Eine Panne jagt die nächste: Die Liste der Ermittlungsfehler zum rechten Terror-Trio Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) wird beinahe täglich länger. Nun kam heraus: Ein mutmaßlicher NSU-Helfer soll mehr als zehn Jahre lang für das Berliner Landeskriminalamt (LKA) als V-Mann gearbeitet haben. Der NSU-Untersuchungsausschuss des Bundestages wirft der Berliner Landesverwaltung vor, wichtige Unterlagen nicht herausgegeben zu haben.
Angesichts der Enthüllungen fordern die Grünen die Herausgabe sämtlicher Akten darüber von Berlin. Noch lägen jedoch keine Dokumente vor, sagte der Obmann der Grünen im Bundestags-Untersuchungsausschuss, Wolfgang Wieland, im RBB-Inforadio. "Wir wissen buchstäblich nichts. Was hat das Berliner Landeskriminalamt gemacht? Das wird Aufgabe des Berliner Innensenators Frank Henkel sein, dies nachvollziehbar schriftlich und möglicherweise auch mündlich im Untersuchungsausschuss zu erklären", echauffierte sich Wieland weiter.
Henkel (CDU) reagierte prompt und versprach, sein Möglichstes zu tun, um die Terrorserie aufzuklären. "Mir ist bewusst, dass solche Vorgänge kein günstiges Licht auf unsere Sicherheitsbehörden werfen", sagte Berlins Innensenator. "Wir werden dabei unsere eigene Sensibilität hinterfragen, aber vor allem darstellen müssen, ob und wie Hinweisen aus dem Jahr 2002 nachgegangen worden ist."
Binninger vermisst angemessene Sensibilität
Enttäuscht über den letzten Ermittlungsfehler äußerte sich der Obmann der Unionsfraktion im NSU-Untersuchungsausschuss, Clemens Binninger: "Es ist ärgerlich für uns, dass es immer wieder vorkommt, dass Behörden unsensibel wirken. Jeder Chef müsste jetzt wissen, dass er die Pflicht hat, vorhandene Informationen zu liefern", sagte Binninger dem Radiosender NDR Info. Die Ermittlungsbehörden hätten "bereits einige Monate Zeit dafür" gehabt.
Das Gremium zur Aufklärung der Ermittlungspannen im NSU-Fall erfuhr erst am Donnerstag von den Vorgängen beim Berliner LKA. Binninger sagte, mit den Informationen aus den Berliner Dokumenten hätte der Aufenthaltsort der Terrorgruppe womöglich schon 2002 festgestellt werden können.
Auch Staatsministerin Maria Böhmer (CDU), Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, beklagte die immer neuen Informationspannen. "Die Angehörigen der Opfer und die Betroffenen erwarten zu Recht vollständige Aufklärung, Offenheit und Transparenz", sagte Böhmer der Passauer Neuen Presse. Die Arbeit des Ausschusses sei hier besonders wichtig. "Die Sicherheitsbehörden müssen das Vertrauen in den Rechtsstaat wiederherstellen und Glaubwürdigkeit zurückgewinnen", forderte Böhmer. "Die Neonazi-Mordserie muss bis ins kleinste Detail aufgeklärt werden."
Herrmann verteidigt Geheimdienste
Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) warf den Ausschussmitgliedern dagegen vor, in ihrer Kritik an den Geheimdiensten zu weit zu gehen. "Es ist absurd, dass Bundespolitiker und Mitglieder des NSU-Untersuchungsausschusses alle Nachrichtendienste pauschal zur Disposition stellen", sagte Herrmann der Zeitung Die Welt. Die Kritiker beschädigten das Ansehen der Sicherheitsbehörden. "Diese selbstzerstörerische Diskussion muss aufhören", forderte er.
Herrmann sagte weiter, er verstehe den Ärger der Ausschussmitglieder darüber, dass das Verteidigungsministerium die Unterlagen nicht an sie weitergeleitet habe. "Das ist aber die Sache der Politik, nicht der Sicherheitsbehörden", sagte er. Die Forderung nach Abschaffung des MAD wies Herrmann zurück. "Falls es einzelne Fehler beim MAD oder Verteidigungsministerium gegeben hat, müssen sie aufgeklärt werden", sagte er. "Es gibt aber keinen Grund dafür, unsere Sicherheitsbehörden kaputtzuhauen."