Oskar Lafontaine im Gespräch:"Wir brauchen Sparkassen statt Zockerbuden"

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Er ist der Mann, dem die Linken vertrauen: Oskar Lafontaine drängt auf die bundespolitische Bühne zurück. Seine Partei arbeitet sich auf ihrem Bundesparteitag in Erfurt an der SPD ab. Die hält die Linke für "koalitionsunfähig". Im Gespräch mit sueddeutsche.de reagiert Lafontaine auf den Vorwurf - und erklärt, was er von einem SPD-Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück hält.

Daniel Brössler und Michael König, Erfurt

Oskar Lafontaine, 68, war von 1995 bis 1999 Vorsitzender der SPD. 2005 wechselte er zur Wahlalternative Arbeit und soziale Gerechtigkeit (WASG), die 2007 mit der PDS zur Linken fusionierte - und den Sozialdemokraten seitdem Stimmen abgräbt. Nach seinem krankheitsbedingten Rückzug 2009 ist Lafontaine, Fraktionschef der Saar-Linken, zurück auf der großen Polit-Bühne. Das Interview findet allerdings eher im kleinen Rahmen statt: beim Kaffee im Foyer, mit Plastikbesteck auf dem Tisch.

Oskar Lafontaine: "Wenn die SPD uns in einer Regierungszusammenarbeit anböte, was sie in den vergangenen Jahren von uns übernommen hat, würden wir laut 'Hurra' schreien." (Foto: REUTERS)

sueddeutsche.de: Herr Lafontaine, wir möchten mit Ihnen über die SPD reden.

Oskar Lafontaine: Gerne.

sueddeutsche.de: Würden Sie den Sozialdemokraten empfehlen, mit Peer Steinbrück als Kanzlerkandidat in die Bundestagswahl 2013 zu gehen?

Lafontaine: Ich sehe mich nicht ernsthaft in der Position, der SPD etwas zu empfehlen. Das hätte keinen Sinn. Aber da ich ihr noch immer verbunden bin, zumindest durch meine Biographie, ist es mein Wunsch, dass sie sich wieder an der Politik orientiert, für die sie lange Zeit stand. Etwa die Politik des Gewaltverzichts von Willy Brandt oder die Politik der Regulierung der Banken. Stattdessen hat sie sich an einer unverantwortlichen Deregulierung des Finanzmarkts beteiligt - und Peer Steinbrück hat das als Finanzminister befürwortet.

sueddeutsche.de: Ihnen könnte es womöglich einige Stimmen einbringen, wenn die SPD mit Steinbrück als Kanzlerkandidat etwas weiter rechts steht.

Lafontaine: Das kann sein. Aber ich bin letztlich interessiert an einer Veränderung zum Positiven. Für die Bankenwelt hieße das, den Tanz auf dem Vulkan zu beenden. Wir brauchen Sparkassen statt Zockerbuden, um es mal einfach zu formulieren.

sueddeutsche.de: Reizt es Sie, als Spitzenkandidat der Linken mit Steinbrück zu konkurrieren?

Lafontaine: Sie können diese Frage jetzt in allen Varianten stellen. Zum Thema der Spitzenkandidatur werde ich nichts sagen.

sueddeutsche.de: Schwarz-Gelb ist in einer dramatischen Lage, die Regierung könnte jederzeit auseinanderbrechen. Als Oppositionspolitiker müssten Sie sich schon Gedanken über vorzeitige Neuwahlen gemacht haben.

Lafontaine: Das habe ich. Aber noch ist die Regierung nicht zusammengebrochen. Wenn es so weit ist, dann können Sie fragen, was wir dann machen.

sueddeutsche.de: SPD-Chef Sigmar Gabriel hat gesagt, Sie persönlich seien dafür verantwortlich, dass die Linke mit ihrem neuen Programm "koalitonsunfähig" sei. Was antworten Sie ihm?

Lafontaine: Als ich als Vorsitzender für die SPD verantwortlich war, hatten wir 40,9 Prozent (bei der Bundestagswahl 1998, die Redaktion). Mit diesem Ergebnis konnten wir die Regierung bilden. Bei der Linken waren es unter meiner Verantwortung 11,9 Prozent (bei der Bundestagswahl 2009). Wir waren bereit, einen SPD-Kanzler zu wählen, wenn Hartz IV und die Rentenkürzung wieder zurückgenommen worden wären und der Mindestlohn eingeführt. Insofern sind die Einlassungen von Herrn Gabriel nicht ganz nachvollziehbar. Er sollte sich an die eigene Nase fassen und hinterfragen, wo die SPD mit ihm derzeit steht.

sueddeutsche.de: Sie haben mit anderen Linken auf dem Bundesparteitag das Erfurter Programm der SPD vorgetragen. Eine von ihnen angestrebte neue Hilfstruppe soll den Namen des einstigen SPD-Kanzlers Willy Brandt tragen. Reklamieren Sie für sich, die wahre SPD zu sein?

Lafontaine: Nein. Ich reklamiere für mich, zu den Inhalten zu stehen, die wir jahrelang vertreten haben und die ich weiterhin für richtig halte. Und das bekannteste Beispiel ist eben, dass Gewalt kein Mittel der Politik ist. Ich weiß, dass heute viele meinen, der Libyen-Einsatz der Nato sei notwendig und gerecht gewesen. Aber ich sehe, dass dort Zigtausende Menschen ermordet worden sind. Ich kann diese Politik nicht gut finden.

sueddeutsche.de: Eine Ihrer Genossinnen sagte auf dem Parteitag, es sei wünschenswert, die SPD zu ärgern. Ist das Ihr Ziel?

Lafontaine: Ärgern ist das falsche Wort. Dass ich mich für ein ziviles Hilfskorps mit dem Namen Willy Brandts ausgesprochen habe, das ist schon auch ein Fingerzeig in Richtung der SPD. Nach dem Motto: Überlegt euch mal, in welcher Tradition ihr einmal groß geworden seid.

sueddeutsche.de: Verschleiert Ihre Forderung nach einem Willy-Brandt-Korps nicht bloß die Tatsache, dass die Linke rigoros jede Beteiligung an militärischen Einsätzen ablehnt, auch jene auf Bitten der Vereinten Nationen?

Lafontaine: Nein. Wir begegnen mit dem Willy-Brandt-Korps dem Vorwurf, die Linke würde nicht helfen, wenn irgendwo auf der Welt Menschen in Not seien. Wir sagen: Diese zivile Hilfstruppe ist unsere Antwort auf die internationale Hilfsbedürftigkeit.

sueddeutsche.de: Glauben Sie nicht, dass ein Militäreinsatz unter gewissen Bedingungen auch richtig sein kann?

Lafontaine: Ich habe in meinen Büchern geschrieben, dass ich für eine Polizeitruppe der Vereinten Nationen bin, die nach Polizeigrundsätzen vorgeht. Doch davon kann heute leider keine Rede sein. Es wird rücksichtslos bombardiert, und viele zivile Opfer werden in Kauf genommen. Und das Hauptargument ist, man solle dort eingreifen, wo Menschen ihr Leben lassen. Das könnte man tatsächlich, wenn man Millionen Menschen rettet, indem man sie vorm Hungertod und Tod durch Krankheit bewahrt. Die Annahme, Hilfe sei nur mit Militär möglich, ist eine Perversion des Denkens und Fühlens.

sueddeutsche.de: Vorausgesetzt, SPD und Linke könnten sich einigen - halten Sie es möglich, langfristig wieder mit der SPD zusammenzugehen?

Lafontaine: Das hängt immer vom Programm ab. Wenn die SPD uns in einer Regierungszusammenarbeit anböte, was sie in den vergangenen Jahren von uns übernommen hat, würden wir laut "Hurra" schreien. Etwa die Vermögenssteuer, ein höherer Spitzensteuersatz, die Finanztransaktionssteuer. Ich habe jedoch die Sorge, dass in dem Moment, wenn etwa die Vermögenssteuer in einer Bundesregierung zur Diskussion steht, ein neuer Gerhard Schröder oder ein Frank-Walter Steinmeier kommt und sagt: Nicht mit mir.

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