Italien:Di Maios Stern sinkt

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Um auch in einer Koalition mit Sozialdemokraten Vizepremier zu werden, drohte Luigi Di Maio von den Fünf Sternen, alles platzen zu lassen. (Foto: Andrea Panegrossi/dpa)
  • In dieser Woche entscheidet sich die Zukunft der italienischen Regierung. Bis Mittwoch soll Premier Giuseppe Conte dem Staatspräsidenten sein neues Kabinett vorschlagen.
  • Der Regierung werden Minister der Cinque Stelle, dem Partito Democratico und wahrscheinlich parteilose Experten angehören.
  • Luigi Di Maio, Spitzenmann der Cinque Stelle und bisheriger Vizepremier, fürchtet um seinen Posten und droht bereits mit neuem Ärger.

Von Oliver Meiler, Rom

Es gibt jetzt ein schönes, perfekt komponiertes Foto von Giuseppe Conte, das ihn in der Galleria Deti zeigt, seinem Büro im Palazzo Chigi, dem römischen Amtssitz italienischer Premiers. Conte stützt sich, stehend und vornübergebeugt, mit seiner linken Hand auf den Schreibtisch, die rechte Hand sieht man nicht, sie ist versteckt hinter einem Stapel Dokumenten. Auf dem Tisch steht auch eine Wasserflasche, so gedreht, dass man das Etikett nicht erkennt. Wahrscheinlich unterschreibt er gerade eine Programm-Einigung zwischen den Cinque Stelle und den Sozialdemokraten, so jedenfalls soll es aussehen. Und über allem wölbt sich die prächtige, mit Frisen und vergoldeter Stuckatur verzierte Decke des ganz in Gelb gehaltenen Saals. Conte und seinem Mitarbeiterstab ist offensichtlich sehr daran gelegen, dass die Italiener nicht denken, die neuen Koalitionäre stritten sich ja doch nur wieder um Posten.

Im Poker um die Zukunft Italiens beginnt nun die entscheidende Woche. Bis spätestens Mittwoch soll Conte, der vor einigen Tagen den Regierungsauftrag erhielt und "unter Vorbehalt" annahm, wie das üblich ist, dem Staatspräsidenten eine Liste mit den Namen seines neuen Kabinetts vorlegen, der Regierung Conte II. Darin sollen Minister von den Fünf Sternen, dem Partito Democratico (PD) und wahrscheinlich einige parteilose Experten sitzen. Staatspräsident Sergio Mattarella kann Namen nach Belieben streichen und neue Vorschläge fordern, so steht es in der Verfassung. Wenn das Team dann mal steht, wird sich Conte in beiden Parlamentskammern präsentieren, das neue Regierungsprogramm erläutern und die Vertrauensfrage stellen. Wahrscheinlich wird das Ende dieser Woche sein.

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Zumindest ist das der Plan, jener Contes und Mattarellas, beide haben es eilig. Doch mit Plänen ist das so eine Sache in der italienischen Politik: Neuerdings werden sie noch wilder durcheinander gewirbelt als früher. In Wahrheit kontrastiert die Beschaulichkeit im Arbeitsstudio des Premiers krass mit den vielen Wirren, die dessen Bemühungen um eine neue Regierung umwehen. Besonders groß ist die Zerrissenheit bei den Cinque Stelle. Luigi Di Maio, ihr "politischer Chef" und Vizepremier, möchte ganz gerne weiterregieren. Doch fürchtet er, in der Regierung Conte II zurückgestuft zu werden.

Di Maio drohte bereits, die neue Regierung platzen zu lassen

Man schiebt ihm die ganze Schuld für den Gunstverfall der Partei zu, die sich dem bisherigen Alliierten, Matteo Salvini von der rechten Lega, unterworfen hatte. Die Cinque Stelle fielen von fast 33 Prozent bei den Parlamentswahlen 2018 auf 17 Prozent bei den Europawahlen 2019. Am Freitag drohte Di Maio, alles platzen zu lassen, wenn die Sozialdemokraten nicht jeden einzelnen Programmpunkt der Sterne respektierten. Gemeint war auch, dass er Vizepremier bleiben würde. Die Börse reagierte nervös, der Risikoaufschlag auf Italiens Staatsanleihen stieg sofort wieder.

Conte soll sich fürchterlich geärgert haben über das Solo, er hielt es für einen Sabotageversuch. Der süditalienische Rechtsprofessor ist nun die beste Karte der Partei. Er gehört ihr zwar nicht an, doch sie hat ihn offiziell zu ihrem Frontmann erklärt. Conte ist so populär, dass die Fünf Sterne in den Umfragen nun plötzlich wieder wachsen. Laut einer neuen Erhebung des Corriere della Sera machte die Bewegung in den vergangenen Wochen einen Sprung um sieben Prozentpunkte auf nun 25. Dank Conte. Zusammen mit dem ebenfalls wachsenden PD sind die beiden Koalitionäre erstmals seit langer Zeit stärker als die gesamte Rechte mit Salvinis Lega im Zentrum, die stark an Boden einbüßt.

Die Zeitung Il Fatto Quotidian, Lieblingslektüre der Sterne, fragt deshalb in ihrem Kommentar am Sonntag: "Was will Di Maio denn noch mehr?" Er möge die "Rülpserei" doch Salvini überlassen, so deutlich war das Blatt noch nie. Auch Beppe Grillo, der Gründer und so genannter "Garant" der Partei, meldete sich am Wochenende wieder mit einem seiner furiosen Monologe. Er wünsche sich mehr "Euphorie", sagte er, man habe da eine "einmalige Chance", die Zeit zu prägen, neue Visionen zu entwickeln. Dieses Geschacher um Posten aber sei ihm ein Graus. Gemeint war vor allem Di Maio.

Nun entscheidet die Basis der Fünf Sterne

In den kommenden Stunden will die Partei nun einen Teil ihrer Basis fragen, ob sie mit dieser neuen Regierung einverstanden sei - und zwar online, auf der privaten Internetplattform "Rousseau". Das Register zählt etwa 115 000 eingeschriebene Mitglieder, die immer mal wieder zu wichtigen Angelegenheiten befragt werden. Die Formulierung ist klar und deutlich: "Bist Du einverstanden, dass die Cinque Stelle eine Regierung auf den Weg bringen, zusammen mit dem Partito Democratico, die von Giuseppe Conte präsidiert wird?" Di Maio verkündete, die Meinung der Basis sei bindend; sei sie dagegen, gebe es keine neue Regierung. Dass Conte und der PD in der Frage namentlich erwähnt sind, könnte bei vielen an der Basis indes einen Antireflex auslösen.

Von Giuseppe Conte heißt es, er habe in den vergangenen Tagen einmal gefragt: "Muss diese Umfrage wirklich sein?" So richtig gelassen ist noch niemand in dem neuen Bündnis.

© SZ vom 02.09.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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