Polen:Donald Tusk zum Regierungschef bestimmt

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Donald Tusk kann sich freuen, nachdem Premier Mateusz Morawiecki die Vertrauensabstimmung verloren hat. (Foto: Michal Dyjuk/AP)

Ein weiterer Schritt zur politischen Wende in Polen ist vollzogen. Das Parlament beauftragt Tusk mit der Regierungsbildung. Sein Kabinett will der Proeuropäer am Dienstag vorstellen.

Von Viktoria Großmann

Polen ist auf dem Weg zu einer neuen Regierung ohne die rechtsnationalistische PiS-Partei. Ministerpräsident Mateusz Morawiecki hat am Montagnachmittag die Vertrauensabstimmung im Sejm verloren. Das war erwartet worden. Seit der Wahl zu den beiden Parlamentskammern Sejm und Senat am 15. Oktober hatte die acht Jahre lang regierende PiS-Partei keine Mehrheit mehr. Am Abend wählte der Sejm Donald Tusk zum Kandidaten für das Amt des Premiers, er erhielt die Stimmen aller Abgeordneter seiner Koalition. Tusk führt ein Bündnis aus insgesamt vier Parteien an, die bereits eine Koalitionsvereinbarung unterzeichnet haben. Der 66-Jährige war schon von 2007 bis 2014 Ministerpräsident Polens, er ist Vorsitzender der liberalen Bürgerkoalition (KO).

Tusk und sein Bündnis wollen so schnell wie möglich die Justizreform der Vorgängerregierung zurückdrehen und die Gerichte entpolitisieren. Nur so kann Polen an die blockierten EU-Milliarden kommen, es geht um Mittel aus mehreren Töpfen, insgesamt etwa 100 Milliarden Euro. Zudem wollen sie die Meinungsfreiheit im öffentlich-rechtlichen Rundfunk wiederherstellen. Die neue Regierung wird insofern proeuropäischer sein, als die Koalitionäre bereits erklärt haben, die Regeln der EU zu akzeptieren. Doch auch sie werden nicht bereit sein, mehr Flüchtlinge aus Asien oder Afrika aufzunehmen. EU-Reformen, die zu einer stärkeren Integration der Staaten führen, sehen sie kritisch.

Auf den Tag genau vor sechs Jahren war Morawiecki Ministerpräsident geworden

Schon vor Beginn war die Zusammenkunft im polnischen Abgeordnetenhaus, dem Sejm, als historisch angesehen worden. Parlamentspräsident Szymon Hołownia, er gehört zu den Koalitionären um Tusk, sagte: "Das ist ein epochaler Tag, ein Tag fundamentalen Wandels." Mateusz Morawiecki hatte eine "historische" Regierungserklärung angekündigt. Für ihn persönlich war sie das: Auf den Tag genau sechs Jahre zuvor war Morawiecki Ministerpräsident geworden. Nun muss er dieses Amt abgeben.

Nachdem Morawiecki am Vormittag sein sogenanntes Exposé vorgestellt hatte, folgte eine intensive Debatte darüber. Als Erstes trat der Vorsitzende der PiS, Jarosław Kaczyński, ans Rednerpult und erklärte - wie schon oft -, die Unabhängigkeit Polens sei von Brüssel, besonders aber von Berlin bedroht. Denn die deutsche Bundesregierung hat nach Darstellung Kaczyńskis in der EU das eigentliche Sagen. Erst am späteren Nachmittag wurde dann im Sejm die Vertrauensfrage gestellt, das Lager um Donald Tusk hat nach der Wahl bei insgesamt 460 Sitzen eine Mehrheit von 248. Die PiS-Partei ist mit 194 Sitzen die stärkste Fraktion, fand aber keinen Koalitionspartner. Morawiecki erhielt 266 Gegenstimmen.

Trotz dieser offensichtlichen Mehrheitsverhältnisse vereidigte Präsident Andrzej Duda am 13. November zunächst ein Kabinett Morawiecki. Duda hatte erklärt, es sei üblich, der stärksten Fraktion den Auftrag zur Regierungsbildung zu geben. Nachdem Morawiecki gescheitert ist, durften die Abgeordneten im Sejm den nächsten Kandidaten bestimmen. Bereits an diesem Dienstag wollte Tusk im Sejm sein Kabinett und sein Regierungsvorhaben vorstellen. Am Mittwoch könnte Präsident Duda die neue Regierung vereidigen. Tusk will dann umgehend zum EU-Gipfel nach Brüssel aufbrechen.

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Duda war am Montag im Sejm als Zuhörer zugegen. Am Dienstag hat er allerdings Termine in der Schweiz, weshalb die Vereidigung frühestens am Mittwoch in Warschau stattfinden kann. Der 13. Dezember ist ein bedeutendes Datum für Polen - 1981 wurde an diesem Tag das Kriegsrecht ausgerufen und damit die demokratische Solidarność-Bewegung gewaltsam unterdrückt. Kritiker von PiS und Duda sind sich daher sicher, dass diese absichtlich diesen schwarzen Tag der polnischen Geschichte mit jenem - aus Sicht der PiS - neuen schwarzen Tag, dem Amtsantritt Tusks, verbinden möchten. Sowohl der gebürtige Danziger Tusk als auch Kaczyński und Morawiecki waren in der Solidarność aktiv.

Der Anführer der Solidarność, Friedensnobelpreisträger Lech Wałęsa, verfolgte die Sejm-Sitzung am Montag von der Zuschauertribüne aus. Das Tusk-Lager jubelte ihm zu. In Warschau beobachteten Menschen in einem der Kinosäle des Kulturpalasts live das Geschehen; nicht nur das Fernsehen übertrug live, auch Tageszeitungen richteten auf ihren Webseiten Videostreams ein.

Ebenfalls am Montag verkündete das unter den PiS-Regierungen politisierte Verfassungsgericht Polens ein neues Urteil zum EU-Recht. Dieses widerspreche der polnischen Verfassung. Es sei demnach nicht rechtmäßig gewesen, Strafen gegen Polen zu verhängen, weil das Land den Braunkohletagebau Turów ohne entsprechende Umweltprüfungen weiterbetreibt. Solche Vorschriften führten dazu, so das polnische Gericht, "dass Polen nicht mehr als souveräner Staat funktioniere".

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