Politik kompakt:Gabriel fordert neue Abstimmung über "Krieg"

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Nach Ansicht des SPD-Chefs muss die Bundesregierung das Mandat für den Afghanistan-Einsatz neu beantragen. Kurzmeldungen im Überblick.

Die Bundesregierung sollte nach Ansicht von SPD-Chef Sigmar Gabriel das Bundestagsmandat für den Afghanistan-Einsatz überdenken. Er sagte der Frankfurter Rundschau, wenn Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) den Einsatz für einen "Krieg" halte, müsse die Regierung einen neuen Einsatzbeschluss beantragen. "Dann würde mit Sicherheit die Abstimmung anders verlaufen", sagte er. "Ich kann mir nicht vorstellen, dass der Deutsche Bundestag einem Kriegseinsatz im Sinne des Völkerrechts zustimmt."

Merkel hatte am Freitag bei der Trauerfeier für die drei nahe Kundus getöteten Bundeswehrsoldaten gesagt, die meisten Soldaten würden den Einsatz in Afghanistan inzwischen Krieg nennen. Sie fügte hinzu: "Ich verstehe das gut."

Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) wurde deutlicher und sprach erstmals ohne jegliche Umschweife und Einschränkungen von Krieg: "Was wir am Karfreitag bei Kundus erleben mussten, das bezeichnen die meisten verständlicherweise als Krieg - ich auch."

Gabriel sagte weiter: "Ich verstehe jeden Bürger und jeden Soldaten, der sagt: Was bitte ist das anderes als Krieg?" Die Kanzlerin und der Verteidigungsminister müssten sich entscheiden. "Wenn sie der Überzeugung sind, dass das Mandat der Vereinten Nationen nicht mehr ausreicht, dann müssen sie das sagen, und die Bundesrepublik Deutschland muss entscheiden, ob sie sich an einem Krieg beteiligen will." Er könne nur davor warnen, aus "Feigheit" vor der öffentlichen Debatte die Begriffe zu verwischen, sagte Gabriel.

SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier sagte am Dienstag im Deutschlandfunk, die Bundesregierung versuche, "sich auf neue Begrifflichkeiten einzustellen", anstatt das zu tun, was notwendig sei. "Es hilft unserer Soldatinnen und Soldaten überhaupt nicht, wenn wir neue Begriffe dafür erfinden, was da stattfindet." Vielmehr sei es nötig zu überprüfen, ob die Soldaten den bestmöglichen Schutz hätten und diesen gegebenenfalls zu verbessern.

Warum Politiker von CSU und FDP neue Flug-Regeln für die Regierung fordern und Chinas Präsident bei Auslandsreisen auf Jubel-Empfang verzichtet: Lesen Sie auf den nächsten Seiten weitere Kurzmeldungen.

Israel hat seine Staatsbürger vor möglichen Entführungen auf der ägyptischen Halbinsel Sinai gewarnt. Die israelische Anti-Terrorbehörde erklärte, sie habe "konkrete Informationen" über eine "unmittelbare Gefahr einer terroristischen Entführungsaktion". Israelische Touristen wurden aufgefordert, unverzüglich nach Hause zurückzukehren. Im Februar hatte die Regierung bereits eine generelle Warnung vor Reisen in das beliebte Urlaubsziel am Roten Meer herausgegeben. Dabei verwies sie auf "Bedrohungen" durch die schiitische Hisbollah-Miliz und den Iran. Auf dem Sinai hat es in den vergangenen Jahren mehrere Anschläge gegen israelische oder westliche Touristen gegeben.

Der oberste Rat der islamischen Religionsgelehrten von Saudi-Arabien hat zum ersten Mal eine offizielle "Fatwa" gegen die Finanzierung von Terrorgruppen erlassen. In dem islamischen Rechtsgutachten, das am Dienstag veröffentlicht wurde, heißt es: "Die finanzielle und moralische Unterstützung des Terrorismus ist ein Verbrechen." Alle 20 Mitglieder des Rates unterzeichneten die Fatwa in Anwesenheit des Muftis, Scheich Abdulasis Al-Alscheich.

Die religiösen Parteien der Schiiten im Irak hatten in den vergangenen Jahren mehrfach erklärt, die Al-Qaida-Terroristen im Irak finanzierten ihre Anschläge zum Teil mit Geld, das sie von radikalen Sunniten aus Saudi-Arabien erhielten. Die Al-Qaida-Terroristen verüben seit 2003 auch in Saudi-Arabien Terroranschläge.

Die Regierungen hat die Verhandlungen über Entschädigungen für den verheerenden Luftangriff im afghanischen Kundus abgebrochen. Der Anwalt einiger Opfer, Karim Popal, will nun klagen. Dass das Verteidigungsministerium die Gespräche nach wochenlangem Streit beendet habe, sei ein Fehler. "In Wahrheit will das Ministerium keine Hilfe leisten und keine Entschädigung zahlen", sagte "Bei Herrn Popal ist bis heute die Mandatslage ungeklärt", hatte Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg zuvor den Abbruch der Verhandlungen begründet. Zudem sei die von dem Anwalt vorgeschlagene Verwendung der Entschädigung in Höhe von mehreren Millionen Euro für Projekte in der Unruheregion Char Darah bei Kundus "derzeit nicht umsetzbar". Popal betonte dagegen, die Mandatslage sei stabil. "Meine Mandanten wollen nur von mir vertreten werden, das habe ich schriftlich", erklärte er. Eigenen Angaben zufolge vertritt er knapp 80 Angehörige von Opfern des Bombardements. Die Verhandlungen sollen nun vom Auswärtigen Amt und vom Entwicklungsministerium direkt mit den Stammesältesten vor Ort geführt werden. Bei den von einem Bundeswehr-Oberst befohlenen Luftschlägen waren am 4. September 2009 bis zu 142 Menschen getötet oder verletzt worden.

Der Stadtstaat Bremen will als erstes Bundesland alle Jungen und Mädchen untersuchen lassen, deren Todesursache unklar ist. Der Senat beschloss am Dienstag die umstrittene Obduktionspflicht für Kinder unter sechs Jahren. "Wir wissen, dass Misshandlungen und gewaltsame Einwirkungen gerade bei kleinen Kindern äußerlich oft nicht sichtbar sind", sagte Sozialsenatorin Ingelore Rosenkötter (SPD) . Eltern, die mit einer Obduktion nicht einverstanden sind, sollen innerhalb von 24 Stunden formlos Widerspruch einlegen können. Dann wird das Amtsgericht eingeschaltet. Ethische Bedenken innerhalb der rot-grünen Bremer Landesregierung hatten das Vorhaben wochenlang verzögert. Auch Kinderschutzbund, katholische Kirche und FDP kritisierten die geplante Gesetzesänderung heftig. Eltern würden dadurch unter Generalverdacht gestellt. Außerdem könnten trauernde Eltern weiter traumatisiert werden, warnte die FDP. Nach Angaben der Grünen wird sich die Bürgerschaft allerdings frühestens im Mai mit der Obduktionspflicht befassen.

Als Reaktion auf den Absturz des Flugzeugs von Polens Präsident Lech Kaczynski fordern Politiker von CSU und FDP Einschränkungen beim gemeinsamen Reisen von Regierungsmitgliedern. "Dieses schreckliche Unglück gibt Anlass, Regelungen zu finden, die Schlimmeres verhindern und dafür sorgen, dass nicht die gesamte Staats- und Regierungsführung in einem Flugzeug reist", sagte der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium, Andreas Scheuer (CSU), der Passauer Neuen Presse.

Der FDP-Verkehrsexperte Patrick Döring betonte: "Risiken müssen ausgeschlossen und auch in der Regierung das Bewusstsein für mögliche Gefahren geschärft werden." So wie in der Wirtschaft müsse es auch in der Politik die Regel werden, dass Spitzenkräfte nicht gemeinsam in einem Flugzeug reisen, forderte Döring.

Am Samstag waren Kaczynski, seine Frau, weitere Mitglieder der polnischen Staatsführung sowie hochrangige Vertreter aus Politik, Wirtschaft und Militär beim Absturz einer Regierungsmaschine im westrussischen Smolensk ums Leben gekommen. In Deutschland dürfen Spitzenpolitiker ohne Einschränkung gemeinsam in einem Flugzeug reisen.

Bei seiner Reise zum Atom-Gipfel in Washington hat Chinas Staatschef Hu Jintao mit einer langen Tradition bei Auslandsreisen gebrochen: Der Präsident wurde bei seiner Ankunft am Montag am Flughafen der US-Hauptstadt nicht von jubelnden und Fahnen schwenkenden Landsleuten empfangen. Jahrelang war es üblich, dass Auslandschinesen die Führungsspitze ihres Landes bei einem Staatsbesuch in Empfang nahmen - und Jubelbilder für das chinesische Staatfernsehen ablieferten. Damit soll es nun vorbei sein, wie die Regierung in Peking am Dienstag verlauten ließ.

Vizeaußenminister Cui Tiankai sagte der chinesischen Nachrichtenagentur Xinhua, der Verzicht auf das enthusiastische Begrüßungskomitee solle den im Ausland lebenden Chinesen das Leben einfacher machen. Präsident Hu und die anderen politischen Führer des Landes würden es "total verstehen", dass der Weg für ihre Landsleute an den Flughafen beschwerlich sein könne. Daher sei das Empfangszeremoniell abgespeckt worden.

Zwei Wochen nach dem Blutbad in der Moskauer Metro mit 40 Toten hat der russische Inlandsgeheimdienst FSB die Hintermänner der Anschläge ausgemacht. Einzelheiten zu Namen oder Herkunft der Terror-Drahtzieher nannte FSB-Chef Alexander Bortnikow jedoch nicht. Er will nun umfassendere Maßnahmen treffen, um den Islamismus im Konfliktgebiet Nordkaukasus einzudämmen. So sollten Anti-Terror-Kommissionen und geistliche sowie gesellschaftliche Führer eingebunden werden, um den Zulauf von Jugendlichen zu den Radikalen zu stoppen, sagte Bortnikow am Dienstag nach Angaben der Agentur Ria Nowosti.

Mit den Selbstmordattentaten wollten die Terroristen Furcht säen und das Land destabilisieren, sagte der Geheimdienstchef. Zu dem Doppelanschlag am 29. März, bei dem auch etwa 100 Menschen verletzt worden waren, hatte sich der Anführer der Islamisten im Nordkaukasus, der Tschetschene Doku Umarow, bekannt.

In der Demokratischen Republik Kongo sind offenbar acht Mitarbeiter des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK) entführt worden. Bereits am Donnerstag seien unter anderem ein Schweizer und zwei kongolesische Fahrer in der Provinz Süd-Kivu im Osten des Landes von Anhängern der Mai-Mai-Miliz verschleppt worden, sagte ein Mitarbeiter einer Hilfsorganisation vor Ort.

Demnach halten sich die Entführer mit ihren Geiseln rund 250 Kilometer südlich der Provinzhauptstadt Bukavu auf. Ein IKRK-Mitarbeiter bestätigte die Entführung. Mit den Geiselnehmern werde bereits verhandelt, hieß es. Über die Motive der Tat oder etwaige Lösegeldforderungen wurde hingegen zunächst nichts bekannt. In der Provinz Süd-Kivu sind mehrere Rebellenorganisationen aktiv. Sie gilt als eine der gefährlichsten Regionen im Kongo.

Die israelische Armee hat am Dienstag im Gaza-Streifen nach eigenen Angaben einen militanten Palästinenser getötet und drei weitere verletzt. Eine Armeesprecherin sagte, die Männer hätten Sprengsätze entlang des Sperrzauns zu Israel deponiert und seien daraufhin angegriffen worden. Aus palästinensischen Krankenhauskreisen verlautete, die drei Verletzten befänden sich in einem kritischen Zustand.

Die Extremistengruppe Islamischer Dschihad bestätigte, das israelische Militär habe Mitglieder der Gruppe mit Raketen und Granaten aus der Luft und vom Boden östlich des Al-Bureidsch-Flüchtlingslagers im zentralen Gaza-Streifen angegriffen. Es handelte sich um den ersten tödlichen Zwischenfall im Gaza-Streifen seit mehr als zwei Wochen. Ende März waren zwei israelische Soldaten und drei palästinensische Extremisten in einem Feuergefecht umgekommen. Es war der schwerste Zusammenstoß zwischen beiden Seiten seit 14 Monaten.

US-Präsident Barack Obama hat die Türkei und Armenien gedrängt, ihre Beziehungen zu normalisieren. Die beiden Staaten sollte dabei alle Anstrengungen unternehmen, sagte Obama nach Angaben des US-Präsidialamts am Montag in Washington. Obama habe sich bei einem Treffen mit dem armenischen Präsidenten Serzh Sarksyan anlässlich des Atom-Gipfels geäußert.

Der US-Präsident habe die mutigen Bemühungen Armeniens gewürdigt und das Land ermuntert, im Interesse der armenischen Bevölkerung dabei nicht nachzulassen. Sarksyan hatte in der vergangenen Woche verlauten lassen, er wolle mit dem türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan anlässlich des Gipfeltreffens in Washington sprechen.

Die beiden Länder bemühen sich derzeit um eine Normalisierung ihrer seit mehr als einem Jahrhundert belasteten Beziehungen. Ein Knackpunkt ist der Umgang mit der massenhaften Ermordung von Angehörigen der armenischen Minderheit im Osmanischen Reich. Die Türkei lehnt es ab, dies - wie von Armenien gefordert - als Völkermord einzustufen.

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