OPCW:Maas: "Erleben eine grausame Renaissance der Chemiewaffen"

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Will die Verantwortlichen für den Einsatz von verbotenen Chemiewaffen zur Verantwortung ziehen: Außenminister Heiko Maas (Foto: dpa)
  • Am Dienstag beginnt in Den Haag eine außerordentliche Vertragsstaaten-Konferenz des Chemiewaffen-Übereinkommens.
  • Ziel des Treffens ist es, die Verantwortlichen für Chemiewaffen-Angriffe stärker zur Rechenschaft ziehen.
  • Dafür soll die Organisation zum Verbot chemischer Waffen künftig Informationen darüber sammeln dürfen, wer hinter dem Einsatz der verbotenen Waffen steht.

Von Paul-Anton Krüger, Kairo

EU-Staaten und die USA wollen die Verantwortlichen für Chemiewaffen-Angriffe stärker zur Rechenschaft ziehen. Dafür soll die Organisation zum Verbot chemischer Waffen (OPCW) künftig Informationen darüber sammeln dürfen, wer hinter dem Einsatz der verbotenen Waffen steht und möglichst die Verantwortlichen benennen dürfen. Das ist das Ziel einer außerordentlichen Vertragsstaaten-Konferenz des Chemiewaffen-Übereinkommens, die an diesem Dienstag in Den Haag beginnt.

Die Initiative hatte Großbritannien ergriffen, die Bundesregierung unterstützt sie wie etwa 20 weitere Länder. Außenminister Heiko Maas sagte der Süddeutschen Zeitung: "Wir erleben in den vergangenen Jahren eine grausame Renaissance der Chemiewaffen." Obwohl sich nach Ende des Kalten Krieges fast alle Staaten auf die Ächtung dieser Waffen geeinigt hätten, mussten "wieder Hunderte Menschen ihr Leben durch den Einsatz von Giftgas verlieren- nicht nur in Syrien". Damit das weltweite Verbot nicht weiter aufgeweicht werde, müssten die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden, forderte er.

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Russland versucht, Syriens Präsidenten vor Strafen zu schützen

Dafür soll nun die OPCW gestärkt werden. Ihre Experten müssten endlich Fakten darüber sammeln dürfen, wer hinter dem Einsatz von Chemiewaffen steckt. "Wir wollen das klare Signal senden: Wer gegen das Verbot chemischer Waffen verstößt, muss mit Konsequenzen rechnen", sagte Maas. Mit der Initiative reagieren die westlichen Staaten auf Versuche Russlands, Syriens Präsidenten Baschar al-Assad vor Strafen zu schützen. Wiederholt hatte die OPCW den Einsatz des Nervenkampfstoffs Sarin und von Chlor in Syrien nachgewiesen.

Russland hatte 2017 mit seinem Veto im UN-Sicherheitsrat verhindert, dass eine gemeinsame Untersuchungskommission der OPCW und der UN ihre Arbeit fortsetzen konnte, die nach einem Beschluss des Sicherheitsrates auch Verantwortliche benennen durfte. Sie hatte in mehreren Fällen den Einsatz von Sarin gegen Zivilisten in von Rebellen kontrollierten Gebieten dem syrischen Regime angelastet, allerdings auch der Terrormiliz Islamischer Staat vorgeworfen, mehrmals den Hautkampfstoff Senfgas eingesetzt zu haben. Das Assad-Regime und Russland bestreiten kategorisch, dass Regierungseinheiten Chemiewaffen einsetzten. Sie beschuldigen Rebellen, die Angriffe inszeniert zu haben, um eine Militärintervention der USA und verbündeter Staaten herbeizuführen.

Es soll ein Vorgehen zur Zurechnung von Chemiewaffeneinsätzen vereinbart werden

Die OPCW soll künftig auch bei Fällen wie der Vergiftung des ehemaligen russischen Geheimdienstmitarbeiters Sergej Skripal im britischen Salisbury mit einem Kampfstoff der Nowitschok-Gruppe an der Ermittlung der Verantwortlichen mitwirken dürfen. Diplomaten nennen auch die Ermordung des Halbbruders des nordkoreanischen Diktators Kim Jong-il, Kim Jong-nam, mit dem Nervengift VX im Februar 2017 in Kuala Lumpur.

Laut dem Auswärtigen Amt soll ein Vorgehen zur Zurechnung von Chemiewaffeneinsätzen vereinbart werden, das die Grundlage bilden würde, die Täter juristisch belangen zu können. Die Experten der OPCW sollen die Verantwortlichen identifizieren, indem sie Fakten zusammentragen und auswerten. Diese Erkenntnisse sollen sie dann an den UN-Sicherheitsrat weiterleiten und an den Exekutivrat der OPCW. Damit käme auch der Internationale Strafgerichtshof und die nationale Justiz von Ländern ins Spiel, die nach dem Weltrechtsprinzip Verbrechen gegen die Menschlichkeit weltweit verfolgen. Dazu gehört mit Einschränkungen Deutschland

Anders als den Sicherheitsrat kann Moskau die Vertragsstaatenkonferenz nicht per Veto blockieren, sie entscheidet mit Mehrheit. Ihrer Einberufung müssen ein Drittel der OPCW-Mitglieder zustimmen, das wären 64. Die Initiative fand aber bei mehr als 90 Regierungen Unterstützung. Diplomaten halten es für denkbar, dass Russland versucht, mit Verfahrensfragen eine Abstimmung zu verhindern. Sie beteuern aber, dass es im Übereinkommen keine Hindernisse für eine Erweiterung des Mandats der Inspektoren gebe. Das technische Sekretariat der OPCW solle nur technische Einschätzungen liefern, keine politischen Bewertungen.

© SZ vom 26.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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