Parteien:Analyse: Der Mindestpreis für eine große Koalition

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Berlin (dpa) - Wen sucht sich die Kanzlerin als Partner aus? Die Waage scheint sich Richtung SPD zu neigen. Die SPD hat aber eine rote Linie gezogen: Ein gesetzlicher Mindestlohn von 8,50 Euro. Schwarz-Grün ist nicht vom Tisch, heißt es in der Union.

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Berlin (dpa) - Wen sucht sich die Kanzlerin als Partner aus? Die Waage scheint sich Richtung SPD zu neigen. Die SPD hat aber eine rote Linie gezogen: Ein gesetzlicher Mindestlohn von 8,50 Euro. Schwarz-Grün ist nicht vom Tisch, heißt es in der Union.

Sigmar Gabriel will dieses Mal nicht wie ein Bittsteller wirken, der viel zu früh vor verschlossener Tür steht und um Einlass zum Gespräch mit der Kanzlerin verlangen muss. Daher nimmt die SPD-Delegation am Montag um Punkt 16 Uhr den direkten Hintereingang in die Parlamentarische Gesellschaft. Kanzlerin Angela Merkel erscheint zwei Minuten früher gut gelaunt mit den 13 anderen Unterhändlern der Union.

Hundert Meter entfernt hat sich zu dieser zweiten Sondierung für eine große Koalition auch Ex-SPD-Vorstandsmitglied Ursula Engelen-Kefer zu Demonstranten gesellt. Sie erinnern die SPD an ihren Wahlkampf mit der Forderung nach höheren Steuern für Reiche und mehr Geld für langjährige Einzahler in die Rentenkasse so: „Umverteilen - Reichtum besteuern!“ Und die 70-jährige Engelen-Kefer ruft: „Gabriel darf sich nicht an die Kette legen lassen. Wir dürfen die Rentner nicht verkaufen für fünf oder sechs Minister-Posten.“ Dazu bellt im Takt ihr schwarzer Neufundländer-Labrador-Mischling Othello.

Noch bevor die Spitzen von Union und SPD in der Parlamentarischen Gesellschaft zur zweiten Runde Platz genommen haben, ist schon von einem dritten Treffen die Rede. Vor allem um die kritische Basis der SPD auf eine große Koalition vorzubereiten, müssen die Inhalte stimmen. Wenn SPD-Chef Gabriel am Sonntag dem Parteikonvent die Aufnahme von Verhandlungen über Schwarz-Rot vorschlagen will, braucht er mehr als bloße Absichtserklärungen der Union. Zum Leuchtturmprojekt für die SPD kristallisiert sich der flächendeckende gesetzliche Mindestlohn von 8,50 Euro heraus - Peer Steinbrück hatte dies zum SPD-Schlüsselthema im Wahlkampf gemacht.

Denn aus 40 000 Ideen von Bürgern für das SPD-Wahlprogramm war bei einem Bürgerkonvent der Mindestlohn zum wichtigsten Ziel gewählt worden. Generalsekretärin Andrea Nahles nennt nun die Einführung als rote Linie für eine Koalition. Die Latte liegt jetzt hoch. Im Wahlprogramm stand klar, es solle keine Abstufungen zwischen Ost und West geben: „Der Mindestlohn von 8,50 Euro muss in jedem Fall gewährleistet sein.“ 20 Prozent aller Ostdeutschen arbeiteten für Löhne von unter 8,50 Euro pro Stunde. Die Bruttolöhne lägen je nach Branche 15 bis 45 Prozent unter Westniveau. „Auch deshalb brauchen wir einen in Ost und West einheitlichen Mindestlohn“, sagt die SPD.

Nach einer erstmaligen gesetzlichen Festlegung könnte aus SPD-Sicht eine aus Arbeitgebern, Arbeitnehmern und Wissenschaftlern bestehende Mindestlohnkommission über weitere Erhöhungen befinden. Viel Spielraum für Kompromisse gibt es nicht - doch vielleicht steht am Ende das von Thüringen bereits dem Bundesrat vorgeschlagene Modell, bei dem schon die Starthöhe von einer Kommission festgelegt wird.

Die Union wehrt sich aber gegen die Vorstellung, dass sich der Staat in die Belange von Arbeitgebern und Arbeitnehmern einmischt. Die SPD sieht dazu keine Alternative, weil es Gewerkschaften und Arbeitgeber in weiten Teilen der Republik nicht geschafft haben, einen Lohn zu vereinbaren, von dem die Arbeitnehmer leben können.

Es dürfte kein Zufall sein, dass Merkel just vor dem Gespräch mit der SPD darauf verweist, welch hohen Stellenwert sie der Tarifautonomie beimisst. Doch hatte sie vor der Wahl zum Thema Mindestlöhne auch gesagt: „Wir müssen sehen, dass es überhaupt gar keine weißen Flecken mehr in dem Bereich gibt.“ Das heißt: flächendeckend. Bleibt die Frage, wie man sich bei Höhe und Durchsetzung einigen könnte. Nach Ansicht vieler in der Union sind 8,50 Euro in Teilen Ostdeutschlands zu hoch.

Schwarz-Grün ist noch nicht vom Tisch, heißt es bei der CDU. Dort wurden zwar die skeptischen Stimmen etwa von Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter notiert. Doch bei der Suche nach einer Koalition müsse nicht immer alles auf die Goldwaage gelegt werden, heißt es. Werde es mit der SPD schwierig, bekämen die Grünen in den Gesprächen am Dienstag ganz schnell mehr Gewicht. Das hält den Druck auf die SPD aufrecht, und das gefällt CDU und CSU auch ganz gut. CSU-Chef Horst Seehofer stimmte schon einmal vorsichtig auf eine dritte Sondierungsrunde ein: sowohl mit SPD als auch Grünen.

Eigentlich sind es ja nur Sondierungen, aber irgendwie auch schon fast Verhandlungen. Wenn die SPD-Kommission dem Konvent am Sonntag mit 200 Delegierten nicht etwas Greifbares anbieten kann, droht ein Nein. Verweigern sich auch die Grünen, blieben dann wohl nur Neuwahlen. So ist es ein schmaler Grat für alle - vielleicht geht es am Ende aber doch ganz schnell. Nahles sagt zwar, es sei ihr „wurscht“, dass Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) ein Verhandlungs-Zeitfenster bis Mitte November ausgegeben hat. Aber sie betont: „Da muss man jetzt mal Butter bei die Fische geben.“

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