Freilassung in Pakistan:Die Regeln der Gesetzlosen

Pakistans Justiz hat einen wegen zweifachen Mordes angeklagten CIA-Mitarbeiter freigelassen. Dieser Freispruch wird nicht ohne Folgen bleiben.

Tobias Matern

Pakistan lässt den Mann laufen, den die meisten Bürger im Land gehängt sehen wollten: Raymond Davis, ein enttarnter CIA-Mitarbeiter, der zwei Pakistaner erschossen hatte. Der Freispruch wird Folgen haben. Die Wut vieler Menschen in Pakistan auf die US-Regierung ist nahezu grenzenlos. Das wird sich nun noch verschlimmern. Für sie personifiziert Davis die Rambo-Allüren einer Supermacht, die in ihrem Land macht, was sie will.

Die CIA-Praktiken im Kampf gegen den Terrorismus sind fragwürdig, offenbar werden auch Grenzen überschritten. Aber dies ist nur die eine Seite. Pakistan selbst versäumt es, sich den eigenen Fehlern zu stellen, um den Extremismus einzudämmen. Eine offene Debatte über das Verhältnis von Staat und Religion wäre nötig, um das Land vor der islamistischen Revolution zu bewahren. Aber wer sich den Scharfmachern und ihrer Meinung widersetzt, wird - wie jüngst zwei liberale Politiker - auf offener Straße ermordet. Davis darf ausreisen, die Hinterbliebenen der Toten akzeptieren Blutgeld als Wiedergutmachung der Tat - keine unübliche Praxis in dem muslimischen Land. Aber die Islamisten stehen schon bereit, um den Druck der Straße auf die proamerikanische Regierung zu erhöhen.

Pakistans Geheimdienst ISI hat den Fall Davis genutzt, um die CIA mit ihren vielfältigen Aktivitäten im Land enger an die Leine zu nehmen. Willkommener Nebeneffekt: Der ISI konnte so seinen eigenen Spielraum in Afghanistan erweitern. Noch immer unterhält das pakistanische Sicherheits-Establishment Kontakte zu Extremisten, um die Nachkriegsordnung am Hindukusch zu steuern. Das kann dem Westen nicht gefallen.

© SZ vom 17.03.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: