Flüchtlingspolitik:Orbán will neuen Ministerrat für EU-Migrationsfragen

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Startete als liberaler Politiker und gilt inzwischen als Star der rechten Polit-Szene Europas: Ungarns Regierungschef Viktor Orbán, noch Mitglied in der konservativen Europäischen Volkspartei (EVP). (Foto: Bernadett Szabo/Reuters)
  • Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán schlägt eine Neuordnung der europäischen Migrationspolitik vor.
  • In einem Interview spricht er sich für die Einrichtung einer neuen Institution auf europäischer Ebene aus.
  • Seine Kritiker in der Europäischen Volkspartei bezeichnet Orbán als "nützliche Idioten" der Linken.

Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán schlägt eine Neuordnung der europäischen Migrationspolitik vor. Im Interview mit der Welt am Sonntag sagte Orbán: "Wir brauchen eine Methode, mit der wir trotz unterschiedlicher Standpunkte zusammenleben können. Die aus der Migration entspringenden Fragen muss man deshalb der Kommission aus der Hand nehmen." Er schlägt dafür die Einrichtung einer neuen Institution auf europäischer Ebene vor: "Man muss ein gesondertes Gremium schaffen, in dem ausschließlich nur die Innenminister der Schengen-Zone vertreten sind." In diesem Rat sollten alle "die gesamte Schengen-Zone betreffenden Fragen auf die Weise entschieden werden können, wie dies Fachleute machen, und nicht so wie die Politiker".

Orbán gibt zu, dass es in der Vergangenheit "einen Bruch" im deutsch-ungarischen Verhältnis gab. Dieser sei "nur der Politik geschuldet" und auch er müsse dafür Verantwortung übernehmen: "Ein Teil der Schuld an den deutsch-ungarischen Verstimmungen entfällt in der Tat wohl auf mich." Seit 1989 sei das Verhältnis eigentlich in allen Bereichen hervorragend gewesen. "Der Bruch in den politischen Beziehungen ist einzig durch die Migration entstanden. Wir bestehen auf dem Recht der Nationen auf Selbstverteidigung. Deutschland hat eine andere Philosophie."

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Die Frage der Verteilung von Geflüchteten sieht Orbán nicht als gelöst an: "Alles, was wir seit 2015 erlebt haben, wird noch stärker erneut geschehen." Es liege "ausschließlich in der Entscheidung der türkischen Regierung, ob sich die vielen Millionen Flüchtlinge, die sich in der Türkei aufhalten, nach Europa aufmachen."

Orbáns nationalkonservative Regierung hatte vergangene Woche eine polemische Plakatkampagne gegen EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker gestartet. Budapest wirft Juncker vor, er wolle die EU-Länder zur Aufnahme von Flüchtlingen verpflichten und den nationalen Grenzschutz schwächen. Wegen der umstrittenen Anti-EU-Kampagne droht Orbáns Fidesz-Partei der Ausschluss aus der Europäischen Volkspartei (EVP). Statt wie gefordert seine Kampagne gegen Juncker zu beenden, kündigte Orbán in dem Interview neue Anti-Brüssel-Plakate an. "In der nächsten Phase des Wahlkampfs, die dann schon unsere Parteikampagne sein wird, werden Sie einen weiteren Akteur auf den Plakaten sehen: Herrn Timmermans." Timmermans ist der Vizepräsident der EU-Kommission und zuständig für Rechtsstaatlichkeit.

Auch CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer übte Kritik an Orbán. In dem Interview kündigte der ungarische Regierungschef nun an, er werde Kramp-Karrenbauer noch in diesem Monat in Brüssel treffen.

Seine Kritiker in der EVP bezeichnete Orbán als "nützliche Idioten" der Linken. "Während sie einen geistigen Kampf zu führen glauben, dienen sie den Machtinteressen anderer, ja denen unserer Gegner."

Im September hatte das Europaparlament ein Strafverfahren gegen Ungarn wegen der Verletzung von Grundwerten eingeleitet. Die Abgeordneten kritisierten dabei Angriffe auf die Unabhängigkeit der Justiz, die Einschränkung der Medienfreiheit und der Rechte von Minderheiten sowie das Vorgehen gegen Nichtregierungsorganisationen.

© SZ.de/bix/afp/dpa/jsa - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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