Wenn einer wie Pietro Parolin einmal redet, lohnt es sich, genau hinzuhören. Der Staatssekretär des Vatikans, gewissermaßen Papst Franziskus' Premierminister, ist ein Mann weniger, bedacht gewählter Worte. Das hat viel mit dem Werdegang des Kardinals aus Vicenza zu tun: Der Norditaliener war lange Zeit Diplomat des Kirchenstaats, verhandelte mit barocken Potentaten und harten Regimes. Seine Dialogfähigkeit gilt als sprichwörtlich, als seine herausragendste Tugend gar.
Und so lässt nun eine Stellungnahme des Vorsitzenden der Kurie besonders aufhorchen: Bei einer Preisverleihung im Palazzo della Cancelleria, einem päpstlichen Palast in Rom, reagierte Parolin erstmals auf das deutliche irische Ja zur Homo-Ehe - drei Tage nach der Volksabstimmung. Es war also genügend Zeit verstrichen fürs Kalibrieren der Worte. "Ich war sehr traurig über das Ergebnis", sagte Parolin, "und ich denke, dass das nicht nur eine Niederlage für die christlichen Prinzipien ist, sondern eine Niederlage für die Menschheit."
Die Stimmung im Vatikan scheint umgeschlagen zu sein
So hart und entschieden hat man Parolin noch nie gehört. Und da man annehmen muss, dass er vorab mit dem Chef geredet hatte, fragen sich manche italienischen Vatikanologen: Hört man da etwa auch den Papst reden? Nimmt der Vatikan mit einem dezidierten Auftritt Parolins alle vermeintlichen Signale der Öffnung zurück, die zu Beginn des Pontifikats von Jorge Mario Bergoglio auch auf diesem Gebiet zu sehen waren und die Bischofsynode im kommenden Herbst hätten beeinflussen können?
Man erinnert sich ja vielleicht noch an diesen Satz des Papstes aus dem Sommer 2013: "Wenn eine homosexuelle Person Gott sucht, wer bin ich, um über sie zu urteilen?" Die Stimmung hinter den Mauern des Vatikans, wenn sie denn je progressiver gewesen sein sollte, scheint umgeschlagen zu sein.
Als Parolin vor bald zwei Jahren in sein hohes Amt befördert wurde, war er 58 Jahre alt, so jung wie kein Kurienleiter seit den Dreißigerjahren. Er löste Tarcisio Bertone ab, einen Kirchenmann mit Hang zu Üppigkeit und persönlicher Profilierung. Parolin war dessen wandelndes Gegenteil. Der Ruf erreichte ihn in Venezuela, wo er (nach früheren Stationen in Nigeria und Mexiko) Apostolischer Nuntius war. Als er von seinem Aufstieg erfuhr, soll er gesagt haben: "Das ist eine Überraschung Gottes".
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Überraschend war auch, dass sich Franziskus, der sich das Kirchenpersonal möglichst volksnah wünscht, für die prominenteste Position auf einen altgedienten hohen Beamten des Vatikans verließ. Parolin war von 2002 an sieben Jahre lang Vizeaußenminister gewesen, festes Mitglied der Kurie also, und reiste mehrmals im Dienste der Päpste nach Peking. Benedikt XVI. lobte ihn wohl auf Druck Bertones 2009 weg nach Caracas, damit er dort die stets überdreht kirchenkritischen Launen von Hugo Chavez besänftige.
Nun ist er also zurück - und laut. Seine Trauer über die Iren klingt wie eine Kampfansage an die Reformer.