Prantls Blick:Wie CSU und FDP ins neue Jahr starten

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So war es Anfang 2017 beim Königstreffen der FDP: Der Vorsitzende der FDP Baden-Württemberg Michael Theurer , Generalsekretärin Nicola Beer, Bundesvorsitzende Christian Lindner, und die stellvertretenden Vorsitzenden Katja Suding und Marie-Agnes Strack-Zimmermann posieren gemeinsam für die Fotografen. (Foto: dpa)

Die Klausurtagung der CSU zum Jahresauftakt und das Dreikönigstreffen der FDP erinnert an das Ritual des "Neujahrsanblasens". Es ist jedes Jahr das Gleiche - und doch kann es einem ans Herz wachsen.

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Wenn an Silvester so gefeiert wird, als handele es sich um die Generalprobe für den Rosenmontag, wenn also in die Weihnachtszeit auf einmal der Fasching hereinbricht - dann habe ich das nie besonders leiden können. Ich habe das schon als Kind als Störung des Festlichen und Feierlichen empfunden. Aber die Gaudi zum Jahreswechsel ist keine Erfindung der Moderne oder der Postmoderne, sondern gehört zum Brauchtum. Im Voralpenland ist es so: Wenn die lärmenden Gestalten maskiert sind und wie wild Glocken schwingen, heißen sie "Perchten". Wenn sie unmaskiert, aber gleichwohl sehr laut sind, heißen sie CSU. Und wenn sie sich nicht in Oberbayern, also nicht in Wildbad Kreuth oder in Seeon treffen, sondern in Stuttgart, und ihr Treffen dort "Dreikönigstreffen" nennen, dann handelt es sich um die FDP.

Die Klausurtagung der CSU zum Jahresauftakt und das Dreikönigstreffen der FDP erinnert mich an ein Ritual, das meine Großmutter liebte: Da kam alljährlich zwischen den Jahren die Blaskapelle Tonollo vor ihr Haus - zum "Neujahranblasen". Die Großmutter trat dick eingemummt vor die Tür und sagte: "Den Schneewalzer, bittschön". Sie sang mit und war beschwingt, fast ausgelassen - und anschließend wünschte man sich allseits ein gutes neues Jahr, die Blaskapelle erhielt fünf Mark und spielte zum Dank noch eine Zugabe. Es war jedes Jahr "the same procedure as every year".

So ähnlich ist das mit den Treffen der CSU und FDP zum Jahresauftakt auch; mit diesen Treffen wird das neue politische Jahr angeblasen. Deshalb sind sie mir ans Herz gewachsen. Und mit den politischen Tönen verhält es sich so wie einst mit den musikalischen der Blaskapelle Tonollo: Wenn es sehr kalt war, dann klang der Schneewalzer ziemlich schräg. Von den diesjährigen Treffen der CSU und der FDP ist das auch zu erwarten: Die FDP wird sich gegen den Vorwurf wehren, aus Jux, Tollerei und Publicity-Sucht die sich anbahnende Jamaika-Koalition zerrissen zu haben. Und die CSU wird sich in das Wahljahr hineinbrüllen; im Herbst wird nämlich der neue bayerische Landtag gewählt. Für die CSU geht es dabei um viel und für den designierten Ministerpräsidenten Markus Söder geht es um alles.

Wilhelm Busch und die CSU

Wilhelm Busch hat in seinem naturgeschichtlichen Alphabet über den Löwen, das bayerische Wappentier, das die CSU selbstverständlich für sich reklamiert, geschrieben: "Die Lerche in die Lüfte steigt / Der Löwe brüllt, wenn er nicht schweigt." Markus Söder schweigt selten, er möchte aber auch Lerche sein - und steigen und steigen. Man könnte nun über den Löwen, seine Eigenschaften seine Instinkte und das beginnende Wahljahr lange philosophieren. Aber das ist schon oft getan worden - inklusive des Satzes, der bisweilen für Tiger und Löwen gilt: dass sie als Bettvorleger gelandet sind. Es ist deshalb an dieser Stelle origineller, sich dem inoffiziellen Wappentier der FDP zuzuwenden. Es ist dies das Chamäleon.

Von den 133 Arten und Unterarten des Chamäleons leben die meisten in Afrika, einige auch im südlichen Spanien, in Indien, Ceylon und Madagaskar. Doch die wichtigste Chamäleon-Art ist weder in den gedruckten Lexika noch auf Wikipedia aufgeführt. Sie ist seit siebzig Jahren in Deutschland zu Hause und heißt Chamaeleon politicon, also FDP. Der Brockhaus schreibt zur Farbwechselei des Chamäleons folgendes: Das Vermögen, die Farbe zu wechseln, "beruht auf Erregungszuständen infolge Wohlbefindens, Licht und Wärme oder auch Hunger, Angst und Krankheit." Soeben erlebt die FDP wieder subkutan so einen dieser Erregungszustände.

Brehms Tierleben und die FDP

Die FDP im Erregungszustand; wer Genaueres über diesen Zustand wissen will, der muss in Brehms Tierleben weiterlesen: "Alle Farbenveränderungen geschehen mit einer gewissen Regelmäßigkeit ... aber nicht alle Teile des Leibes sind dem Wechsel unterworfen: Ein vom Kinn zum After verlaufender gelber Streifen, die sogenannte neutrale Linie, und die ebenfalls gelbe Innenseite der Hände und Füße, verändern sich niemals." Damit ist die siebzigjährige Geschichte der FDP schon ganz gut erklärt.

Es wird interessant sein zu beobachten, welche Farbenwechsel sich diesmal auf dem FDP-Dreikönigstreffen zeigen oder ankündigen. Nicht wenige Beobachter meinen, die FDP wolle (jedenfalls in der Flüchtlingspolitik) die AfD verdrängen, indem sie einen FPÖ-Kurs fährt, sich also an den österreichischen "Freiheitlichen" orientiert. Es gibt Interview-Äußerungen von Christian Lindner, dem FDP-Vorsitzenden, die diesen Verdacht nähren. Womöglich wird man also von der CSU und von der FDP beim jeweiligen Neujahrsanblasen sehr ähnliche Töne hören - jedenfalls dann, wenn es um Flüchtlingspolitik geht.Chamäleon und Löwe also im dissonanten Gleichklang? Die Wunderlichkeiten in der Politik sind noch größer als die in der Natur.

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