Henstedt-Ulzburg:Wiederwahl: Sayn-Wittgenstein triumphiert auf AfD-Parteitag

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Henstedt-Ulzburg (dpa/lno) - Die schleswig-holsteinische AfD hat die von Parteiausschluss bedrohte Doris von Sayn-Wittgenstein erneut zur Landesvorsitzenden gewählt. Die 64-jährige Landtagsabgeordnete, gegen die der AfD-Bundesvorstand im Dezember ein Parteiausschlussverfahren wegen Fördermitgliedschaft in einem rechtsextremen Verein eingeleitet hat, setzte sich am Samstag in einer Kampfabstimmung beim Parteitag in Henstedt-Ulzburg (Kreis Segeberg) gegen zwei Mitbewerber durch. Der Parteitag machte mit heftigen, teils polemischen Wortgefechten den Riss deutlich, der durch den Landesverband geht. Sayn-Wittgenstein sprach selber von einer Richtungswahl.

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Henstedt-Ulzburg (dpa/lno) - Die schleswig-holsteinische AfD hat die von Parteiausschluss bedrohte Doris von Sayn-Wittgenstein erneut zur Landesvorsitzenden gewählt. Die 64-jährige Landtagsabgeordnete, gegen die der AfD-Bundesvorstand im Dezember ein Parteiausschlussverfahren wegen Fördermitgliedschaft in einem rechtsextremen Verein eingeleitet hat, setzte sich am Samstag in einer Kampfabstimmung beim Parteitag in Henstedt-Ulzburg (Kreis Segeberg) gegen zwei Mitbewerber durch. Der Parteitag machte mit heftigen, teils polemischen Wortgefechten den Riss deutlich, der durch den Landesverband geht. Sayn-Wittgenstein sprach selber von einer Richtungswahl.

Sie erhielt 137 von 244 abgegebenen Stimmen und damit 56 Prozent. Ihr schärfster Konkurrent Christian Waldheim, AfD-Fraktionschef in Norderstedt und AfD-Bundesrechnungsprüfer, unterlag mit 100 Stimmen. Er gilt als Verfechter der Linie des AfD-Bundesvorstandes. In seiner Bewerbungsrede hatte er für eine bessere Zusammenarbeit geworben und für einen Neuanfang und Aufbruch der AfD im Norden.

Das einfache Parteimitglied Jürgen Orlok (67) aus dem Kreisverband Dithmarschen, der sich als Mittler und Versöhner zwischen den Flügeln zur Wahl stellte, erhielt 4 Stimmen. 2 Stimmen waren ungültig, es gab eine Enthaltung. Zum ersten stellvertretenden AfD-Landesvorsitzenden wurde Joachim Schneider aus dem Kreisverband Pinneberg gewählt.

Sayn-Wittgenstein hatte ihre Kandidatur lange offen gelassen und erst am Samstag definitiv erklärt. In ihrer Bewerbungsrede warf sie dem Bundesvorstand vor, dieser habe sie im vergangenen Dezember „zum Abschuss“ freigegeben. Dabei sei sie nicht rechtsextrem, sondern halte nur - anders als andere - an dem alten AfD-Kurs fest: „Wir holen uns unser Land zurück“, sagte sie unter großem Beifall. „Sogar in unserer Partei sind schon jene Kräfte am Werk, die am Tod unserer Nation mitwirken - dies gilt es zu erkennen.“ „Es geht um unsere Kinder und unser geliebtes Deutschland. Gott schütze uns“, schloss sie ihre Rede.

Zugleich bekannte sie sich zu einer umstrittenen Bundestagsrede des AfD-Abgeordneten Marc Jongen vom 5. April. Sayn-Wittgenstein zitierte aus der Rede für eine andere politische Gedächtniskultur in Deutschland. Jong hatte gesagt, die Jugend werde systematisch zu Schuld und Scham über ihr Deutschsein erzogen, sie lerne, sich an einen Gedanken zu gewöhnen: Deutschland habe eigentlich kein historisches Lebensrecht. „Es ist gut, wenn Deutschland verschwindet. Besser ist es, andere nehmen hier unseren Platz ein.“ Mit dieser Gedächtnispolitik solle „der Daseinswille von uns Deutschen als Volk und Nation gebrochen werden“, zitierte Sayn-Wittgenstein Jongen.

Der AfD-Bundesvorstand hält Sayn-Wittgenstein vor, 2014 den vom thüringischen Verfassungsschutz als rechtsextremistisch eingestuften Verein Gedächtnisstätte unterstützt zu haben. Deshalb wurde sie am 4. Dezember aus der Kieler AfD-Landtagsfraktion ausgeschlossen. Der AfD-Bundesvorstand initiierte ein Parteiausschlussverfahren, das zurzeit vor dem Bundesschiedsgericht anhängig ist. In erster Instanz hatte das AfD-Landesschiedsgericht im Norden die Vorwürfe des Bundesvorstands gegen Sayn-Wittgenstein verworfen.

Die Parteispitze entschied im Dezember außerdem, sie „vor dem Hintergrund mutmaßlich strafrechtlich relevanter Vorgänge“ bis zur Entscheidung von der Ausübung aller Parteiämter auszuschließen. Daraufhin trat Sayn-Wittgenstein als Landesvorsitzende zurück.

Nach ihrer Wiederwahl zur Landesvorsitzenden sagte Sayn-Wittgenstein, dass sie einem Ausschluss aus der Partei durch das Bundesschiedsgericht nicht hinnehmen werde. Sie würde dann staatliche Gerichte anrufen.

Allerdings würde, wie der AfD-Fraktionsvorsitzende Jörg Nobis betonte, im Falle eines Parteirauswurfs durch das Bundesschiedsgericht Sayn-Wittgenstein bis zur Klärung durch staatliche Gerichte ihr Amt erst einmal verlieren. Nobis wertete die Wahl Sayn-Wittgensteins als „schlechtes Signal in die Partei und nach außen“. Der Landesverband habe die Chance, einen personellen Neuanfang zu machen, vertan. Nach seiner Einschätzung wird es zwischen der Fraktion und Sayn-Wittgenstein wie schon seit längerem auch in Zukunft keine Zusammenarbeit geben.

Auf die Frage, was sie zu Vorwürfen im Fall des ermordeten Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke sage, die AfD dünge den rechtsextremen Sumpf für solche Attentate, antwortete Sayn-Wittgenstein mit einer Gegenfrage: Ob die etablierten Parteien nicht mitschuldig seien für Morde und Vergewaltigungen durch Flüchtlinge in Deutschland seit 2015? Sie sehe jedenfalls eine politische Verantwortung hierfür. Der Fall Lübcke sei ein Einzelfall und müsse so auch bewertet werden - genauso wie es andere mit Verbrechen von Flüchtlingen hielten.

Der unterlegene Waldheim meinte, die Wahl sei alles andere als förderlich für die AfD. „Ich sehe für die weitere Entwicklung der AfD erhebliche Schwierigkeiten. Lösungen für die Probleme der Menschen in der Mitte der Gesellschaft zu entwickeln, werden wir so nicht schaffen.“ Ein AfD-Parteimitglied meinte, die Nord-AfD habe sich damit selber einen „Kopfschuss“ verpasst.

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