Pakistan:"Wir haben die Verlierer zu Gewinnern gemacht"

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Der ehemalige und der zukünftige Premierminister Pakistans: Shehbaz Sharif. (Foto: Arif Ali/AFP)

In Islamabad verkünden Shehbaz Sharif und Bilawal Bhutto Zardari, dass sie eine Koalition bilden werden. Wird Pakistan damit zehn Tage nach der umstrittenen Wahl zur Ruhe kommen?

Von David Pfeifer, Bangkok

In Pakistan haben sich die Verlierer zu Siegern erklärt: Nach zehn Tagen zäher Verhandlungen bilden die beiden größten Parteien, die Pakistanische Volkspartei (PPP) und die Pakistanische Muslim-Liga (PML-N) eine Koalition. Wobei die Gruppierung, die eigentlich gewonnen hat, nicht gefragt wurde. Die meisten Sitze bei der Wahl am 8. Februar haben die sogenannten unabhängigen Kandidaten errungen. Sie durften nicht mehr geschlossen antreten, nachdem ihr Parteiführer Imran Khan im Gefängnis sitzt und mit Anklagen überzogen wird. Diese sollen wohl vor allem dafür sorgen, dass er nicht wieder nach der Macht im Land greifen kann. Zu insgesamt 31 Jahren Haft ist der 71-Jährige bereits verurteilt worden.

In Islamabad hatten junge Khan-Anhänger noch gefeiert, als die Wahllokale schlossen. Auch in anderen Städten Pakistans gaben sich die Anhänger seiner Partei Pakistan Tehreek-e-Insaf (Pakistanische Bewegung für Gerechtigkeit, PTI) siegesgewiss. Tatsächlich hatte die PTI nach einem seltsamen Wahltag, an dem alle Mobilfunknetze im Land abgestellt worden waren, und einer Auszählung, die sich tagelang hinzog, 93 Sitze gewonnen - wenn man alle unabhängigen Kandidaten zusammenzählt.

Die PPP hingegen kommt nur auf 54 Sitze, die PML-N auf 75. Das kann man, nachdem die PTI quasi am Wahlgang gehindert worden war, nur als Niederlage werten. Es ist kein guter Start für eine starke Koalition, auch wenn sie nun zusammen mit vier weiteren kleineren Parteien über eine komfortable Mehrheit von 264 Sitzen verfügt.

Es kursieren Clips, die Betrugsversuche in den Wahllokalen dokumentieren sollen

In den zehn Tagen, die beide Parteien brauchten, sich auf diese Koalition zu einigen und um Posten zu vergeben, kam es überall im Land zu Protesten von PTI-Anhängern gegen die massiven Wahlmanipulationen. Auf dem Nachrichtendienst X werden Journalisten, die für die Abstimmung im Land waren, ebenfalls seit Tagen mit Clips versorgt, die heimlich in Wahllokalen aufgenommen wurden, und die Einschüchterungs- und Betrugsversuche dokumentieren. Unabhängig überprüfen lassen sie sich nicht.

Doch am vergangenen Samstag beschuldigte sich Liaqat Ali Chattha, Kommissar der Garnisonsstadt Rawalpindi, selbst, an Wahlbetrug beteiligt gewesen zu sein. "Wir haben die Verlierer zu Gewinnern gemacht, indem wir 70 000 Stimmen in 13 Sitzen der Nationalversammlung umgedreht haben", sagte Liaqat Ali Chattha vor Reportern und bezog damit auch den Leiter der Wahlkommission und den obersten Richter des Landes mit ein. "Ich sollte für das Unrecht, das ich begangen habe, bestraft werden, und andere, die an diesem Unrecht beteiligt waren, sollten ebenfalls bestraft werden", so zitierte ihn das pakistanische Nachrichtenmagazin The Dawn. Die Wahlkommission wies seine Anschuldigungen zurück.

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In Rawalpindi liegt auch das Hauptquartier des pakistanischen Militärs, ohne das in Pakistan niemand regieren kann. Die Generäle unterstützten die PML-N und standen hinter der Absetzung von Imran Khan, der ebenfalls in Rawalpindi inhaftiert ist. Dass der Sieger im Gefängnis sitzt und im Wahlkampf nur als KI-Avatar auftreten durfte, sowie die massiven Betrugsvorwürfe, lassen die Niederlage des Militärs und des von ihnen eigens installierten Kandidaten umso gravierender wirken.

Nächster Premierminister wird nun trotzdem ein alter Bekannter. Shehbaz Sharif, der bis vergangenen Sommer bereits Premierminister gewesen ist und auch die Absetzung Imran Khans im April 2022 betrieben hatte. Neuer Präsident wird ebenfalls ein ehemaliger Präsident: Asif Ali Zardari, Vater von Bilawal Bhutto Zardari, des Vorsitzenden der PPP. Das bestätigte Bhutto Zardari auf einer Pressekonferenz am späten Dienstagabend in Islamabad. Shehbaz Sharif saß neben ihm. Wie Gewinner wirkten sie beide nicht. Die Zardaris und Bhuttos teilen die Macht im Land seit Jahren auf, wenn nicht das Militär putscht. Für die vielen Jungen, die Khans Kandidaten gewählt haben, wird es keine befriedigende Lösung sein - im Gegenteil.

Pakistan, das mit einer massiven Wirtschaftskrise kämpft und auf Kredite des Internationalen Währungsfonds (IWF) angewiesen ist, wird in den kommenden Tagen vermutlich größere Demonstrationen erleben. Dabei muss nicht nur rasch ein neues Paket mit dem IWF verhandelt, sondern auch ein Friedensschluss mit diversen Terrorgruppen erreicht werden, die das Land seit dem Machtwechsel in Afghanistan mit Anschlägen traktieren. Die neue Regierung wird schon in zwei Wochen mit dem IWF verhandeln und anschließend vermutlich harte Spaßmaßnahmen durchdrücken. Das Militär muss mit den Terrorgruppen sprechen, ohne das Gesicht zu verlieren. Beide haben nach der Wahl nur ein schwaches Mandat für diese wichtigen Gespräche.

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