Politiker und Plagiatsaffären:Wenn der Doktortitel in Gefahr ist

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Verursachte als einer der ersten deutschen Politiker einen Plagiatsskandal: Karl Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU). (Foto: Maurizio Gambarini/picture alliance/dpa)

Die zurückgetretene Bundesfamilienministerin Giffey ist nicht die erste deutsche Amtsträgerin, die wegen ihrer Dissertation in der Kritik steht. Ein Überblick.

Von Kathrin Müller-Lancé

Nach wochenlangen Diskussionen über die Aberkennung ihres Doktortitels ist Franziska Giffey (SPD) von ihrem Amt als Bundesfamilienministerin zurückgetreten. Der SPD-Politikerin wird vorgeworfen, in ihrer Dissertation plagiiert zu haben.

Giffeys Dissertation stammt aus dem Jahr 2010. Die Freie Universität Berlin (FU) hatte der Politikerin bereits im Herbst 2019 wegen Mängeln in ihrer Doktorarbeit eine Rüge erteilt, ihr aber nicht den Doktortitel entzogen. Nach breiter Kritik an ihrem Vorgehen startete die FU 2020 eine erneute Prüfung, die noch andauert. Giffey hatte sich schon damals entschieden, ihren Titel nicht mehr zu führen.

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Karl-Theodor zu Guttenberg

(Foto: Maurizio Gambarini/picture alliance/dpa)

Den einstigen Verteidigungsminister und CSU-Star handelten manche schon als Kanzlerkandidaten, als im Februar 2011 ein Jura-Professor Plagiatsvorwürfe gegen ihn öffentlich macht. Guttenberg soll in seiner Doktorarbeit etliche Passagen ohne Kennzeichnung wörtlich übernommen haben. Zunächst tut Guttenberg die Vorwürfe als "abstrus" ab, er habe die Arbeit nach bestem Wissen und Gewissen angefertigt. Später bereut er diese Reaktion und nennt sie "dumm und töricht". Die Universität in Bayreuth erkennt ihm den Doktorgrad ab. Guttenberg habe "in erheblichem Umfang" gegen Zitierpflichten verstoßen, heißt es zur Begründung. Nach heftiger öffentlicher Kritik tritt Guttenberg im März 2011 von seinem Amt zurück.

Silvana Koch-Mehrin

(Foto: Jochen Lübke/picture alliance/dpa)

Kurz darauf gerät die Doktorarbeit der ehemaligen FDP-Europaabgeordneten ins Visier der Plagiatsjäger. Auch sie soll Teile ihrer Doktorarbeit über "Die Historische Währungsunion zwischen Wirtschaft und Politik: die Lateinische Münzunion 1865 - 1927" abgeschrieben haben. Nach zweimonatiger Prüfung entzieht die Universität Heidelberg der Politikerin im Juni 2011 den Doktortitel. Auf etwa 80 Textseiten der Dissertation finden sich laut der Hochschule mehr als 120 Stellen, die als Plagiate zu klassifizieren sind. Koch-Mehrin hatte bereits kurz zuvor ihre Ämter als Vorsitzende der FDP im Europäischen Parlament, als Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments und als Präsidiumsmitglied der FDP aufgegeben. Bei der nächsten Europawahl kandidiert sie nicht erneut.

Annette Schavan

(Foto: Michael Kappeler/dpa)

Ausgerechnet über das Gewissen, genauer: "Voraussetzungen, Notwendigkeit und Erfordernisse heutiger Gewissensbildung", hat die ehemalige Bundesbildungsministerin (CDU) promoviert . 2013 entzieht ihr die Universität Düsseldorf den Doktortitel. Schavan habe in ihrer Arbeit "systematisch gefälscht". Im Vergleich zu Guttenberg sind die Vergehen milder: Schavan hat zwar plagiiert, nur an wenigen Stellen aber fehlt ein Verweis auf die Herkunft ihrer Erkenntnisse völlig. Auch spricht ihr kaum jemand ab, in der Arbeit eigene Erkenntnisse geliefert zu haben. Kurz nach dem Entzug des Titels tritt Schavan von ihrem Amt zurück. Ihre Anfechtungsklage weist das Verwaltungsgericht Düsseldorf 2014 ab.

Frank-Walter Steinmeier

(Foto: Markus Schreiber/dpa)

Im Jahr 2013 wird auch der heutige Bundespräsident und damalige SPD-Fraktionschef mit Plagiatsvorwürfen konfrontiert, erhoben von einem Fachhochschul-Professor. Steinmeier hatte 1991 mit einer Arbeit über Obdachlosigkeit in Gießen promoviert. Die Universität geht den Vorwürfen nach, stellt jedoch "weder eine Täuschungsabsicht noch ein wissenschaftliches Fehlverhalten" fest.

Ursula von der Leyen

(Foto: Jean-François Badias/AFP)

2015 steht die Doktorarbeit der damaligen CDU-Verteidigungsministerin in der Kritik. Ihre 1990 verfasste Dissertation beschäftigt sich mit den Folgen eines Entspannungsbades für Schwangere bei "vorzeitigem Blasensprung". Die Medizinische Hochschule Hannover stellt zwar Plagiate fest, sieht aber keine Täuschungsabsicht. Die Fehler stellten den wissenschaftlichen Wert der Arbeit, also das Ergebnis ihrer Forschung, nicht grundsätzlich infrage. Es gebe "kein wissenschaftliches Fehlverhalten", so der Präsident der Hochschule. Die Politikerin darf ihren Titel behalten.

Andreas Scheuer

(Foto: Christian Spicker/imago images)

Auch der damalige CSU-Generalsekretär muss sich 2014 mit Plagiatsvorwürfen auseinandersetzen. In seiner Doktorarbeit soll er mehrere Textpassagen aus Fremdquellen übernommen haben, ohne dies korrekt zu kennzeichnen. Scheuer hatte 2004 an der Karls-Universität Prag den kleinen Doktorgrad PhDr. erworben. Dieser ist nicht mit dem deutschen Doktortitel gleichwertig. Eine Prüfung der Dissertation durch die Karls-Universität ergibt: Der CSU-Politiker hat drei Textstellen verwendet, ohne Quellen dafür anzugeben. Dies betrachtet die zuständige Kommission jedoch "nicht als schwerwiegenden Verstoß gegen Ethik-Regeln". Scheuer teilt dennoch mit, seinen Titel nicht mehr führen zu wollen.

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