Ägypten:Mubarak und der Druck der Straße

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Auch in der dritten Woche der Aufstände in Ägypten drängt die Opposition auf den sofortigen Rücktritt des Präsidenten und ruft zu Protesten auf. Die Regierung hat offenbar einen Plan für den Machtwechsel.

In Ägypten sollen die Gespräche zwischen Regierung und Oppositionsgruppen an diesem Dienstag weitergehen. Die Gegner von Präsident Hosni Mubarak haben sich vom bisherigen Verlauf eher enttäuscht gezeigt. Vor allem die islamische Muslimbruderschaft, die am Sonntag erstmals an einem Treffen mit Vizepräsident Omar Suleiman teilgenommen hatte, sieht zu viele Forderungen noch unerfüllt - vor allem die nach dem Rücktritt Mubaraks.

Oppositionsanhänger mit einer ägyptischen Flagge: Die Gespräche zwischen Regierung und Opposition sollen am Dienstag weitergehen. (Foto: Reuters)

Erneut soll deshalb in Kairo mit Massenprotesten Druck gemacht werden, berichtete der Nachrichtensender al-Dschasira. Auch in der Nacht harrten wieder Demonstranten auf dem Tahrir-Platz aus. Aus Oppositionskreisen hieß es, der Dialog mit Suleiman gehe wohl weiter. Die Muslimbruderschaft hatte nach dem ersten Treffen angekündigt, sie werde nur weiterverhandeln, "wenn die Forderungen der Demonstranten alle umgesetzt werden". Dabei geht es unter anderem um Verfassungsänderungen, echte Pressefreiheit und ein Ende des Ausnahmezustands, sobald dies die Sicherheitslage zulasse.

Ägyptens Regierung soll nach den Worten von Vizepräsident Omar Suleiman einen Zeitplan für eine friedliche Machtübergabe ausgearbeitet haben. Zugleich versprach der Stellvertreter von Staatschef Mubarak im Staatsfernsehen, dass die Regierung nicht gegen die Demonstranten vorgehen werde. Indes hat Mubarak einen Ausschuss für Verfassungsreformen einberufen, der Voraussetzungen für eine Präsidentschaftskandidatur lockern und die Zahl der Amtszeiten des Präsidenten begrenzen solle, so Suleiman.

Das ägyptische Kabinett kam am Montag zum ersten Mal in neuer Besetzung zusammen. Offensichtlich um die Lage im Land weiter zu beruhigen, kündigte die Regierung an, die Gehälter aller sechs Millionen Staatsdiener um 15 Prozent anzuheben. Ministerpräsident Ahmed Schafik äußerte Verständnis für die finanziellen Sorgen und Nöte der Bürger.

Präsident Mubarak hat unterdessen eine Untersuchung der Gewalt gegen Demonstranten am vergangenen Mittwoch auf dem Tahrir-Platz an. Nach Angaben der Nachrichtenagentur Mena ordnete der Präsident die Bildung einer Untersuchungskommission an. Diese solle "transparent, unabhängig und unparteiisch" sein und aus "ägyptischen Persönlichkeiten bestehen, die bekannt sind für ihre Ehrlichkeit und Glaubwürdigkeit", so Mubarak.

Nach tagelangem Zögern hat die US-Regierung erstmals deutlicher Position bezogen und sich gegen einen sofortigen Rückzug Mubaraks ausgesprochen. Die Umsetzung dieser zentralen Forderung der Demonstranten könne einen Rückschlag für den demokratischen Prozess bedeuten. Außenministeriumssprecher P. J. Crowley sagte, Neuwahlen innerhalb von 60 Tagen seien ein schwieriges Unterfangen. Bis Ägypten freie und faire Wahlen abhalten könne, müsse noch viel getan werden. Nichtsdestotrotz sehen die USA Fortschritte bei den Gesprächen zwischen Regierung und Opposition. Entsprechend äußerte sich Präsident Barack Obama mit Blick auf jüngste Treffen beider Seiten in Kairo. Einzelheiten nannte er nicht.

Held der Proteste wieder frei

Unterdessen wurde der Marketing-Direktor des Internetkonzerns Google für Nahost und Nordafrika, Wael Ghonim, nach anderthalb Wochen aus der Polizeihaft entlassen. Der Manager war am 28. Januar auf dem Tahrir-Platz festgenommen worden. Er hatte sich der Protestbewegung gegen Mubarak angeschlossen und war binnen kürzester Zeit zur Symbolfigur der von Jugendlichen gestarteten Bewegung geworden.

Der junge Mann, der in Dubai lebt, steckt nach eigener Aussage hinter der Facebook-Seite "Wir sind alle Khaled Said", auf der die Jugendlichen des Landes seit dem 25. Januar zu den täglichen Demonstrationen am zentralen Tahrir-Platz in der Kairoer Innenstadt aufgerufen werden. Der Name der Seite bezieht sich auf einen 28-jährigen Blogger, der im Juni vergangenen Jahres in Alexandria von zwei Polizisten in Zivil auf offener Straße zu Tode geprügelt wurde.

Die Ägyptische Organisation für Menschenrechte (EOHR) reichte am Montag Klage gegen den alten Innenminister Habib al-Adli ein. Al-Adli habe Gewalt gegen friedliche Demonstranten am 25. und am 28. Januar angeordnet, hieß es zur Begründung.

Nach Angaben von Human Rights Watch kamen bei den Unruhen in Ägypten seit dem 28. Januar mindestens 297 Menschen bei Zusammenstößen zwischen Demonstranten und Sicherheitskräften ums Leben. Wie die Menschenrechtsorganisation auf ihrer Internetseite mitteilte, starben in Kairo 232 Menschen, 52 weitere in Alexandria und 13 in Suez. Diese Zahlen seien notwendig zur Einordnung der Polizeigewalt in den vergangenen zwei Wochen in Ägypten, hieß es.

Auch Präsident Mubarak wird bereits mit Anzeige gedroht, sollte er nach Deutschland kommen. Der Generalsekretär des Europäischen Zentrums für Menschenrechte (ECCHR), Wolfgang Kaleck, sagte der Frankfurter Rundschau, es sei davon auszugehen, dass unter Mubaraks rechtlicher Verantwortung in Ägypten in den letzten Jahren oder Jahrzehnten massiv gefoltert worden sei. Seit Inkrafttreten des deutschen Völkerstrafgesetzbuches seien die Behörden in der Pflicht, eine Strafverfolgung aufzunehmen, wenn Verdächtige sich in Deutschland aufhielten.

Nach kritischen Äußerungen aus Ankara verbittet sich die ägyptische Regierung eine türkische Einmischung in den politischen Konflikt im Land. Das ägyptische Außenministerium habe dazu am Vortag den türkischen Botschafter in Kairo einbestellt, berichteten türkische Medien. Der ägyptische Außenminister Ahmet Abul-Gheit habe seinem türkischen Kollegen Ahmet Davutoglu zudem eine schriftliche Warnung zukommen lassen. Nur das ägyptische Volk könne entscheiden, welchen Weg es wählen werde, heißt es darin.

Der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan hatte Mubarak nach dessen Verzicht auf eine weitere Amtszeit aufgefordert, weitere Schritte zu ergreifen, um die Forderungen der Demonstranten zu erfüllen. In der Türkei und auch international war dies als Rücktrittsaufforderung empfunden worden. Davutoglu hatte nachgelegt und erklärt, er traue der ägyptischen Regierung keine Reform des politischen Systems zu. "Ein politischer Wandel ist mit der aktuellen Regierung unmöglich", sagte Davutoglu.

Unterdessen sagte Erdogan auf der Rückreise von einem Besuch im Nachbarland Syrien, Israel solle sich aus dem Konflikt in Ägypten heraushalten. "Ich habe das auch schon US-Präsident Barack Obama gesagt. Jede Einmischung Israels provoziert und beeinflusst den Prozess negativ", wurde Erdogan zitiert.

© Reuters/dpa/cag - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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