Pressefreiheit:"Ich werde dieses Gefängnis nicht durch eine Hintertür verlassen"

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Seit Mitte Februar sitzt Yücel in der Türkei im Gefängnis. In Berlin demonstrieren regelmäßig Menschen für seine Freilassung. (Foto: AFP)

Der in der Türkei inhaftierte Journalist Deniz Yücel hat seinen Anwälten einen Artikel diktiert. Darin verlangt er einen fairen Prozess nach geltendem türkischen Recht. "Ausgeliefert" werden will er nicht.

Seit mehr als zwei Monaten sitzt Deniz Yücel in der Türkei in Haft. Nun konnte der Journalist seinen Anwälten im Gefängnis in Silivri einen Artikel diktieren, den die Welt, für die Yücel als Korrespondent tätig ist, am Donnerstagabend veröffentlichte.

Anlass für den Artikel ist eine neuerliche Äußerung des Staatspräsidenten Erdoğan, der Yücel in einem Fernsehinterview abermals als "Terroristen" und "Agenten" bezeichnete. In dem Schreiben wehrt sich der Journalist gegen derartige Vorverurteilungen: "In Ländern wie Aserbaidschan oder Weißrussland" möge es üblich sein, "dass die oberste Staatsführung persönlich eine inhaftierte Person öffentlich vorverurteilt und den zuständigen Staatsanwälten und Richtern quasi Anweisungen erteilt", schreibt Yücel. Für die "zivilisierte Welt" sei dies aber befremdlich. Bisher liege noch nicht einmal "eine dieser absonderlichen Anklageschriften" gegen ihn vor, "an die wir uns in diesem Land inzwischen leider gewöhnt haben".

Ende Februar hatte ein Gericht Untersuchungshaft gegen Yücel verhängt. Dem Protokoll der Verhandlung zufolge wird Yücel Terrorpropaganda und Volksverhetzung vorgeworfen. Eine Anklageschrift liegt jedoch noch immer nicht vor. Mitte April hatte Erdoğan ausgeschlossen, dass Yücel an Deutschland überstellt wird, "solange ich in diesem Amt bin".

"Ich werde dieses Gefängnis nicht durch eine Hintertür verlassen"

Allerdings, betont Yücel, wolle er auch gar nicht ausgeliefert werden und "habe dergleichen niemals gewünscht". Ihm seien die Gefahren bewusst gewesen, als er sich für den Job als Türkei-Korrespondent entschied. "Das Einzige, was ich verlange", so Yücel, "ist ein fairer Prozess." Denn kämen die relevanten türkischen Gesetze und die universellen Menschenrechte zur Anwendung, könne ein solcher Prozess "gar nicht anders enden als mit einem Freispruch". Davon sei er restlos überzeugt.

Deshalb werde er "dieses Gefängnis nicht durch eine Hintertür verlassen, sondern durch jene Vordertür, durch die ich es betreten habe. Und ich werde in diesem Land den Kampf um Demokratie, Gerechtigkeit und Freiheit, der mit der offensichtlich illegitimen Verfassungsänderung mitnichten beendet ist, mit Gottes Hilfe auch in Zukunft aus nächster Nähe journalistisch begleiten." In einem Referendum vom 16. April hatte Erdoğan eine knappe Mehrheit für seine Verfassungsveränderung gewonnen. Allerdings gibt es Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Referendums. Die Inhaftierung Yücels hat zu schweren Spannungen zwischen Deutschland und der Türkei geführt. Die Bundesregierung fordert die Freilassung des Journalisten.

Die Welt schreibt in Anmerkungen zu Yücels Bericht: "Es gehört zu den gängigen Regeln des Medienbetriebs, dass sich Betroffene zu einem laufenden Verfahren nicht äußern. Bei Deniz Yücel wäre das umso verständlicher, als seine Strafsache von starken Spannungen zwischen Europa und der Türkei überschattet wird. Aber Deniz will sich äußern und er hat ein Recht darauf."

Der Brief sei wohl auch eine Reaktion auf die Haftbedingungen: Yücel sitzt seit 67 Tagen in Einzelhaft, deutlich länger als die anderen Angeklagten im gleichen Verfahren. Nur einmal in der Woche darf er für eine Stunde mit Angehörigen sprechen. "Die lange Isolation richtet sich offenkundig gegen Yücel als Menschen. Dazu gehört der Versuch, ihn zum Schweigen zu bringen. Diesen Anschlag gegen seine Person kann er und können wir nicht hinnehmen, bei aller Vorsicht, die in dieser Lage geboten ist."

© SZ.de/dpa/AFP/jly - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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