Für jemanden, der im Gefängnis sitzt, ist Imran Khan erstaunlich präsent in Pakistan. Während er im Wahlkampf noch als künstliche Intelligenz durch die sozialen Netzwerke geisterte, trugen viele seiner Anhänger am Montag nach der Wahl Masken mit seinem Konterfei. Immerhin ist Khan, der gar nicht kandidieren durfte, das Kunststück gelungen, die Wahl tatsächlich zu gewinnen. Mindestens 93 Sitze holten die unabhängigen Kandidaten seiner Partei Pakistan Tehreek-e-Insaf (PTI), nachdem sie von der Wahlkommission aus technischen Gründen daran gehindert wurden, mit dem Symbol der Partei anzutreten.
Ihr schlechtes Ergebnis hinderte die Anführer der abgeschlagenen Parteien nicht, sich zu einer ersten Sitzung für eine Regierungsbildung zu treffen. Shehbaz Sharif, ehemaliger Premierminister und heutiger Chef der PML-N, die als zweitplatzierte Partei 75 Sitze bekam, traf sich mit Bilawal Bhutto-Zardari, Chef der mit 54 Sitzen drittplatzierten PPP, um auszuhandeln, wie man gemeinsam regieren könnte.
Die Parteien der Sharifs und Bhuttos wollen gemeinsam regieren - aber dazu reicht es nicht
Nawaz Sharif, Spitzenkandidat und Bruder des Parteivorsitzenden Shehbaz Sharif, soll nach diesen Plänen weiterhin Premierminister werden, wie die pakistanische Zeitung The Dawn aus Insider-Kreisen berichtet, Bhutto-Zardari, Sohn der ehemaligen Staatschefin Benazir Bhutto, könnte das Präsidentenamt bekommen.
Damit wären beide Familien, die sich die Macht im Land immer wieder gegenseitig abgejagt haben, in der kommenden Regierung. Aber nur, wenn sie weitere Parteien oder unabhängige Kandidaten der blockierten PTI dazugewinnen. Der Kandidat für das Amt des Premierministers muss eine einfache Mehrheit von 169 Sitzen in der Nationalversammlung vorweisen. Doch mittlerweile regen sich überall im Land Proteste, mit und ohne Khan-Masken.
Die Regierung hatte am Wahltag, dem vergangenen Donnerstag, alle Mobil-Services im Land blockiert, angeblich um eine sichere Abstimmung zu gewährleisten. Dann dauerte die Auszählung ungewöhnlich lang, erst nach 60 Stunden wurden konkrete Ergebnisse verkündet. Dahinter konnte man den Versuch vermuten, Proteste zu verhindern. Die PTI hatte am Sonntag mit landesweiten Demonstrationen gedroht, falls die Wahlergebnisse nicht über Nacht veröffentlicht würden.
"Lasst euch nicht provozieren", warnt ein Sprecher von Khans PTI
Am Montag, nachdem klar war, dass die unabhängigen PTI-Kandidaten die Mehrheit gewonnen hatten, blockierten PTI-Unterstützer die Autobahn von Peschawar nach Islamabad. Der britische Guardian berichtete, dass die Polizei in Rahim Yar Khan, im Punjab, die Häuser von mehreren PTI-Kandidaten gestürmt habe, um sie zu zwingen, zur PML-N überzulaufen. Es wurden auch Wahlurnen aus Wahllokalen ausgezählt, die zuvor vom Militär aus Sicherheitsgründen geschlossen worden waren. Ein PTI-Sprecher bat die Demonstranten, friedlich zu bleiben, "lasst euch nicht provozieren, es gibt eine Verschwörung, euch gegen die Sicherheitskräfte aufzuhetzen".
Das Militär, das immer wieder putscht in Pakistan, wenn nicht die Bhuttos oder die Sharifs an der Macht sind, könnte Gelegenheiten suchen, hart gegen die PTI-Kandidaten vorzugehen. Imran Khans Fall als Premierminister war eingeleitet worden, nachdem er sich mit den Generälen überworfen hatte. Dass sowohl Imran Khan wie auch Nawaz Sharif sich am Sonntag zum Sieger erklärten, wird die Unruhe im Land allerdings noch vergrößern.
Dabei ist Pakistan auch so schon am Rande des wirtschaftlichen Kollapses. In zwei Wochen muss ein neues Programm mit dem Internationalen Währungsfonds ausgehandelt werden, damit das Land zahlungsfähig bleibt.
Es gibt Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Wahl, auch seitens der USA, UN und EU
Politische Beobachter vermuten, dass die Wahlen trotz schlechter Vorzeichen auch deswegen durchgezogen wurden, weil man eine demokratisch legitimierte Regierung für die Verhandlungen benötigt. Der letzte frei gewählte Premierminister, Imran Khan, war im April 2022 durch ein Misstrauensvotum abgesetzt worden. Seit August vergangenen Jahres ist eine Übergangsregierung im Amt.
Diese Übergangsregierung erklärte am Sonntag, die Verzögerung bei der Auszählung der Stimmen sei durch Kommunikationsprobleme aufgrund eines Ausfalls des mobilen Internets am Wahltag verursacht worden. Aber da hatten diverse Menschenrechtsgruppen schon Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Wahl angemeldet. Zweifel kamen auch aus den USA, von den Vereinten Nationen und der EU.
Egal, ob die Generäle den Sieg der "unabhängigen" Kandidaten der PTI akzeptieren oder die Sharifs andere kleine Parteien zu sich ziehen können, es wird eine schwache Regierung werden in einem Land, das Stabilität benötigt.