Parteitag der Linken:Alter Streit mit neuer Führung

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Die Linkspartei wählt an diesem Wochenende eine neue Spitze - die Gräben zwischen Ost und West, linkem Flügel und Reformern aber bleiben.

Daniel Brössler

Das Ende ist kurz. Und, wenn man Geschäftsführer Dietmar Bartsch Glauben schenken will, auch schmerzlos. Ein Stündchen dauert am Freitag die Vorstandssitzung in der Stadthalle von Rostock. Zwei Anträge zum Bundesparteitag, der an diesem Samstag beginnt, werden noch besprochen. "Business as usual", sagt Bartsch.

Ihre Ära bei den Linken ist vorbei: Oskar Lafontaine (l.) und Lothar Bisky. (Foto: Foto: AP)

Bedeutsam fürs Land

Geschäftsmäßig geht da eine unglaubliche Politikerkarriere mit Triumphen und Tiefen zu Ende, die von Oskar Lafontaine. Das ist bedeutsam fürs ganze Land. Und es endet die Ära Bartsch, der PDS und Linke zunächst als Schatzmeister, dann als Bundesgeschäftsführer prägte. Das ist zumindest bedeutsam für die Partei.

Der Rostocker Parteitag, der Lafontaine wie Bartsch emotional verabschieden dürfte, markiert also eine doppelte Zäsur. Die Partei wird künftig ohne ihr westliches Zugpferd auskommen müssen, aber auch ohne die gewohnten östlichen Organisatoren. Der Streit zwischen Lafontaine, der seinen Rückzug gesundheitlich begründet, und Bartsch, der unfreiwillig geht, stand zuletzt symbolhaft für die Konflikte in der Partei - mit dem Ausscheiden der beiden enden sie aber nicht. Dafür sind sie zu kompliziert und zu tief verwurzelt.

Wollte man die politische Topografie der Linkspartei aufzeichnen, so käme eine unübersichtliche, verwirrende Karte heraus. Gräben müssten verzeichnet werden zwischen Ost und West, aber auch zwischen "Antikapitalistischer Linker" und Reformern, zwischen Gewerkschaftern und den Lobbyisten eines Grundeinkommens. In seinem Leitantrag hat das der scheidende Vorstand vergleichsweise unverblümt aufgeschrieben: "Unsere Partei ist noch nicht so zusammengewachsen, wie sich viele das gewünscht haben", heißt es da. Die Verantwortung für die "weitere Stabilisierung und das Zusammenwachsen der Partei und ihre Verankerung in der Gesellschaft" liege nun beim neuen Vorstand. Das ist schön gesagt, kann aber nicht verdecken, dass Gesine Lötzsch und Klaus Ernst die anhaltende Spaltung geradezu verkörpern.

Nötige Doppelspitze

Nach dem geplanten Ausscheiden von Lothar Bisky und dem Rückzug von Lafontaine hätte sich die Partei gar nicht auf einen einzigen Nachfolger einigen können, obwohl eine Doppelspitze ursprünglich die Ausnahme für die Anfangszeit hätte bleiben sollen. Die Partei muss nun eigens ihre Satzung ändern, gebilligt freilich durch ein 84,5-Prozent-Votum eines Mitgliederentscheids. Nötig wird die Doppelspitze, weil die einzige wirkliche Integrationsfigur der Linken kein Parteiamt hat und kein Parteiamt will.

Das ist Gregor Gysi. Der Fraktionschef im Bundestag wird in Rostock nur das tun, was er schon oft getan hat: der Partei die Leviten lesen und mehr Teamgeist verlangen. Da werden einige aus dem Osten, eher leise, höhnisch auflachen. Unvergessen ist ihnen, wie Gysi im verzweifelten Versuch, Lafontaine zu halten, Bartsch fallen ließ. So ist es ja erst zu einem komplizierten Personalvorschlag mit mehreren Doppelbesetzungen gekommen, angeführt von Lötzsch und Ernst. Gemeinsam sind die Berlinerin und der Bayer in den vergangenen Wochen durch die Landesverbände gezogen, warben um Vertrauen und versicherten, wie jüngst auch im Parteiorgan Neues Deutschland: "Wir können auf einer gleichberechtigten Ebene agieren."

Gleichberechtigte Ebene

Nun ja: Medial ist Ernst als der Bekanntere zwar im Vorteil, innerparteilich aber verfügt Lötzsch über größeren Rückhalt. Ernst ist schon bei der letzten Wahl zum Vizevorsitzenden abgestraft worden, kam auf nicht einmal 60 Prozent. Er weiß also, dass er bei der Abstimmung über den Vorsitz schlechter abschneiden wird als Lötzsch und kann nur hoffen, dass die Kluft nicht allzu groß ausfällt. Furcht aber, dass der schmerzhaft ausgehandelte Personalkompromiss von den Parteitagsdelegierten gekippt werden könnte, herrscht kaum.

Der erfolgreiche Mitgliederentscheid wird den Parteitag zumindest in dieser Frage befrieden. So wird die Kommunistin Sahra Wagenknecht zur Vizechefin gewählt werden, von vielen aus dem Westen aus Überzeugung, von vielen aus dem Osten aus alter Verbundenheit. Heinz Bierbaum, Abgesandter Lafontaines von der Saar, dazu Katja Kipping, ostdeutsche Verfechterin von Rot-Rot-Grün, sowie Halina Wawzyniak aus der Mitte der alten PDS stehen als Vize-Vorsitzende ebenso nahezu fest.

Auf den Burgfrieden, der bei der Auswahl der neuen Führung herrscht, ist allerdings dann kein Verlass, wenn es um die Richtung geht. Eine Gruppe um den Bundestagsabgeordneten Jan Korte hat einen Änderungswunsch zum Leitantrag des Vorstands angemeldet. Aufgenommen werden soll die Forderung nach Debatten über "andere Koalitionsmehrheiten". Gemeint ist eine Option für Rot-Rot-Grün auch im Bund. Vielen Mitgliedern aus dem Westen aber ist genau das ein Graus. "Offen werden" müsse die Partei, fordert Korte, und die Debatte ohne gegenseitige Verdächtigungen führen. Für die Mehrheitsverhältnisse in der Ära nach Lafontaine und Bartsch gilt die Abstimmung als erster Test.

© SZ vom 15.05.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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