Debatte um Durchsuchung im Scholz-Ministerium:Offensive aus Osnabrück

Erfuhr vier Tage bevor es soweit war von den anstehenden Durchsuchungen in Berlin: Niedersachsens Justizministerin Barbara Havliza (CDU).

Erfuhr erst vier Tage vorher von den anstehenden Durchsuchungen in Berlin: Niedersachsens Justizministerin Barbara Havliza (CDU).

(Foto: Joachim Sielski /Imago)

Die Staatsanwaltschaft erklärt, warum sie zwei Ministerien in Berlin durchsuchte, und betont, dass die Geldwäschekontrolle des Bundes Verdachtsfälle liegen ließ. Auch die Landesjustizministerin wusste vor dem Besuch in der Hauptstadt Bescheid.

Von Peter Burghardt und Jörg Schmitt, Hamburg

Osnabrück war für Olaf Scholz bislang eine zwar lebenswichtige, aber ferne Erinnerung. Er kam dort 1958 zur Welt, doch jeder weiß, dass der Bundesfinanzminister vor allem Hamburger ist. Längst regiert er in Berlin mit und will demnächst Bundeskanzler werden, allerdings ist ihm seine Geburtsstadt nun unangenehm nahegerückt. Genauer: deren Staatsanwaltschaft. Es geht um einen Krimi.

Die Staatsanwaltschaft Osnabrück hatte jene Durchsuchung durchgeführt, die im Wahlkampffinale gerade Aufregung verursacht. Eine Staatsanwältin und ein Staatsanwalt wurden am 9. September in Scholz' Finanzministerium und auch im Justizministerium vorstellig, begleitet von Polizisten in Zivil. Die Aktion ereignete sich drei Tage vor dem zweiten Triell und gut zwei Wochen vor der Wahl, ein heikler Termin. Die SPD wittert ein politisches Manöver, zumal der Osnabrücker Behördenleiter wie auch Niedersachsens Justizministerin der CDU angehören und eine Pressemitteilung zur Durchsuchung missverständlich formuliert war. Die Osnabrücker Staatsanwaltschaft sieht das anders.

Die Ermittlungen begannen im Februar 2020, bestätigt ein Behördensprecher der Süddeutschen Zeitung. Es gehe um acht Geldwäscheverdachtsmeldungen bei drei Banken aus dem Kreis Osnabrück von 2018 bis 2020. Einem der Finanzinstitute waren seltsame Transaktionen nach Afrika mit einem Volumen von 1,7 Millionen Euro aufgefallen, die Bank vermutete, dass Waffen- und Drogenhandel sowie Terrorismusfinanzierung der Hintergrund seien. Sie meldete die Zahlungen der Antigeldwäsche-Einheit FIU, der Financial Intelligence Unit, angesiedelt beim Zoll im Bundesfinanzministerium. Laut Staatsanwaltschaft hat die FIU die Meldung "nicht an deutsche Strafverfolgungsbehörden weitergeleitet, sodass keine Möglichkeit mehr bestand, die Zahlungen aufzuhalten".

Die betroffenen Banken wandten sich an die Osnabrücker. Die ermitteln seither wegen des Verdachts auf Strafvereitelung im Amt gegen unbekannt und möchten auch wissen, "weshalb seit Übernahme der Geldwäschekontrolle durch die FIU die Zahl der Verdachtsmeldungen auf einen Bruchteil zurückgegangen ist". Als Grund gilt der sogenannte risikobasierte Ansatz, der sich nach einem Computerprogramm richtet, das Verdachtsmeldungen filtert. Erst seit August 2021 ist dieser risikobasierte Ansatz Gesetz.

Wer hat den "risikobasierten Ansatz" eingeführt?

Die Staatsanwaltschaft möchte herausbekommen, wer vor August 2021 den risikobasierten Ansatz eingeführt hat, ob selbständig die FIU oder auf Weisung des Bundesfinanzministeriums oder mit dessen Rückendeckung. Ausgewertete Unterlagen hätten gezeigt, "dass es zwischen der FIU und den nun durchsuchten Ministerien umfangreiche Kommunikation gab". Zur Ermittlung zählt ein Schreiben vom 15. Mai 2020, in dem das Bundesjustizministerium das Bundesfinanzministerium ermahnte, die ihr unterstellte FIU müsse sich an die Vorgaben des Geldwäschegesetzes halten. Die Vorgehensweise der FIU sei "aus hiesiger Sicht" mit den Vorgaben des § 32 Abs. 2 Geldwäschegesetzes nicht vereinbar, heißt es da. "Ich wäre Ihnen dankbar, wenn die vorgenannten Bedenken aufgegriffen und die derzeitige Weiterleitungspraxis der FIU überprüft werden könnte."

Aus Sicht der Staatsanwaltschaft handelt es sich dabei um eine klare Warnung, dass das von Scholz geführte Ministerium rechtswidrig handele. Die Fahnder suchen nun in den beschlagnahmten Unterlagen nach dem Antwortschreiben des Bundesfinanzministeriums. Auch gehen sie der Frage nach, ob die entsprechende Warnung an die FIU weitergegeben wurde - und von wem.

Warum die Durchsuchungen? Eine Anfrage beim Bundesjustizministerium sei erfolglos geblieben, sagt die Staatsanwaltschaft; das Ministerium hatte um ein förmliches Ersuchen gebeten. Am 6. August beantragten die Ermittler beim Amtsgericht Osnabrück deshalb den Durchsuchungsbeschluss. Wieso hat es danach so lange gedauert? Die Erklärung der Staatsanwaltschaft: Die Durchsuchung sei zunächst nur für eines der Ministerien genehmigt worden und erst am 26. August für beide. Die Staatsanwältin, die sich mit dem Fall befasst, sei zwischenzeitlich im Urlaub gewesen.

Niedersachsens Justizministerin Barbara Havliza (CDU) erfuhr laut Ministerium vier Tage zuvor vom zuständigen Generalstaatsanwalt, dass es "alsbald zu einer Durchsuchung von Bundesministerien kommen könnte". Von den Ermittlungen habe sie seit Ende Februar 2020 gewusst.

Es solle unter anderem untersucht werden, "ob und gegebenenfalls inwieweit die Leitung sowie Verantwortliche der Ministerien sowie vorgesetzte Dienststellen in Entscheidungen der FIU eingebunden waren", so die Pressemitteilung. Es klingt, als betreffe das theoretisch auch Scholz. Im Durchsuchungsbeschluss dagegen dient die Durchsuchung der Identifizierung beteiligter Mitarbeiter der FIU. Mit dem Zusatz indes, dass es auch um die Feststellung gehe, inwieweit die Einführung des risikobasierten Ansatzes rechtlich erörtert und abgesichert wurde. Sätze aus Osnabrück bei der Durchsuchung eines Hauses, das ein gebürtiger Osnabrücker leitet.

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