Muslimfeindlichkeit ist in der deutschen Bevölkerung weit verbreitet und hält sich seit vielen Jahren auf einem beständigen Niveau - und zwar quer durch die Gesellschaft. Etwa jede zweite Person stimmt Aussagen zu, die Musliminnen und Muslime diskriminieren, ein Drittel der Deutschen ist für eine Einschränkung der islamischen Glaubensausübung, obwohl das dem Grundgesetz widerspricht.
Das ist die Ausgangslage, die der Unabhängige Expertenkreis Muslimfeindlichkeit in seinem Abschlussbericht beschreibt. Rund drei Jahre lang haben die Expertinnen und Experten anhand von repräsentativen Studien, Kriminalitätsstatistiken und Parlamentsdebatten die Ressentiments und Gewalt gegen Musliminnen und Muslime analysiert. Karim Fereidooni, Professor an der Ruhr-Universität Bochum und Teil der Gruppe, sagt: "Muslime werden als fremde Menschen wahrgenommen, obwohl sie seit über sechzig, siebzig Jahren in Deutschland leben."
"Es gilt nun, entschlossen gegen antimuslimischen Rassismus vorzugehen"
Juliane Seifert, Staatssekretärin im Bundesinnenministerium, hat den fast vierhundertseitigen Bericht nun entgegengenommen. Seifert bedankte sich, es handle sich um die erste umfassende Analyse in dieser Form. Man werde sie im Innenministerium und der Bundesregierung aufarbeiten. Reem Alabali-Radovan, Antirassismusbeauftragte der Regierung, ergänzte in einer Pressemitteilung: "Es gilt nun, sich ernsthaft mit den Empfehlungen des vorliegenden Berichtes auseinanderzusetzen und entschlossen gegen antimuslimischen Rassismus vorzugehen."
Bei dem Dokument handelt es sich um ein unabhängiges Gutachten. Ursprünglich hatte der damalige Innenminister Horst Seehofer von der CSU die Expertengruppe ins Leben gerufen. Mit dem Bericht wollte man auch auf rassistische und muslimfeindliche Vorfälle reagieren - auf den damals nur kurze Zeit zurückliegenden rechtsextremen Anschlag in Hanau, aber auch auf den Mord an Marwa El-Sherbini oder die Mordserie des NSU in den Nullerjahren.
"Sicherheitsbehörden und Polizei sind mit muslimfeindlichen Einstellungen hochgradig belastet"
Der nun vorliegende Bericht deckt verschiedene Dimensionen muslimischen Lebens in Deutschland ab. Er erklärt Rassismus und definiert antimuslimische Ressentiments, beschreibt die Funktionsweise von Stereotypen in aktuellen Schulbüchern, fügt Studien zusammen und analysiert die mediale Darstellung von Musliminnen und Muslimen. Gerade in Medien und Politik beobachten die Expertinnen und Experten eine sogenannte Muslimisierung der Themen. Das heißt: Problemlagen werden zu muslimischen Phänomenen deklariert, obwohl sie in Wirklichkeit mit gesamtgesellschaftlichen sozialen Problemen wie Bildungsungerechtigkeit, geschlechterspezifischer Gewalt oder Armut zu tun haben - nicht aber mit kulturellen Erklärungen im Islam.
Der Expertenkreis zeigt nun Handlungsempfehlungen auf, außerdem nennen die Mitglieder konkrete Forderungen wie eine Beauftragte für antimuslimischen Rassismus oder verpflichtende Ausbildungsmodule für Beamte. Besonders im Fokus des Berichts ist staatliches Handeln. Dort gebe es die größte Leerstelle, sagt die Politologin Saba-Nur Cheema.
Kai Hafez, Professor für Medienwissenschaften in Erfurt, nennt die Sicherheitsbehörden. Das mangelnde Bewusstsein für antimuslimischen Rassismus werde im aktuellen Verfassungsschutzbericht sichtbar, der Muslimfeindlichkeit auf 400 Seiten nur drei Mal erwähnt. "Sicherheitsbehörden und Polizei sind mit muslimfeindlichen Einstellungen hochgradig belastet", sagt Hafez. Selbstkritik staatlicher Institutionen sei an dieser Stelle nötig. "Es reicht nicht aus, ein Appell an die Bevölkerung zu richten."