Parteien - Freiburg im Breisgau:"Rotgesagte leben länger": SPD will Koalition treiben

Baden-Württemberg
Delegierte heben beim Landesparteitag in Freiburg bei einer Abstimmung ihre Karten. Foto: Philipp von Ditfurth/dpa (Foto: dpa)

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Freiburg (dpa/lsw) - Die Südwest-SPD will künftig mit Rückenwind aus Berlin die grün-schwarze Landesregierung vor sich hertreiben. Der grüne Ministerpräsident Winfried Kretschmann werde schon noch merken, dass er nach der Landtagswahl mit der Neuauflage des grün-schwarzen Bündnisses auf den "falschen Dampfer" gesetzt habe, sagte Landeschef Andreas Stoch am Samstag in Freiburg vor 500 Mitgliedern. Die Ampel aus Grünen, SPD und FDP in Baden-Württemberg sei nur an "persönlichen Gefühligkeiten von Herrn Kretschmann und seiner Angst vor einem echten Aufbruch" gescheitert. Nach dem Erfolg bei der Bundestagswahl sei wieder verstärkt mit der SPD auch im Land zu rechnen: "Wir sind wieder da."

Stoch nennt CDU "Weltmeister im Bremsen"

Die geplante Ampelkoalition im Bund unter Führung von Olaf Scholz werde "als Fortschrittsbündnis" die Modernisierung des Landes voranbringen. Auch wenn Kretschmanns Herz für die CDU schlage, sei es nun mal so, dass die Grünen künftig in einer Ampel im Bund mitregieren würden. "Es wird der Regierung Kretschmann immer schwerer fallen, die Impulse stur zu ignorieren." Die Union sei ein "politisches Auslaufmodell" und "Weltmeister im Bremsen".

In Baden-Württemberg gehe mit Grün-Schwarz nichts voran, eine Ampel wäre die bessere Alternative gewesen. "Von Neustart fehlt jede Spur", beklagte Stoch. Er werde den Verdacht nicht los, dass die CDU den Koalitionsvertrag unterschrieben habe, weil sie wisse: "Die Grünen sind spitze im Formulieren von Zielen, aber extrem schwach im Erreichen der Ziele." Grün-Schwarz sei sicher keine "Blaupause" für den Bund, wie Kretschmann es formuliert habe. "Baden-Württemberg ist keine Blaupause für den Bund, sondern steht quer im Stall." Es gehe weder bei Bildung noch bei der Energiewende voran. In beiden Bereichen werde der Druck aus Berlin stärker werden.

SPD sieht sich wieder fast auf Augenhöhe mit Kretschmanns Grünen

Stoch räumte ein, dass die SPD mit den elf Prozent bei der Landtagswahl im März nicht zufrieden sein könne. Es zeige sich aber: "Wenn wir Rückenwind aus Berlin haben, dann fällt es uns auch im Land leichter." Seit der Bundestagswahl habe die Landes-SPD "nicht nur ein laues Lüftchen im Rücken". In Umfragen lägen die Sozialdemokraten im Land vor der CDU oder gleichauf und fast auf Augenhöhe mit den Grünen. "Wir haben eine Chance in Baden-Württemberg." Allerdings werde man bis zur Landtagswahl 2026 hart arbeiten müssen. Stefan Fulst-Blei, Landtagsabgeordneter aus Mannheim, sagte: "Rotgesagte leben länger." Die SPD habe die Chance auf "einen Ruck", aber nur wenn man sich nicht mehr öffentlich streite.

Esken warnt: "Alte Fehler" vermeiden

Auch Stoch und die SPD-Chefin Saskia Esken betonten, der Erfolg bei der Bundestagswahl sei auch ein Ergebnis der Geschlossenheit der Partei gewesen. Esken forderte, die Partei müsse "alte Fehler" vermeiden. Bei der CDU könne man zusehen, "wie man sich selbst verliert". Sie rief dazu auf, sich von Kritik am Sondierungspapier von SPD, Grünen und FDP im Bund nicht irritieren zu lassen. "Jeder, der sagt, das sei ein gelbes Sondierungspapier, der soll mal nachschauen, was da ganz klar fest vereinbart ist." Die Ampel werde an Nikolaus stehen.

Bei der Wahl fuhr die Südwest-SPD auch dank des beliebten Kanzlerkandidaten Olaf Scholz ein deutlich besseres Ergebnis ein als bei der Landtagswahl. Sie landete mit 21,6 Prozent hinter der geschwächten CDU (24,8 Prozent) auf Rang zwei. Die Grünen kamen auf 17,2 Prozent.

Jusos monieren: SPD bei jungen Leuten unbeliebt

Viele Redner begannen ihre Beiträge in der allgemeinen Aussprache mit den Worten: "Wer hätte das vor einem halben Jahr gedacht?" Damals lag die SPD in Umfragen unter 15 Prozent. Doch jetzt habe die Partei die "große Chance" zu gestalten. Wasser in den Wein gossen eine Reihe von Rednern der SPD-Jugend. Die Juso-Landeschefin Lara Herter monierte, bei der Bundestagswahl hätten nur elf Prozent der Erstwählerinnen und -wähler SPD gewählt. "Das gefällt uns mal so gar nicht." Die Partei müsse für Menschen unter 30 Jahre deutlich attraktiver werden. So müssten wieder mehr Studierende von Bafög profitieren. Der Berufseinstieg müsse erleichtert werden. Auch beim Klimaschutz müsse die SPD konsequenter vorgehen.

Die Südwest-SPD sprach sich deutlich für gesellschaftliche Vielfalt aus. Nach einer emotionalen Aussprache beschloss der Parteitag einstimmig einen Antrag zur Unterstützung queerer Menschen, die in der Corona-Pandemie quasi übersehen worden seien. "Queere Menschen waren häufig schlicht nicht mitgedacht und auch nicht mitgemeint. Das muss sich ändern." Es müsse auch verstärkt gegen Diskriminierung und Gewalt vorgegangen werden, die sich gegen Menschen richtet, die eine andere sexuelle Orientierung haben als Heterosexuelle.

© dpa-infocom, dpa:211022-99-699730/6

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