Pakistan:Im Kampf gegen Tarzan und Robin Hood

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Überall nur Feinde: Nach gut einem Jahr an der Macht sieht sich Pakistans Premierminister Nawaz Sharif massiven Protesten ausgesetzt. Die Bevölkerung ist frustriert, weil wenig vorangeht. Zwei sehr eigenwillige Oppositionspolitiker wollen ihn aus dem Amt vertreiben.

Von Arne Perras, Singapur

Die Begeisterung über den Wahlsieg von Nawaz Sharif in Pakistan hat nicht lange gehalten. 15 Monate nach seinem Triumph im Mai 2013 machen sich Frust und Enttäuschung breit. Und der Premier wirkt wie ein Gejagter, der sich hinter hohen Mauern verschanzen muss.

Es sind ausnahmsweise nicht die militanten Islamisten, die in diesen Tagen Schlagzeilen machen im Kampf gegen die Regierenden Pakistans. Es sind zwei sehr eigenwillige Oppositionspolitiker. Sie erproben gerade, wie weit sie die Woge der Unzufriedenheit, die Pakistans Massen erfasst hat, jetzt nach oben tragen kann.

Zwei sehr eigenwillige Oppositionspolitiker

Beide Männer verbindet wenig, wenn man von dem Ziel absieht, den 64-jährigen Premier Sharif aus dem Amt zu vertreiben. Mit friedlichen Mitteln wollen das angeblich beide erreichen. Aber Machtwechsel durch Straßendemonstrationen sieht auch die pakistanische Verfassung nicht vor.

Der eine, Imran Khan, war einst gefeierter Cricket-Weltmeister, bevor er in die Politik wechselte und bei den Wahlen gegen Sharif unterlag. Er hat seine Ambitionen nicht verloren. Den neuerlichen Protest begründet Khan mit angeblichem Wahlbetrug, Sharifs Lager habe manipuliert, behauptet er. Der Premier bot an, eine Kommission einzurichten, um die Vorwürfe zu prüfen, Khan schlug das aus. Er will Sharif durch die Macht der Straße niederringen.

Der andere, Tahir ul Qadri, ist ein islamischer Kleriker, der sein kanadisches Exil hinter sich gelassen hat, um der Korruption den Kampf anzusagen und einer "grünen Revolution" den Weg zu bereiten. Was er damit meint? Jedenfalls keinen Gottesstaat, wenn man seinen Worten vertraut. Qadri fordert eine "Nationale Regierung", die mit integeren Politikern, und nicht mit korrupten Betrügern, besetzt sein soll. Eine Art Technokraten-Kabinett. Wer sie ernennen soll und wer für die einzelnen Posten in Frage käme, das sagt er nicht.

Qadri hat die Regierenden schon einmal nervös gemacht

Mit den Islamisten vom Schlage der Taliban will Qadri nichts zu tun haben, er nennt sie "die größten Feinde des Islam". In den Augen seiner Anhänger verkörpert der Geistliche einen gemäßigten, von Mystikern beeinflussten Islam. Der Kleriker hatte schon einmal die Regierenden Pakistans nervös gemacht, als er wie aus dem Nichts auf der politischen Bühne erschien und Massenproteste organisierte. Das war Anfang 2013. Dann verschwand er von der Bildfläche, um nun, eineinhalb Jahre später, wieder aufzutauchen. Wird er womöglich ferngesteuert? Vermutungen dieser Art hat es immer wieder gegeben, mal hieß es, die Amerikaner steckten hinter diesem Mann, während gleichzeitig Vertreter der US-Regierung mit der Einschätzung zitiert wurden, sie wüssten selbst nicht, was sie von diesem Mann halten sollten.

Kenner der pakistanischen Innenpolitik betonen, dass Qadri Rückhalt im Militär genieße. Ziehen also die Generäle im Hintergrund die Fäden, um ihren Einfluss geltend zu machen? Beweisen lässt sich das nicht. Und Qadri behauptet, er sei vehement gegen einen Putsch der Generäle.

Als sicher gilt, dass das Verhältnis zwischen Premier Sharif und dem Militär belastet und eine Aussöhnung bislang nicht gelungen ist. Sharif war schon einmal Premier und wurde damals von General Pervez Musharraf unblutig gestürzt. Der frühere Machthaber versuchte später ein politisches Comeback, wurde dann aber verhaftet und wegen Hochverrats angeklagt. Offenbar können sich die Generäle und Sharif nicht einigen, wie es weitergehen soll. Sharif will verhindern, dass Musharraf Pakistan verlässt. Genau das möchte das Militär erreichen, weil die Streitkräfte so ihr Gesicht wahren könnten.

Am Wochenende mussten Khan und Qadri ihre Protestzüge, die vergangene Woche im 300 Kilometer entfernten Lahore begonnen hatten, vor den Barrikaden der Regierung in Islamabad stoppen. Die Sicherheitskräfte haben die "rote Zone" mit Barrieren und Schiffscontainern abgeriegelt. Dort liegen Regierungsgebäude und ausländische Botschaften. Trotz strömenden Regens hielten etwa 20 000 Menschen bei den Demonstrationen durch.

Hat Khan eine Strategie jenseits des Protests?

Qadri und Khan hatten am Wochenende Ultimaten an Sharif gestellt, von denen eines bereits am Montag ablief. "Khan hat den Weg des Protestes gewählt", sagt die Analystin Samina Ahmed von der International Crisis Group. "Jetzt lautet die Frage: Hat er eine Strategie jenseits des Protests?" Doch das wird sich vermutlich erst zeigen, wenn er die Runde gegen Sharif gewinnt. Cricket-Star Khan vergleicht die Proteste schon mit den Demonstrationen auf dem Tahrir-Platz in Kairo. Er ruft zu "zivilem Ungehorsam" auf. Die Leute sollten ihre Stromrechnungen und Steuern nicht mehr bezahlen. Zwar verspotten manche Gegner der Demonstrationen Khan schon als Tarzan und Qadri als Robin Hood. Doch der Vorstoß der beiden Populisten, der Islamabad lähmt, fällt in eine Zeit, in der Sharif besonders geschwächt erscheint. Er hat vieles versprochen: Strom, neue Jobs, mehr Sicherheit. Doch kaum etwas davon hat er bislang eingelöst.

Der Strom fällt immer noch aus, die Wirtschaft lahmt. Vor allem aber versprach Sharif Frieden mit den aufständischen pakistanischen Taliban. Damit ist er vorerst völlig gescheitert. Weil die Armee wieder gegen die Islamisten kämpft, sind die Städte stärker als zuvor vom Terror bedroht, denn die Taliban üben Rache.

Sharifs versprochener Aufbruch - er ist bislang nirgendwo zu sehen. Stattdessen muss sich der Premier nach allen Seiten hin verteidigen. Gegner überall.

© SZ vom 19.08.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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