EuGH-Entscheidung:Polen muss Zwangspensionierung von Richtern aussetzen

Konstytucja (Verfassung) steht auf den Plakaten der Demonstranten, die gegen das umstrittene Gesetz in Polen protestieren. (Foto: Alik Keplicz/AP/dpa)
  • Polen muss die umstrittene Zwangspensionierung von Richtern mit sofortiger Wirkung stoppen.
  • Eine entsprechende einstweilige Anordnung erließ am Freitag der Europäische Gerichtshof in Luxemburg.
  • Die Anordnung gilt sogar rückwirkend für die bereits pensionierten Richter des polnischen Obersten Gerichts.

"Polen hat unverzüglich die Anwendung der nationalen Bestimmungen zur Senkung des Ruhestandsalters der Richter am Obersten Gerichtshof auszusetzen": So formuliert der Europäische Gerichtshof (EuGH) seine einstweilige Anordnung gegen die polnische Regierung. Ein von der Regierungspartei PiS eingeführtes Gesetz zur Zwangspensionierung oberster Richter verstößt demnach gegen EU-Recht.

Nun muss die polnische Regierung das Gesetz aussetzen, gegen das die EU-Kommission geklagt hatte. In ihm wurde das Pensionsalter für Richter am Obersten Gericht von 70 auf 65 Jahre gesenkt. Dies nutzte die politische Führung seit Anfang Juli dazu, etliche missliebige Richter in den Ruhestand zu schicken. Anträge auf eine mögliche Verlängerung der normalen Amtszeit müssen nämlich vom Staatspräsidenten bewilligt werden.

Die Anordnung sieht auch vor, dass bereits betroffenen Richtern mindestens bis zum abschließenden EuGH-Urteil eine Fortsetzung ihrer Arbeit ermöglicht werden muss. Auch Nachbesetzungen dürften nicht mehr erfolgen.

Wegen der Sorge um die Rechtsstaatlichkeit in Polen hat die Kommission gegen das Land auch ein politisches Strafverfahren nach Artikel 7 des EU-Vertrags eingeleitet. Dieses könnte im letzten Schritt sogar mit einem Entzug des Stimmrechts im EU-Ministerrat enden. Dafür müssten allerdings erst einmal 22 der 28 EU-Staaten zustimmen, dass in Polen die "eindeutige Gefahr einer schwerwiegenden Verletzung" von EU-Werten besteht. Diese Mehrheit ist nicht sicher, da Großbritannien sowie andere mittel- und osteuropäische Länder dem Strafverfahren kritisch gegenüberstehen.

© SZ.de/afp/dpa/jsa - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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