Politik:Proteste gegen ersten offiziellen Besuch aus China in Taiwan

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Taipeh (dpa) - Erstmals seit dem Ende des Bürgerkriegs vor 65 Jahren hat ein hoher chinesischer Regierungsvertreter das demokratische Taiwan besucht.

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Taipeh (dpa) - Erstmals seit dem Ende des Bürgerkriegs vor 65 Jahren hat ein hoher chinesischer Regierungsvertreter das demokratische Taiwan besucht.

Ungeachtet des zunehmenden Widerstands in der Inselrepublik gegen eine weitere Annäherung zur kommunistischen Volksrepublik wollen beide Regierungen die Kooperation ausbauen. Darauf einigten sich der Direktor des Taiwanbüros (TAO) beim Pekinger Staatsrat und sein taiwanesischer Konterpart Wang Yu-chi vom Festlandrat (MAC), die sich am Mittwoch unter strengen Sicherheitsvorkehrungen in einem Flughafenhotel trafen.

Die zweite Runde offizieller Gespräche auf Ministerebene wurde begleitet von Demonstrationen. Aktivisten zeigten dem kommunistischen Besucher - wie beim Fußball - die rote Karte. Es gab Auseinandersetzungen, die Polizei ging teilweise handgreiflich gegen Aktivisten vor.

Mit seiner historischen Visite in Taiwan erwidert der chinesische Spitzenpolitiker einen Besuch seines Amtskollegen im Februar im ostchinesischen Nanjing, wo die beiden, lange verfeindeten Seiten den bislang ranghöchsten offiziellen Dialog seit 1949 aufgenommen hatten.

Nach ihren Gesprächen kündigten sie einen Ausbau der Zusammenarbeit an. Genannt wurden Erleichterungen für chinesische Reisende in Taiwan oder sogar die Möglichkeit von jeweiligen Gefängnisbesuchen für Angehörige. Ein Treffen zwischen Taiwans Präsident Ma Ying-jeou und Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping sei aber „heute nicht angesprochen worden“, sagte der MAC-Vorsitzende Wang Yu-Chi.

Der hohe Besuch aus Peking sagte, bei seiner viertägigen Visite in Taiwan „die unterschiedlichen Stimmen hören“ zu wollen, um sich aus erster Hand ein Bild über die taiwanesische Gesellschaft zu machen. „Wir hoffen, dass China die Demokratie zur Kenntnis nehmen kann“, sagte sein taiwanesischer Amtskollege und verwies auf die lebendige Zivilgesellschaft.

Der schon im April geplante Besuch war lange fraglich. Im März hatten Proteste gegen eine Öffnung Taiwans für Chinas Unternehmen die Ratifizierung eines Handelspakts für den Dienstleistungssektor vorerst gestoppt. Drei Wochen lang hatten Studenten das Parlament in Taipeh besetzt. Eine halbe Million Menschen gingen auf die Straße.

Dass Zhang Zhijun trotz des aufgeheizten Klimas angereist ist, werteten Experten als Zeichen, dass China seine Politik ungeachtet des wachsenden Widerstands unter den 23 Millionen Taiwanesen gegen eine engere Kooperation mit dem großen kommunistischen Nachbarn nicht geändert hat. Gespräche mit Vertretern der „Sonnenblumenbewegung“ der Studenten waren allerdings nicht geplant.

„Wir sehen nicht, dass Zhang Zhijun ernsthaft einen Dialog mit der Zivilgesellschaft sucht“, sagte Studentenführer Lin Fei-Fan der Nachrichtenagentur dpa bei den Protesten am Flughafen. „Trotzdem wollen wir, dass er unsere Stimmen deutlich hört.“ Bei den Demonstrationen standen Unabhängigkeitsaktivisten einigen Dutzend Wiedervereinigungsbefürwortern gegenüber. Anhänger der in China verbotenen Kultbewegung Falun Gong protestierten gegen die Verfolgung ihrer Mitglieder auf dem Festland.

Seit der Flucht der nationalchinesischen Kuomintang nach Taiwan betrachtet Peking die Inselrepublik als „untrennbaren Teil Chinas“ und droht mit einer gewaltsamen Rückeroberung, falls sich Taiwan formell unabhängig erklären sollte. Taipeh wiederum ist seit 1949 der Regierungssitz der Republik China, die ebenso wie Peking lange den Anspruch erhoben hat, ganz China zu vertreten.

Der Besuch von Zhang Zhijun ist symbolisch bedeutend, weil die Regierungen sich eigentlich nicht offiziell anerkennen. Trotzdem hat die Zusammenarbeit in den sechs Jahren unter dem Peking-freundlichen Präsidenten Ma Ying-jeou von der Kuomintang rasant zugenommen. Beide Seiten haben rund 20 Abkommen unterzeichnet, die die Wirtschaftskooperation ausgeweitet, Direktflüge ermöglicht, den Touristenverkehr erleichtert und Bankgeschäfte vereinfacht haben.

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