Porträt:Er könnte der "Neue" hinter Merkel werden

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Der Christdemokrat Helge Braun gilt wegen seiner besonnenen Art als die naheliegendste Wahl der Kanzlerin für den Posten des Kanzleramtschef. (Foto: AFP)

Helge Braun gilt als besonnen, mit Talent zum Koordinieren. Er bringt also mit, was man von einem Kanzleramtschef erwartet.

Von Jens Schneider, Berlin

Wenn für dieses wichtige politische Amt eine Stellenausschreibung zu formulieren wäre, stünde eine Anforderung ganz oben: Ruhe bewahren, auch in Krisensituationen. Der Chef des Bundeskanzleramts muss seinen Job so machen, dass man im Idealfall kein Wort über ihn verliert. Dann nämlich läuft in der Regierung alles reibungslos. Manchmal gibt es Politiker, die sind wie geschaffen für diese Aufgabe. Der heutige Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier war so ein Kanzleramtschef für Gerhard Schröder, auch der jetzt scheidende Thomas de Maizière ehedem für die Kanzlerin. Nun gilt der Christdemokrat Helge Braun auch wegen seiner besonnenen Art als die naheliegende Wahl der Kanzlerin für diesen Posten.

Der 45-jährige Arzt aus Gießen hat in seinen ersten Berufsjahren am Uniklinikum seiner Heimatstadt als Anästhesist gearbeitet. Das ist eine Aufgabe, bei der man nicht im Mittelpunkt steht, es aber überlebenswichtig ist, dass man sie besonnen und genau ausfüllt. Sie erfordert Demut und Gelassenheit.

Braun wird in der oft überdrehten Berliner Politik als ein Mann von angenehmer Heiterkeit wahrgenommen. Anders als manch andere Politiker hält er schlechte Laune nicht für ein Privileg ihrer Zunft. Er begegnet Gesprächspartnern gern lachend und er sagt über sich, er habe eigentlich immer gute Laune.

Von ihm findet man keine schrillen Kommentare im Netz, seine Auftritte sind von großer Ausgewogenheit. Die Kanzlerin zeigt seit jeher ein Faible für solche Temperamente. Schon lange heißt es, dass sie viel von Braun hält. Er ist seit Dezember 2013 Staatsminister im Kanzleramt, zuständig für Bürokratieabbau und Bund-Länder-Beziehungen. Braun hat nach dem Wehrdienst in Koblenz wieder daheim in Gießen Medizin studiert. Er war acht Jahre lang wissenschaftlicher Mitarbeiter für Anästhesiologie, Intensivmedizin und Schmerztherapie. 2007 schloss er seine Promotion ab. Sie widmete sich der Forschung über den Einfluss intraoperativer Tachykardien, gemeint ist Herzrasen während einer Operation, auf die postoperative Prognose.

Braun half Merkel bei ihrer wohl größten Herausforderung

Zum Zeitpunkt der Promotion war er schon lange auch politisch eingebunden. Bereits als Schüler engagierte Braun sich in der Jungen Union. In die Politik wuchs er über den Kontakt zum Vater seines besten Freundes aus der Kindheit. Der war CDU-Bundestagsabgeordneter, Braun ist heute sein Nachfolger.

In der Jungen Union wurde er Kreis- und Bezirksvorsitzender und lernte bald als Stadtverordneter für die CDU die Kommunalpolitik kennen. Recht jung kam er 2002 in den Bundestag. Auch in dieser Zeit gab der leidenschaftliche Mediziner den Beruf nicht auf. In den sitzungsfreien Wochen machte er Dienste in der Klinik. Drei Jahre später verlor er das Bundestagsmandat und arbeitete wieder hauptberuflich als Narkosearzt.

2009 kehrte Braun in den Bundestag zurück. Im gleichen Jahr wurde der Mediziner mit Forschungserfahrung Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministerium für Bildung und Forschung. Er engagierte sich stark im Kampf gegen die "Ebola-Krise".

Vor mittlerweile drei Jahren half der Mann, dem ein Talent zum Koordinieren nachgesagt wird, die größte Herausforderung in der Kanzlerschaft von Angela Merkel zu bewältigen. Sie hatte Deutschland für Hunderttausende Flüchtlinge geöffnet. Länder und Kommunen konnten die gewaltige Aufgabe kaum in den Griff bekommen, Braun kümmerte sich um die Koordination.

Er sieht sich fest verankert in seiner Geburtsstadt, freie Zeit verbringe er am liebsten zu Hause mit seiner Frau Katja. Daheim in Hessen hat der Mediziner inzwischen eine Honorarprofessur an der Frankfurter Universität inne. Den Kontakt in die Wissenschaft hielt er auch als Politiker aufrecht; bis zuletzt unterrichtete er an den Hochschulen in Frankfurt und Gießen.

© SZ vom 09.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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