Großbritannien:"Der falsche Mann im falschen Job"

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Beißende Kritik: Der ehemalige Verteidigungsminister von Großbritannien, Ben Wallace, hält die Ukraine-Politik der Bundesregierung für verfehlt. (Foto: Christophe Gateau/picture alliance/dpa)

In London wird der deutsche Kanzler von Politikern der Regierungspartei wegen seiner Haltung zur Ukraine scharf kritisiert.

Von Michael Neudecker, London

Die britische Regierung betont gerne ihre bedeutsame Rolle in der militärischen Unterstützung für die Ukraine im Krieg gegen Russland. Am Montag sagt ein Sprecher von Downing Street während der täglichen Presserunde im Parlament einmal mehr, Großbritannien sei bekanntermaßen "das erste Land gewesen, das Marschflugkörper an die Ukraine lieferte". Um dann wenig subtil anzufügen: "Wir ermutigen unsere Partner, das Gleiche zu tun." Auch in London geht es dieser Tage unter anderem um ein Thema, das in Deutschland die Politik derzeit sehr beschäftigt: Die Debatte um die Taurus genannten Marschflugkörper und die Frage, warum sich Deutschland bislang weigert, das Waffensystem an die Ukraine zu liefern.

Großbritannien hat, anders als Deutschland, früh entschieden, die Ukraine militärisch zu unterstützen. Inzwischen ist Deutschland nach den USA zwar der zweitgrößte Bereitsteller von Militärhilfe für die Ukraine, die neuerliche Taurus-Diskussion aber sorgt in London nun für Kritik. Den Umstand, dass deutsche Generäle von Moskau abgehört wurden, wolle man zwar nicht kommentieren, sagt der Sprecher von Downing Street, es sei "eine Sache Deutschlands, dies zu untersuchen", und Kanzler Olaf Scholz nehme die Angelegenheit offenbar "sehr ernst". Das britische Verteidigungsministerium möchte sich auf SZ-Anfrage überhaupt nicht dazu äußern.

Prominente Tory-Abgeordnete wie der ehemalige Verteidigungsminister Ben Wallace wurden dafür umso deutlicher. Die ganze Sache zeige, dass Scholz, wenn es um die Sicherheit Europas gehe, "der falsche Mann im falschen Job zur falschen Zeit" sei, sagte Wallace dem Evening Standard. Deutschland müsse stets dazu gedrängt werden, der Ukraine zu helfen, kritisierte Wallace. Alicia Kearns, die Vorsitzende des parlamentarischen Verteidigungskomitees, schrieb auf der Plattform X, "Scholz' Kommentare sind falsch, verantwortungslos und ein Schlag ins Gesicht von Verbündeten".

Hat die britische Regierung Scholz zum Kurswechsel gedrängt?

Scholz hatte vergangene Woche seine Entscheidung, Taurus nicht auszuliefern, zum einen damit begründet, dass damit von der Ukraine aus auch Ziele in Moskau angegriffen werden könnten. Zum anderen sei das System so komplex, dass deutsche Soldaten es womöglich bedienen müssten, was Deutschland, "anders als Großbritannien und Frankreich", nicht machen könne. Ob er damit suggeriert habe, dass es britische Soldaten auf ukrainischem Boden gibt, die am Krieg teilnehmen? Nein, sagt der Sprecher der britischen Regierung am Montag, so werte man dies nicht: "Olaf Scholz hat damit nicht die Anwesenheit britischer Truppen in der Ukraine bestätigt." Überdies habe man schon häufiger angemerkt, dass "eine kleine Zahl britischer Soldaten in der Ukraine" sei, zum Schutz der dortigen diplomatischen Mission und "um die ukrainische Armee zu unterstützen und medizinisch auszubilden".

Die Bedienung und Nutzung der bereits vor etwa einem Jahr von Großbritannien gelieferten Marschflugkörper, Storm Shadow genannt, sei explizit "Angelegenheit der ukrainischen Armee". Die Berichte vom Montag in britischen Medien, London habe intern Berlin dazu gedrängt, Taurus nun endlich zu liefern, wollte Downing Street nicht kommentieren.

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