Pegida-Demo:Leipzig fürchtet das Chaos

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Demonstrierende Fremdenfeinde haben es in Leipzig traditionell schwer. Linke Gruppen haben angekündigt, sich am Mittwoch dem örtlichen Pegida-Ableger Legida in den Weg zu stellen. (Foto: Getty Images)
  • Am Mittwochabend will in Leipzig der Ableger Legida auf die Straße gehen.
  • Die Islamgegner haben 60 000 Teilnehmer angemeldet - Polizeisprecher Uwe Voigt hält das für eine übertriebene Schätzung.
  • Die Polizei ist dennoch beunruhigt, weil auch die linke Szene Aktionen angekündigt hat.

Von Ulrike Nimz, Leipzig

Es war eine Einladung, auf die sie in Leipzig gern verzichtet hätten. Als Pegida-Organisator Lutz Bachmann am Montag auf der kurzfristig anberaumten Pressekonferenz in Dresden seine Anhänger aufforderte, doch am Mittwoch nach Leipzig zu reisen, war klar, dass Bürgern und Beamten der Stadt eine Kraftprobe bevorstehen würde.

Denn an diesem Mittwochabend will in Leipzig der Ableger Legida auf die Straße gehen, im Ton um einiges völkisch-nationaler: Das Positionspapier enthält Begriffe wie "Kriegsschuldkult" und "deutsche Leitkultur". Beim ersten Auftritt von Legida sahen sich die etwa 4800 Anhänger 30 000 Gegendemonstranten gegenüber.

Leipzig ist nicht Dresden: Vergangene Woche protestierten 30 000 Bürger gegen einen Aufmarsch des örtlichen Pegida-Ablegers. (Foto: Jens Schlueter/Getty)

Jetzt wagt man einen zweiten Anlauf - unter günstigeren Vorzeichen. Als in Dresden das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit einem drohenden Terroranschlag weichen musste, rückte gleichsam Leipzig ins Zentrum der islamfeindlichen Bewegung. Nun - so die Befürchtungen - ballt sich dort ein Geist von "jetzt erst recht".

Anmeldung der Wunschroute kam angeblich zu spät

Bereits in der vergangenen Woche hatte Legida die ursprünglich für Montag geplante Demonstration auf Mittwoch verlegt. Angeblich, weil die Organisatoren für die Anmeldung ihrer Wunschroute auf dem Innenstadtring zu spät kamen - die Stadt hatte sich die Strecke gesichert.

Für viele Leipziger ist der Ring so etwas wie die Aorta der Stadt. Während der Montagsdemonstrationen im Herbst 1989 liefen Tausende um das Zentrum, um ihren Forderungen nach Freiheit und Reformen Ausdruck zu verleihen. Damals wurde der Ruf "Wir sind das Volk" geboren, der dieser Tage wieder im Mund geführt wird - von "patriotischen Europäern". Daneben hat die Ummeldung der Demonstration auch eine taktische Komponente. Immerhin kann Legida nun auf tatkräftige Unterstützung aus Dresden hoffen, statt bloß eine Konkurrenzveranstaltung auszurichten. Die Islamgegner haben 60 000 Teilnehmer angemeldet.

Polizeisprecher Uwe Voigt hält das für eine sehr übertriebene Schätzung. Und doch scheint die Lage so angespannt zu sein, dass er mit Blick auf die bevorstehende Demo von "operativem Chaos" spricht. Seit zwei Tagen rufe man im gesamten Bundesgebiet um Hilfe. Wie viele Beamte während der Demonstration im Einsatz sein werden, kann Voigt nicht sagen, von etwa 4000 ist die Rede. Das wäre das größte Polizeiaufgebot seit Jahrzehnten. Das Hauptproblem, so Voigt, werde darin bestehen, Demonstranten und Gegner voneinander zu trennen: "Man sieht den Leuten nicht immer an, zu welchem Lager sie gehören."

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Demonstrierende Fremdenfeinde haben es in Leipzig traditionell schwer. Während die Dresdner Stadtobersten am 13. Februar, dem Jahrestag der Bombardierung durch die Alliierten, stets aufs Neue um eine Haltung zu geschichtsklitternden Neonazis zu ringen scheinen, hat Leipzig einen routinierteren Umgang mit Aufmärschen von rechts gefunden.

Als der Neonazi Christian Worch über Jahre hinweg immer wieder Kundgebungen am Völkerschlachtdenkmal und am Hauptbahnhof abhalten wollte, stellte sich ihm so lange ein breites Bündnis entgegen und blockierte die Marschrouten, bis er es sein ließ. Wer sich in Dresden den Neonazis entgegenstellte, musste bislang mit einem Verfahren wegen Landfriedensbruchs rechnen.

Doch auch in Leipzig sind Demonstrationen wegen "polizeilichen Notstands" verboten worden, zuletzt 2011, als Rechtsextreme durch die Stadt ziehen wollten und mit massiven Gegenprotesten zu rechnen war. Der damalige Polizeipräsident und spätere Bürgermeisterkandidat der CDU, Horst Wawrzynski, erntete viel Kritik für seine Entscheidung. Und so ist es dieses Mal keine Option, Legida und den Rest der Leipziger einfach nach Hause zu schicken. "Zwei Demonstrationen in Sachsen verbieten - in nur einer Woche. Was würde das Land denken?", fragt Polizeisprecher Voigt.

Polizei ist beunruhigt

Die Absage von Dresden nannte Bundesinnenminister Thomas de Maizière unterdessen annehmbar: "Ich bin einer der wenigen, der die volle Quellenlage kennt." Dass die Beamten in Leipzig nervös sind, kommt nicht von ungefähr. Die Stadt hat eine starke linke Szene, in der einzelne Gruppierungen ihre Forderungen schon mal mit Pflastersteinen untermauern. Vergangene Woche waren 800 Menschen durchs Zentrum gezogen, hatten Scheiben eingeworfen und Polizeiautos demoliert. Anlass seien die Pegida-Märsche und der ungeklärte Tod des Asylbewerbers Khaled B. gewesen, so linke Internetforen. Das Bündnis "NoLegida" kritisierte das scharf: Man stehe für friedlichen Protest und wolle mit Randalierern nichts zu tun haben. Auch für den Demotag werden von linker Seite dezentrale Aktionen angekündigt. Ziel: "Die Kosten der Nazis größer zu machen als den Spaß, den sie auf der Straße haben können." Gemeldet sind in Leipzig 19 Gegenkundgebungen. Am Montag waren 5000 Bürger über den Leipziger Ring gezogen, um für Weltoffenheit zu demonstrieren. Zuvor fand in der Nikolaikirche ein Friedensgebet statt. Dort gewann ein weiterer Appell der friedlichen Revolution an Aktualität: "Keine Gewalt!"

© SZ vom 21.01.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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