Rechter Terror in Deutschland:Ein widerlicher Film wird zur Staatsaffäre

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Die Geschichte des Terrorismus ist voller Wirrköpfe und Amokläufer. Aber solche Fanatiker wie die Zwickauer Gewalttäter hat die Welt selten gesehen. In ihrem Bekennervideo dokumentieren die Neonazis ihre Gräueltaten - und machen eine Comicfigur zum Führer durch das Grauen. Die Bilder bringen den Thüringer Verfassungsschutz in Erklärungsnot. Wie konnten die Verdächtigen, die schon in den neunziger Jahren als stramme Neonazis bekannt waren, einfach untertauchen?

Hans Leyendecker und Christiane Kohl

Der Film ist ein schrecklicher Film mit furchtbaren Sequenzen und die Bildführung ist ziemlich miserabel. Schrecklich komisch startet der Streifen. "Hier geht es nicht mit Muskelkraft, mal sehen, ob Dynamit es schafft", sagt am Anfang eine Sprecherstimme, und dann ist Paulchen Panther, die nette Comicfigur, der Führer durch das Grauen.

Eine Szene aus dem Bekennervideo der Phantomgruppe "Nationalsozialistischer Untergrund" (NSU). (Foto: N/A)

Dieser Film zeigt die Wirklichkeit des rechten Terrors im doppelten Wortsinn ganz real. Da ist auf einem Foto ein türkischer Gemüsehändler mit aufgerissenen Augen zu sehen, der offensichtlich in den Lauf einer Pistole blickt - das nächste Bild zeigt den Mann tot auf dem Boden. Selbst die Leichenbestatter, die einen ermordeten Türken im Sarg abholen, haben die Killer fotografiert und dann den Abtransport ins Video gerückt.

Die Geschichte des Terrorismus ist voller Wirrköpfe und Amokläufer, aber solche Fanatiker hat die Welt selten gesehen. Die braunen Terroristen Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos, die jahrelang von der Bildfläche verschwunden waren und mit der Gesinnungsfrau Beate Z. in der Wildnis der Illegalität hausten, waren erbärmliche Gestalten, die sich noch über ihre Opfer lustig machten. In einer Fernsehsendung, die sie aufzeichneten, wurde eine ihrer Mordtaten nachgestellt. "Fälschung" schrieben sie quer über eines der Fotos. Gleich darauf zeigt das Video ein echtes Bild des Sterbenden: "Original".

Immer und immer wieder haben sich die Ermittler, die den Fall untersuchen, den fünfzehn Minuten dauernden Streifen angeschaut. Die Bekenner-DVD nebst Kopien hatten die Killer daheim in Zwickau aufbewahrt und wollten die Propaganda an Medien und Ausländer schicken. Ein paar Exemplare hatten sie schon auf den Weg gebracht, was die Betrachtung des Streifens möglich macht.

Mittlerweile hat die Bundesanwaltschaft den Fall übernommen und auch das Bundeskriminalamt sowie etliche Länderbehörden ermitteln. Doch es gibt derzeit noch viele Fragen, die selbst ausgekochte Spezialisten nicht beantworten können, und die DVD liefert auf diese Fragen ebenfalls keine Antwort.

Die entscheidende Frage lautet: Was wusste wann der thüringische Verfassungsschutz über die Killer, die 1998 untergetaucht waren? Ein Zielfahnder des Thüringer Landeskriminalamts hatte 2001 den Verdacht geäußert, dass Beate Zschäpe eine Quelle des Verfassungsschutzes gewesen sei. Der Präsident des Landesamtes für Verfassungsschutz in Thüringen hat den Fall damals geprüft. Die dienstlichen Erklärungen der Beamten seines Hauses sprachen dagegen. Aber ob jemand Quellen auf eigene Rechnung außerhalb der Buchhaltung geführt hat und Frau Z. auf einer Sonderliste stand, dieser Gedanke gilt in Erfurt jedenfalls nicht als undenkbar.

Es hat schon in der Vergangenheit etliche Affären um V-Leute des thüringischen Verfassungsschutzes gegeben. In den Berliner Zirkeln ist von einer möglichen "Staatsaffäre" die Rede und selbst in Thüringen gibt es ein Klima des Misstrauens. Wird aus dem Terrorfall noch eine Krise von Staats wegen?

Fehler bei der Verfolgung des Neonazi-Trios?

Der derzeitige Innenminister Jörg Geibert (CDU) äußerte in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung "Zweifel", ob die Behörden des Landes früher bei der Verfolgung des Trios fehlerfrei gearbeitet hätten. Eine Kommission soll am Dienstag vorgestellt werden, die das alles prüfen soll. Es gibt in Thüringen viel zu prüfen und viel zu ermitteln.

Hat ein rechtsextremes Netzwerk im Land die Kameraden bis zuletzt unterstützt? Wer außer dem Trio gehörte noch zu der Phantomgruppe "Nationalsozialistischer Untergrund" (NSU), die auf der Propaganda-DVD immer wieder auftaucht und seitdem von der Bundesanwaltschaft als terroristische Vereinigung geführt wird?

Am Sonntag verhafteten Beamte des niedersächsischen Landeskriminalamts in der Nähe von Hannover einen Jugendfreund der Terroristen, Holger G. Der 39-Jährige ist dringend verdächtigt, Mitglied des NSU gewesen zu sein. Er soll den Freunden vor vier Jahren seinen Führerschein und vor etwa vier Monaten seinen Reisepass gegeben haben. Auch soll er mehrfach Wohnmobile für die Mordschützen von dem NSU angemietet haben. Eines der Wohnmobile war das Fluchtfahrzeug der Killer nach der Ermordung einer Polizistin in Heilbronn. Er soll Geld von den Tätern für seine Unterstützung erhalten haben und war auch mit Beate Z. gut bekannt. Angeblich hat er aus Freundschaft den untergetauchten Kameraden geholfen. So soll er bei einer Vernehmung gesagt haben.

Beate Z. hat nach dem Selbstmord der beiden Männer, die nach einem Banküberfall getürmt waren, das Haus in Zwickau angezündet, in dem sie mit den beiden Terroristen zusammengelebt hatte. Offenbar wollte sie Spuren beseitigen. Dann hat sie sich der Polizei gestellt. Sie schweigt. Aber sie soll auch gesagt haben, dass sie Angst habe. Angst vor wem?

Böhnhardt, Mundlos, Holger G. und Beate Z. gehörten Mitte der neunziger Jahren einer "Kameradschaft Jena" an, die Ausländer und Linke hasste. Sie fuhren häufig zu Treffen mit einem Auto mit dem Kennzeichen J-AH 41 vor. Das stand für Jena, Adolf Hitler und den Beginn des Feldzugs gegen die Sowjetunion. Sie waren stramme Neonazis - und das wusste auch jeder, der es sehen wollte. Mundlos, Sohn eines Professors, hatte auf seinem Schreibtisch ein selbstgemaltes Bild von Rudolf Heß stehen. Beim Monolpoly, das sie gern spielten, hieß das Gefängnis "KZ".

Die rechte Szene war durchsetzt mit Spitzeln

Die drei nahmen regelmäßig an den Kameradschaftsabenden des "Thüringer Heimatschutzes" teil, der rund 100 Mitglieder hatte, und der Chef dieser Truppe war ein V-Mann des thüringischen Verfassungsschutzes (Deckname "Otto"). Sogar der damalige Chef der NPD war Spitzel und kassierte bis zu 40.000 Mark im Jahr für seine Dienste vom Staat. "Hinsichtlich der als V-Mann anzuwerbenden Personen gibt es kaum rechtlich verbindliche, die eine oder andere Personengruppe... ausschließende Kategorien", schrieb der damalige Chef des thüringischen Verfassungsschutzes, der später über eine V-Mann-Affäre stürzte. Solche Geschichten nähren den Verdacht, dass da mehr sein könnte.

Die rechte Szene jedenfalls, in der sich Mundlos, Böhnhardt und die Kameradin Beate Z. damals bewegten, war durchsetzt mit Spitzeln und Agenten. Alle bekamen mit, was die beiden Männer so machten. Böhnhardt zum Beispiel hängte einer Puppe ein Sweatshirt mit einem gelben Judenstern um und ein Schild mit der Aufschrift "Vorsicht, Bombe". Das brachte ihm, auch wegen anderer Geschichten, eine Anklage ein. Er wurde zu zwei Jahren und drei Monaten Haft verurteilt, aber musste nicht einrücken.

Briefbombenattrappen, die mit Hakenkreuzen versehen waren, tauchten auf, und wegen "Störung des öffentlichen Friedens" wurde auch erst ermittelt und dann wurde eingestellt. Dann gab es wieder Bombenattrappen und Anfang des Jahres 1998 entdeckten die Ermittler in einer Garage vier Rohrbomben, 1392 Gramm TNT und Propaganda der Neonazis. Angemietet hatte die Garage Frau Z., Mundlos und Böhnhardt sollen dort immer wieder aufgetaucht sein. Angeblich gab es noch viel mehr Sprengstoff.

Untertauchen vor der Verhaftung

Ende Januar 1998 sollten sie verhaftet werden, doch das Trio tauchte unter. Auf Solidaritätskonzerten in Sachsen und Thüringen wurde für die Untergetauchten gesammelt. Eine neonazistische Skin-Gruppe widmete den Dreien das Lied "Warum". Dann blieben sie 13 Jahre lang für die Ermittler zumindest verschwunden. Waren sie im Ausland oder sind sie in der Heimat geblieben und zum Morden immer wieder mal aufgebrochen? 14 Banküberfälle seit 1999 werden ihnen derzeit von den Ermittlern zugerechnet, zehn in Sachsen und je zwei in Mecklenburg-Vorpommern und Thüringen.

Auch dieser Umstand spricht dafür, dass sie sich in der Heimat versteckt hatten. Sie planten offenbar noch mehr Schreckliches. Geplant war eine "DVD Nr. 2" mit dem Untertitel: "Paulchens neue Streiche". Noch mehr Morde?

© SZ vom 14.11.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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