Vier Wochen nach der Wahl:Polens Oppositionsparteien vereinbaren Koalition

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Donald Tusk zeigt den unterzeichneten Koalitionsvertrag im polnischen Parlament in Warschau. Seine Partei steht mit zwei Partnern bereit, eine Koalition zu bilden. (Foto: Wojtek Radwanski/AFP)

Auch wenn der Präsident noch bremst: Das Bündnis ist bereit, die Regierung zu übernehmen, sobald es einen offiziellen Auftrag erhält. Als Erstes will es umstrittene Gesetze der Vorgängerregierung korrigieren.

Knapp vier Wochen nach der Parlamentswahl in Polen hat das siegreiche Oppositionsbündnis die Bildung einer gemeinsamen Regierung vereinbart. Bis die drei Parteien tatsächlich die Regierungsmacht übernehmen können, dürfte es aber noch Wochen dauern. Bei der Wahl am 15. Oktober hatte die liberalkonservative Bürgerkoalition (KO) unter Führung des ehemaligen EU-Ratspräsidenten Donald Tusk gemeinsam mit dem konservativen Dritten Weg und dem Linksbündnis Lewica eine deutliche Mehrheit im Sejm, dem Unterhaus des Parlaments, errungen.

Bei der öffentlichen Unterzeichnung der Koalitionsvereinbarung im Parlamentsgebäude in Warschau sagte Tusk am Freitag, dies sei "eine gute Nachricht voller Verantwortung für unser Heimatland". Das Bündnis sei bereit, sofort die Regierung zu übernehmen, sobald es einen offiziellen Auftrag zur Regierungsbildung erhalte. "Wir haben uns auf vier Jahre gute, harte und solidarische Arbeit geeinigt", sagte er vor Journalisten.

Wie die Nachrichtenagentur PAP berichtete, vereinbarten die Koalitionspartner eine Korrektur der von der EU kritisierten Justizreformen. "Wir werden die durch Handlungen unserer Vorgänger gestörte Rechtsordnung wiederherstellen", heißt es demnach im Text der Koalitionsvereinbarung. Und weiter: "Die Gerichte werden frei von politischem Druck sein, die Staatsanwaltschaft wird unabhängig und unpolitisch agieren können." Auch das zuletzt von der nationalkonservativen PiS-Regierung beeinflusste Verfassungsgericht solle wieder unabhängig und die Justiz insgesamt bürgernäher werden, versprachen die bisherigen Oppositionsparteien.

Präsident Duda zögert den Machtwechsel hinaus

Robert Biedroń, Vizechef der Linken, kündigte zudem an, eine der ersten Maßnahmen nach der Regierungsübernahme werde ein neues Gesetz sein, das Schwangerschaftsabbrüche regelt. Derzeit hat Polen ein extrem strenges Abtreibungsgesetz, das Abtreibungen nur in wenigen Ausnahmefällen wie Gefahr für das Leben der Frau erlaubt.

Wenige Tage zuvor hatte allerdings Präsident Andrzej Duda mit einer umstrittenen Entscheidung den Machtwechsel weiter hinausgezögert. Das Staatsoberhaupt erteilte am Montag dem bisherigen Ministerpräsidenten Mateusz Morawiecki von der nationalkonservativen PiS den Auftrag zur Regierungsbildung. Er habe sich nach der guten parlamentarischen Tradition gerichtet, wonach ein Vertreter der stärksten Fraktion den Regierungsbildungsauftrag bekomme, begründete das Staatsoberhaupt diesen von der siegreichen Opposition kritisierten Schritt.

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Die bisherige Regierungspartei PiS wurde bei der Wahl zwar mit 194 Sitzen stärkste Kraft im Parlament, verfehlte aber deutlich die absolute Mehrheit und hat auch keinen Koalitionspartner. Das oppositionelle Dreierbündnis errang hingegen 248 der insgesamt 460 Sitze im Sejm. Damit ist Morawieckis Versuch einer Regierungsbildung höchstwahrscheinlich zum Scheitern verurteilt. Zuvor hatte Duda bereits den Termin für die konstituierende Sitzung des neuen Parlaments auf den 13. November gelegt - fast einen Monat nach der Wahl.

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