligiösen germanischen Götterglaubens ein gegen die Menschenwürde verstoßendes Weltbild. Zentrales Ziel sei die Erhaltung und Förderung der eigenen „Art“, was mit dem nationalsozialistischen Begriff der „Rasse“ gleichzusetzen sei.

© dpa-infocom, dpa:230927-99-349659/3

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