Protest gegen Abtreibungsverbot:Polinnen rüsten sich zum Generalstreik

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Die extreme Verschärfung des Abtreibungsrechts in Polen ist laut EuGH unrechtmäßig - weil die Richter nicht gesetzmäßig bestimmt wurden. (Foto: Krzysztof Kaniewski/imago)

Die Regierung in Warschau löst mit der drastischen Verschärfung des Abtreibungsverbots einen Widerstand aus, den sie sich so offenbar nicht erwartete. Selbst auf dem Land manifestiert sich der Unmut.

Von Florian Hassel, Warschau

Wenn Polens Frauen am Mittwoch einen Generalstreik gegen das weitgehende Abtreibungsverbot beginnen, dürfte dies für die Regierung noch die angenehmste Protestform sein: Seit das von der Regierungspartei PiS kontrollierte Verfassungsgericht am 22. Oktober Abtreibungen selbst bei schwerer Schädigung des Embryos für verfassungswidrig erklärte, haben Polinnen - aber auch Polen - täglich in insgesamt mehr als 100 Städten des Landes protestiert: auf Straßen und Plätzen, vor und in Kirchen der katholischen Kirche, vor Büros der Regierungspartei PiS, dem Verfassungsgericht und dem Warschauer Haus von Jarosław Kaczyński, Chef der PiS und Polens faktischer Regierungschef. Und die Demonstrationen könnten sich noch ausdehnen, etwa bei einer für Freitag angesetzten Kundgebung in Warschau.

Sollten die PiS und Kaczyński darauf gesetzt haben, die Ausweitung des ohnehin weitgehenden Abtreibungsverbots würde angesichts der in Polen explodierenden Corona-Zahlen keine großen Proteste hervorrufen, sahen sie sich getäuscht. Der bisherige Höhepunkt der Proteste kam am Montagabend in Warschau: Tausende vor allem junge Frauen - und etliche Männer - besetzten quer durch die Hauptstadt zentrale Kreuzungen, setzten sich auf Straßen oder Straßenbahngleise. Warschau stand still. Später protestierten sie vor der PiS-Zentrale oder vor dem Hauptbahnhof. Sprechchöre und Transparente ließen an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig: "Fickt die PiS!" war einer verbreiteter Slogan.

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Von Mittwoch an hat Marta Lempart, die Leiterin des viele Proteste anführenden Allpolnischen Frauenstreiks, zum Generalstreik polnischer Frauen aufgerufen. "Ab Mittwoch gehen wir nicht zur Arbeit, in die Schule, in die Hochschule und öffnen unsere Firmen nicht", gab Lampart die Richtung vor. Die Polinnen haben bereits Erfahrung im Generalstreik: Am 3. Oktober 2016 blieben schon einmal mindestens 200 000 Frauen der Arbeit fern, als die PiS einen ersten Versuch zur Durchsetzung eines kompletten Abtreibungsverbots unternahm, doch damals zurückzog.

"Beschäftigt euch mit dem Körper Christi - Finger weg von den Frauen!"

Die katholische Kirche und ihr nahestehende PiS-Abgeordnete haben seit Jahren Lobbyarbeit für ein komplettes Abtreibungsverbot betrieben. Entsprechend groß ist die Wut vieler Frauen auf die Kirche. In Posen, Sitz von Erzbischof Stanisław Gądecki, dem Vorsitzenden der polnischen Bischofskonferenz, marschierten Frauen mit Protesttransparenten in den Gottesdienst. Im 16 000-Einwohner-Städtchen Przeworsk sprühten sie die Losung "Beschäftigt euch mit dem Körper Christi - Finger weg von den Frauen!" an die Kirchenwand. Die Regierung ist umso geschockter, als Proteste auch in Kleinstädten und Dörfern verbreitet sind, selbst in Regionen, die als Hochburgen der PiS gelten. Auch etliche Männer und Gegner anderer Entscheidungen der PiS solidarisieren sich mit den Frauen. In 10 000 Einwohner kleinen Nowy Dwór Gdański etwa beteiligten sich sogar Bauern mit Traktoren und Erntemaschinen am Protest.

Warschauer Medien zufolge berieten die Spitzen der Regierungskoalition in einer Krisensitzung über das weitere Vorgehen - über den Inhalt war zunächst nichts bekannt. Oppositionspolitiker wie der Chef der Bauernpartei PSL schlugen vor, das Urteil des Verfassungsgerichts vom 22. Oktober einfach nicht zu veröffentlichen - dann habe es auch keine Wirkung. Parlamentarier der größten Oppositionspartei im Senat, der oberen Parlamentskammer, betonten, das Urteil habe ohnehin keinerlei juristische Gültigkeit: Schließlich waren drei PiS-nahe Juristen beteiligt, die von Ende 2015 an illegal anstelle rechtmäßig gewählter Verfassungsrichter installiert wurden, jedoch keine Richter seien.

Proteste diffamiert die Regierung als Agression und Vandalismus

Die Regierung aber scheint weder zum Rückzug noch zu Kompromissen bereit: Zwar betonte Ministerpräsident Mateusz Morawiecki am Dienstag, Abtreibung sei weiterhin möglich "in allen Fällen von Schwangerschaft, in denen das Leben oder die Gesundheit der Frau bedroht ist". Die Regierung und das parteikontrollierte Staatsfernsehen TVP, wichtigstes Propagandainstrument der PiS vor allem auf dem Land, versuchen die Massenproteste derweil zu diskreditieren. "Akte der Agression, Vandalismus, Angriffe" dürften nicht stattfinden, sagte Ministerpräsident Morawiecki am Dienstag. Er dankte der "schweigenden Mehrheit", die "Akte der Barbarei verurteilt", so der Premier in Richtung der protestierenden Polinnen. Justizminister-Generalstaatsanwalt Zbigniew Ziobro sekundierte mit Ankündigungen, Polens Staatsanwälte würden verstärkt gegen die angeblich "beispiellose Eskalation verbrecherischer Handlungen" gegen Gläubige eingesetzt. Von diesem Mittwoch an soll neben der Polizei einer Verordnung Morawieckis zufolge auch die Militärpolizei auf Polens Straßen eingesetzt werden.

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