Polen:Kaczyński ist wieder da

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Viele Polen wünschten Jarosław Kaczyński und seine PiS-Partei schon seit Langem auf den Mond - nach dem Wahlsieg der Opposition hat die Rückabwicklung des Rechtsrucks begonnen. (Foto: WOJTEK RADWANSKI/AFP)

Kurz vor der Parlamentswahl wird der Vorsitzende der PiS-Partei erneut stellvertretender Regierungschef. Die verspricht sich davon eine Stärkung im Wahlkampf.

Von Viktoria Großmann, Warschau

Mit dem Namen Kaczyński lässt sich im Polnischen gut spielen, auch wenn es sich nicht gehört. Man kann daraus zum Beispiel eine Abkürzung bilden, die dem polnischen Wort für Erpel entspricht. Wenn also auf einer Demonstration ein Mensch ein Schild hochhält, auf dem eine durchgestrichene Ente abgebildet ist, dann bedeutet das: Dieser Mensch ist kein Anhänger von Jarosław Kaczyński. Auf der regierungskritischen Massendemonstration in Warschau am 4. Juni etwa waren solche Schilder zu sehen.

Offiziell wird Jarosław Kaczyński, Vorsitzender der polnischen Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS), seit diesem Mittwoch wieder mit "Herr Premier" angesprochen. Kaczyński, der am Sonntag 74 Jahre alt wurde, ist nun einziger Vizepremier der Regierung und damit offiziell der zweite Mann hinter Mateusz Morawiecki. Tatsächlich gilt er, egal in welchem Amt, ohnehin nicht nur als Kopf der Partei, sondern auch der Regierung. Einer der vier bisherigen stellvertretenden Premierminister, die nun abgetreten sind, brachte es auf den Punkt: "Jarosław Kaczyński kehrt zur Regierung zurück, um die Arbeit des Ministerrats zu koordinieren", sagte Jacek Sasin im polnischen Radio. Und damit meine er "die gesamte Regierungsarbeit".

Erst vor einem Jahr war Kaczyński aus der Regierung ausgeschieden, in die er im Oktober 2020 in der laufenden Legislaturperiode eingetreten war. Kaczyński hatte in den vergangenen Monaten gesundheitliche Probleme, ließ sich am Knie operieren, war danach in der Reha. Dass er nun zurückkehrt, wenige Monate vor der Parlamentswahl im Herbst, ist auch ein Appell an die Wähler. So will es die PiS verstanden wissen. "Das ist eine bedeutende Stärkung vor der Wahl und ein klares Signal, dass wir um den Wahlsieg kämpfen", sagte Regierungssprecher Piotr Müller.

Es gehe auch um "die Sicherheit der Demokratie"

Kaczyński selbst äußerte sich am Mittwochmittag bei seiner Ernennung im Präsidentenpalast nicht, das war das Vorrecht des Präsidenten Andrzej Duda. Worum es dem PiS-Parteivorsitzenden geht, das erklärte er etwa neulich auf einer Veranstaltung der regierungsnahen Gazeta Polska. Er wolle "ein starkes, modernes, sich dynamisch und gleichmäßig entwickelndes Polen, das danach strebt, in Europa und in der Region eine Rolle zu spielen, die seinem Potenzial entspricht". Dies sei aber, so Kaczyński weiter, "nicht nach dem Geschmack Berlins" und dessen polnischen Anhängern.

Präsident Andrzej Duda versuchte in seiner Rede erst gar nicht, unabhängig oder überparteilich zu wirken. Es gehe um die Sicherheit Polens, sagte Duda immer wieder und diese sei nun garantiert durch Jarosław Kaczyński. Polen sei vielfältig bedroht, sagte Duda und schlug einen weiten Bogen vom Krieg in der Ukraine, den Flüchtlingen an der Grenze zu Belarus und dem "egoistischen" Nord-Stream-Projekt zu der möglichen Beeinflussung der Wahlen durch Russland. Es gehe auch um "die Sicherheit der Demokratie" sagte Duda, der erst kürzlich ein Gesetz unterzeichnet hatte, durch das die EU-Kommission genau diese wie auch die freien und unabhängigen Wahlen bedroht sieht.

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Was Kaczyńskis neues Vorhaben ist, hatte er bereits vor einigen Tagen bekannt gegeben. Er will in der Bevölkerung ein Referendum über die Frage der Umverteilung von Flüchtlingen abhalten. Auf diese hatten sich die EU-Innenminister im Juni geeinigt. Allerdings können die EU-Länder sich auch mit einem Geldbetrag von dieser Pflicht befreien. Polen und Ungarn hatten den Kompromiss abgelehnt. Anders als die gesinnungsmäßig verwandte italienische Regierung hatte die polnische nicht versucht, dabei etwas für sich herauszuhandeln. In Warschau verwies sie darauf, dass das Land Millionen ukrainische Kriegsflüchtlinge aufgenommen habe, was von den anderen Staaten nicht anerkannt werde. Bei den Menschen aus anderen Ländern, die versuchten, die polnische Grenze aus Belarus kommend zu überschreiten, handle es sich nicht um "echte Flüchtlinge". Laut polnischem Grenzschutz sind immer wieder Menschen aus Syrien, Jemen oder Afghanistan dabei.

Die größte Oppositionspartei, die Bürgerkoalition, twitterte kurz nach Kaczyńskis Ernennung: "In der polnischen Regierung wurde gerade der Posten des stellvertretenden Premierministers für Hass geschaffen."

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