Parteien - Hamburg:Verfassungsschutz: 40 "Flügel"-Anhänger bei Hamburger AfD

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Andy Grote (SPD), Innen- und Sportsenator in Hamburg. Foto: Christian Charisius/dpa/Archiv (Foto: dpa)

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Hamburg (dpa/lno) - In der Hamburger AfD gibt es laut Verfassungsschutz mehr Anhänger des als rechtsextremistisch eingestuften und inzwischen offiziell aufgelösten "Flügels" als angenommen. Mittlerweile würden in der Hansestadt 40 Personen der unter anderem vom Thüringer Rechtsaußen Björn Höcke gegründeten Gruppe zugerechnet, heißt es in einem am Freitag verbreiteten Internetbeitrag des Landesamtes. Das seien vier Mal mehr als noch im Sommer angenommen. Die AfD wies die Angaben als "haltlos" zurück.

"Wir gehen davon aus, dass sich der rechtsextremistische "Flügel" nur zum Schein aufgelöst hat", sagte Landesamtsleiter Torsten Voß der Deutschen Presse-Agentur. Es werde lediglich auf die Bezeichnung verzichtet. In der AfD-Bürgerschaftsfraktion sollen demnach auch zwei Anhänger der rechtsextremistischen Identitären Bewegung (IB) beschäftigt sein. Ein weiterer Mitarbeiter weist laut Verfassungsschutz frühere Bezüge zur NPD auf. Auch insgesamt habe sich "das Personenpotenzial der Rechtsextremisten in Hamburg" seit vergangenem Jahr von 330 auf 380 erhöht.

"Sowohl die Präsenz von Rechtsextremisten in der Hamburger AfD als auch deren Vernetzungen innerhalb des rechtsradikalen Spektrums sind demnach stärker als bislang bekannt", sagte Innensenator Andy Grote (SPD) der dpa. Zudem sei die Beschäftigung von Rechtsextremisten in der Fraktion im Hamburger Rathaus "für eine Partei, die sich fest auf dem Boden des Grundgesetzes verortet, ein ungewöhnlicher Vorgang, der Fragen aufwirft". Der Verfassungsschutz werde die Entwicklung "der extremistischen Einflussnahme innerhalb der AfD weiter aufmerksam verfolgen", kündigte der Senator an.

"Sollten Rechtsextremisten in der AfD steuernden Einfluss bekommen, dann führt das nach Recht und Gesetz in unserer wehrhaften Demokratie dazu, dass die Partei mit nachrichtendienstlichen Mitteln beobachtet wird, wie es bei der AfD-Teilstruktur "Flügel" bereits der Fall ist", sagte Landesamtsleiter Voß.

Enge Verbindungen gebe es "zwischen den Führungsfiguren des hiesigen "Querdenken"-Ablegers und Rechtsextremisten aus dem näheren Umfeld des Organisatorenkreises der "Michel wach endlich auf"-Protestreihe, berichtete er. So hätten beispielsweise Angehörige des AfD-Bezirks Mitte noch für eine Corona-Skeptiker-Demo Ende August in Berlin geworben, als diese bereits verboten war.

"Der Inlandsgeheimdienst schmeißt mit haltlosen und an den Haaren herbeigezogenen Vorwürfen um sich", erklärte der Vorsitzende der AfD-Bürgerschaftsfraktion Alexander Wolf. Damit mausere er "sich immer mehr zum Regierungsschutz, der versucht, die regierungskritische Opposition einzuschüchtern und mundtot zu machen."

Offenbar im Vorgriff auf eine neue Einschätzung des Verfassungsschutzes hatte sich die AfD in der vergangenen Woche in einer "Hamburger Erklärung" uneingeschränkt zu den Werten des Grundgesetzes bekannt. Mit dem gemeinsamen Papier des Hamburger Landes- und Fraktionsvorstands solle klargestellt werden, "dass wir keineswegs verfassungsfeindliche Positionen vertreten", sagte Fraktionschef Alexander Wolf.

Die anderen Parteien zeigten sich von den neuen Erkenntnissen wenig überrascht. "Der Verfassungsschutz blickt mit seinem neuen Bericht hinter eine schlecht verputzte Fassade", sagte der Innenexperte der SPD-Fraktion, Sören Schumacher. Dem aufmerksamen Beobachter sei es nicht entgangen, "dass die AfD seit der Bürgerschaftswahl noch einmal deutlich nach rechts gerückt ist und jede Gelegenheit wahrnimmt, um Parlamentsabläufe zu behindern und die Demokratie verächtlich zu machen".

Mit rechtsextremen Fraktionsmitarbeitern lasse die AfD "Extremisten in die Herzkammer der Demokratie", sagte der verfassungspolitische Sprecher der Grünen, Till Steffen. "Das ist ein untragbarer Zustand und wir fordern die Fraktion auf, sich umgehend von besagten Mitarbeitern zu trennen."

Angesichts der Verfassungsschutzerkenntnisse sei es umso wichtiger, "dass sich alle Demokraten diesen gefährlichen Umtrieben entschieden entgegenstellen", sagte der CDU-Innenexperte Dennis Gladiator. "Rassismus, Hass, Hetze, Antisemitismus und Demokratiefeindlichkeit haben bei uns keinen Platz."

Dass sich die AfD "längst ideologisch und politisch zu einer Partei der extremen Rechten entwickelt", sei nicht neu, sagte der innenpolitische Sprecher der Linksfraktion, Deniz Celik. Die Auseinandersetzung mit der Partei dürfe aber nicht dem Verfassungsschutz überlassen bleiben. "Sie ist eine Verpflichtung für alle Demokratinnen: Wir brauchen breite gesellschaftliche Bündnisse."

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