Polen:Ein Präsident ringt um sein Amt

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Präsident Andrzej Duda trifft auf dem Marktplatz von Krakau Unterstützer. (Foto: Omar Marques/Getty Images)

Amtsinhaber Duda könnte am Sonntag in die Stichwahl gezwungen werden. Ein überraschend populärer Widersacher setzt dem Nationalkonservativen zu - und gefährdet die Dominanz der PiS-Partei.

Von Frank Nienhuysen, München

Es gab Zeiten, da wäre das Lob eines US-Präsidenten anstandslos in Polen als Gütesiegel verstanden worden, aber diesmal ist das nicht ausgemacht. "Ich glaube, er hat eine Wahl vor sich, und ich denke, er wird sehr erfolgreich sein", sagte Donald Trump in Washington über Andrzej Duda, dem die Zeitung Rzeczpospolita hinterher lakonisch vorrechnete, dass er alle zwei Minuten "Danke" gesagt habe zum Mann im Weißen Haus.

Es geht um viel für Polens Präsidenten, nicht nur um das Verhältnis zu den USA, um das Kontingent amerikanischer Truppen im eigenen Land. Duda will die konservative Mehrheit in Polen sichern; am Sonntag ist Präsidentenwahl, und der Amtsinhaber muss stärker um seine Wiederwahl kämpfen, als er das vor einigen Wochen wohl noch gedacht hatte.

Duda führt nach den Umfragen in Polen mit 40 Prozent der Stimmen, aber das sind weit weniger als jene 60 Prozent, bei denen er auch schon mal stand. Das hätte locker gereicht für einen Sieg im ersten Durchgang, jetzt allerdings sieht es aus, als würde ihn sein größter Herausforderer in eine Stichwahl am 12. Juli zwingen.

Rafał Trzaskowski, 48, gleich alt wie Duda, ist erst vor zwei Jahren mit großem Vorsprung zum Warschauer Bürgermeister gewählt worden, nun greift er schon nach dem Präsidentenamt. Er kommt in den Umfragen auf etwa 30 Prozent. Die anderen neun Kandidaten gelten als chancenlos.

Die Präsidentenwahl sollte eigentlich bereits am 10. Mai stattfinden, wurde wegen der Pandemie und nach heftigem Streit zwischen den Lagern jedoch verschoben. Die oppositionelle Bürgerkoalition (KO) nutzte die Gunst, servierte ihre bisherige, schwach wirkende Kandidatin ab und nominierte den liberalen Warschauer Bürgermeister Trzaskowski. Innerhalb von einer Woche reichte er nach eigenen Angaben mehr als 1,5 Millionen Unterschriften ein, gefordert waren 100 000. Seitdem zieht er mit der Kampagne "Mamy dość" ("Wir haben genug") durchs Land.

Die Regierung investierte zuletzt großzügig in die Sozialsysteme - was ihr die Wähler dankten

Trzaskowski will Polens konservativ-populistischen Kurs beenden, der zum Dauerstreit mit der EU geführt hat, weil die Justizreform den Rechtsstaat in Polen auszuhöhlen droht. Präsident Duda hat die umstrittenen Gesetze der PiS-Regierung loyal mitgetragen und unterschrieben. Kritiker der Regierung sehen die Demokratie gefährdet und in der Präsidentenwahl nun die Gelegenheit, dies zu verhindern und den Rechtsstaat wieder zu stärken. Das Präsidentenamt in Polen umfasst zwar nicht die Machtfülle wie etwa in den USA, aber ein Wechsel würde es der PiS-Regierung erheblich erschweren, Gesetze wie bisher durchzubringen. Die Dominanz der PiS wäre dahin. Aber so weit ist Trzaskowski noch nicht.

Duda hält noch immer viele Trümpfe, Trumps Lob gehört allerdings eher nicht dazu. Polens Präsident ist in den vergangenen Wochen zielstrebig über die Lande gereist, vor allem dort lebt seine große Wählerbasis. Sie dankt den Konservativen und damit auch Duda für all jene Verbesserungen, die sich vor allem finanziell bemerkbar machen: Rentner erhalten mehr Geld, für Familien wurde erstmals ein Kindergeld von etwa 110 Euro pro Kind eingeführt, der Mindestlohn ist erhöht worden und das Renteneintrittsalter gesenkt. Solche großzügigen Investitionen in die Sozialsysteme haben sich bisher an Wahltagen für die PiS ausgezahlt. Deshalb fiel in diesen Bevölkerungsgruppen die Empörung gedämpfter aus, wenn es in Warschau um Gesetze ging, die aus Sicht der Liberalen die Unabhängigkeit der Justiz beenden und die EU aufschreckten.

Trzaskowski will deshalb die sozialen Fortschritte seiner politischen Gegner gar nicht antasten. Um bessere Chancen zu haben, in einem zweiten Wahlkampf Duda zu besiegen, müsste er auch einen großen Teil der polnischen Wähler auf dem Land für sich gewinnen. Der amtierende Präsident wiederum versucht mit Radikalität zu punkten, bei vergangenen Wahlen hat dies den Konservativen durchaus Siege verschafft.

Neulich griff Duda im Wahlkampf Schwule, Lesben, Transgender an, sagte: "Man versucht uns einzureden, dass dies Menschen sind. Aber es ist einfach nur eine Ideologie." Die Attacke dürfte auch auf Trzaskowski abgezielt haben, der im vergangenen Jahr als Hauptstadt-Bürgermeister die LGBT-Gemeinde unterstützt hat und eingetragene Partnerschaften zulassen will. Trzaskowski gilt für viele konservative und auch EU-kritische Polen als Vertreter der Bildungselite. Er spricht fünf Fremdsprachen, studierte im vornehmen Oxford und in Paris, war Abgeordneter im Europaparlament und in Warschau sogar Minister für Digitalisierung.

Liberale gegen Konservative, Städter gegen Landbevölkerung - lange hat es nach Zerrissenheit auf gleich mehreren Ebenen ausgesehen. Aber in Polen hat es immer wieder auch Wechsel der Lager gegeben, darauf setzt nun auch Trzaskowski. Er will sich eine neue Mitte erkämpfen. In Europa sei Polen derzeit ein absoluter Außenseiter, sagte er und wirft Duda vor, dass dieser den stramm konservativen Kurs der PiS-Führung um Jarosław Kaczyński derart mittrage. Am Sonntag geht es also um dessen Fortsetzung - oder eine Wende.

© SZ vom 26.06.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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