Eine Stunde Interview mit Barack Obama, davon träumen Journalisten auf der ganzen Welt. Der US-Präsident wählt genau aus, mit wem er spricht - und meist gibt er Late-Night-Moderatoren wie Jimmy Fallon oder David Letterman den Vorzug gegenüber den Korrespondenten von New York Times oder Washington Post. Seine Berater suchen stets nach Gelegenheiten, damit Obama jene Amerikaner erreichen kann, deren Meinungen noch nicht längst erstarrt sind.
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Insofern ist Marc Maron fast schon wieder eine naheliegende Wahl: Weiter entfernt vom Washingtoner Politbetrieb als er kann man kaum sein. In seiner Sendung "What the Fuck" interviewt er Satiriker wie Louis C.K. oder Regisseure wie Richard Linklater und der Titel ist Programm: Maron schert sich nicht um Konventionen und berichtet offen von der eigenen Vergangenheit als Alkoholiker und Drogensüchtiger. Zwei Episoden stellt Maron pro Woche ins Internet, die jeweils 450 000 Mal heruntergeladen werden. Einige Fans sitzen im Weißen Haus - und so wurde vorgefühlt, ob Maron nicht mit Obama plaudern wolle.
Bevor der Präsident in dessen Garagen-Heimstudio Platz nahm, hatte der Secret Service Scharfschützen auf dem Dach postiert und ein Zelt in der Einfahrt aufgebaut. Aufgeregt erzählt Maron in der Anmoderation, dass er wegen der Spürhunde seine geliebten Katzen wegsperren musste - und dass er ein normales Gespräch mit Obama führen werde. Das gelingt: Obama berichtet entspannt, wie er nur wenige Blocks entfernt am Occidental College studiert habe. "Da hätte ich mir nie vorstellen können, dass ich 30 Jahre später in einer Garage Interviews gebe - als US-Präsident", sagt er.
Amerika ist nicht geheilt vom Rassismus
Obama zu Amoklauf in Charleston:"So etwas passiert in anderen Ländern nicht"
Neun Afroamerikaner sind tot: Nach der Bluttat in einer Kirche in Charleston ist der Verdächtige gefasst. US-Präsident Obama spricht über Trauer, Wut - und Waffengewalt.
Doch natürlich geht es auch um Ernsteres. Trotz des Massakers von Charleston mit neun schwarzen Todesopfern ist Obama weiterhin überzeugt, dass der Rassismus in den USA weniger geworden sei. Geheilt sei das Land aber nicht von den Vorurteilen gegenüber Afroamerikanern, sagt Obama: "Auch wenn die Leute nun aus Höflichkeit in der Öffentlichkeit nicht mehr Nigger sagen würden." Dass der erste schwarze US-Präsident das N-Wort verwendet, sorgte bei Twitter und in den Kabel-Sendern sofort für Schlagzeilen.
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Diese Reaktion unterstreicht Obamas Kalkül, die traditionellen Medien eher links liegen zu lassen und sich in die Nischen zu begeben. Er ignoriere das aufgeregte Kleinklein der Polit-Berichterstattung, wie es etwa das von Umfragedaten besessene Online-Portal Politico betreibe, mittlerweile völlig, sagt der US-Präsident. Er arbeite täglich dafür, dass es den Amerikanern immer etwas besser gehe - und da habe er nicht nur wegen der Gesundheitsreform Obamacare viel erreicht.
Dass er immer ziemlich cool bleibe, führt Obama darauf zurück, dass er auf Hawaii geboren wurde - die Leute dort seien sowohl optimistisch als auch entspannt. Zudem fürchte er sich nicht mehr vor dem eigenen Versagen: "Ich habe Fehler gemacht, ich saß in dem Fass, das die Niagara-Fälle runtergefallen ist." Dies sei einer der Vorteile des Älterwerdens - auf dem Basketballplatz werde er mittlerweile "nur noch toleriert".
Gewalt in den USA:Terrorismus, selbst hergestellt
In Charleston hat ein Rassist Schwarze in einer Kirche erschossen. Nun streitet sich das Land darüber, ob das Terrorismus war oder "nur" ein rassistisches Verbrechen.
Obama: Waffenlobby hat Kongress fest im Griff
Ein einziges Mal sei er jedoch wirklich "angewidert" vom Politik-Betrieb gewesen und habe kurzzeitig den Optimismus verloren: Nach dem Massaker in der Sandy-Hook-Grundschule kurz vor Weihnachten 2012 mit 28 Toten habe der US-Kongress schärfere Waffengesetze abgelehnt. Er sei sehr frustriert, dass der "Griff" des Waffenverbandes National Rifle Association (NRA) auf den US-Kongress bis heute "extrem stark" sei, so der Präsident.
Was bleibt nun von Obamas Garagen-Besuch? Dieser belegt einerseits, wie wichtig Podcasts im US-Mediensystem geworden sind und dass auch Politiker wissen, wie viele Leute über die abrufbaren Sendungen erreicht werden können. Und Marc Maron dürfte nach der Episode 613 (hier nachzuhören) auf einen Schlag ziemlich viele Fans hinzugewonnen haben, die nun neugierig auf den "Podcaster in Chief" (Los Angeles Times) geworden sind. Dass er vor Aufregung - oder aus Respekt vor Obama - seinen klassischen Beginn vergessen hat, werden ihm seine treuen Anhänger verziehen: Eigentlich begrüßt er alle Hörer nämlich als "Whatthefuckers", "Whatthefuckniks" und "Whatthefuckbuddies".