Österreich:Heiße Luft

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Auf bestimmten Autobahnabschnitten in Österreich gilt ein Umwelt-Tempolimit von 100 km/h. Wer also von Deutschland aus die Grenze überquert, muss den Fuß vom Gas nehmen. (Foto: Imago/Manngold)

Die Schadstoffbelastung ist so niedrig wie lange nicht mehr in Österreich. Deshalb wird viel über die Abschaffung des Umwelt-Tempolimits auf Autobahnen diskutiert, vor allem von der FPÖ. Wieso eigentlich?

Von Dominik Prantl

Das Tempolimit zur Verbesserung der Luftqualität in Österreich, vulgo: der Lufthunderter, wurde in den vergangenen Wochen von mehreren Seiten infrage gestellt: Kommt das IG-L (Immissionsschutzgesetz Luft, Anm. d. Red.) unter die Räder?, fragte die Tiroler Tageszeitung, während dem Standard schwante: Dem Lufthunderter geht die Luft aus. Aber worum geht es hier genau? Die wichtigsten Fragen und Antworten zu einer Diskussion, die eigentlich keine ist.

Wieso gibt es den Lufthunderter?

Speziell entlang von hochrangigen Verkehrsadern wie Autobahnen und Schnellstraßen wurden die Grenzwerte für Feinstaub und Stickoxide in Österreich vor wenigen Jahren noch häufig überschritten. Auf bestimmten Abschnitten wurde daher ein Umwelt-Tempolimit von 100 Kilometer pro Stunde gemäß dem Immissionsschutzgesetz Luft eingeführt. Ziel dieses sogenannten Lufthunderters ist, den Ausstoß gesundheitsgefährdender Schadstoffe zu senken. Derzeit gibt es derartige IG-L-Tempolimits in Tirol, Salzburg, Kärnten, der Steiermark und Oberösterreich. Sie können permanent, saisonal oder aber flexibel gelten, also nur dann, wenn dies die Luftqualität oder Verkehrssituation erfordert. Ausgeschlossen vom Tempolimit nach IG-L sind reine Elektrofahrzeuge und Fahrzeuge mit Wasserstoff-Brennstoffzellen-Antrieb, allerdings nur, wenn entsprechende grün beschriftete Hinweisschilder die IG-L-Geschwindigkeitsbeschränkung für die betreffenden Fahrzeuge aufheben.

Wie groß sind Zeitverlust und Schadstoffreduktion durch das Tempolimit?

Wer auf der Autobahn nur 100 statt der in Österreich generell geltenden 130 km/h fahren darf, braucht auf 100 Kilometer etwa 14 Minuten länger - sofern Tempo 130 durchgehend möglich wäre. Auf der klassischen Transit- und IG-L-Strecke von der deutsch-österreichischen Grenze bei Kiefersfelden bis Innsbruck bedeutet der Lufthunderter auf den 80 Kilometern Inntalautobahn theoretisch etwa elf Minuten Zeitverlust; die Fahrt dauert 48 statt 37 Minuten. Signifikanter ist gemäß Daten des Österreichischen Umweltbundesamts allerdings die Ersparnis beim Schadstoffausstoß. Demnach werden bei Tempo 100 im Schnitt 49,7 Prozent weniger Stickoxide und 34,2 Prozent weniger Feinstaub emittiert als bei Tempo 130.

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Warum stößt die Maßnahme trotzdem auf Widerstand?

Das Umweltbundesamt weist in seiner vorläufigen Bilanz der Luftqualität 2022 eine der niedrigsten Feinstoffbelastungen seit Beginn der Messungen im Jahr 2000 aus, beim Stickstoffdioxid eine der niedrigsten Belastungen seit 1990. Gemäß den Daten habe es 2022 wie schon in den Jahren zuvor keine Überschreitungen der EU-Grenzwerte beim Feinstaub und Stickstoffdioxid gegeben. Aufgrund dieser Sachlage plädieren manche Wirtschaftsvertreter und vor allem FPÖ-Politiker für ein Aufheben des Lufthunderters. In Salzburg etwa ist die stellvertretende Landeshauptfrau und Umweltreferentin Marlene Svazek (FPÖ) der Meinung, dass es für das Tempolimit keine Grundlage mehr gebe. Noch in diesem Jahr möchte die schwarz-blaue Landesregierung deshalb den flexiblen, 2008 eingeführten Lufthunderter auf einem rund 27 Kilometer langen Abschnitt der Tauernautobahn abschaffen. Ähnliche Pläne hegt Oberösterreichs Verkehrslandesrat Günther Steinkellner (FPÖ) für das flexible Tempolimit auf der Westautobahn bei Enns. Und auch der Tiroler Nationalratsabgeordnete und ÖVP-Wirtschaftsbundchef Franz Hörl forderte im Gespräch mit der APA, das permanente Tempolimit auf der Inntalautobahn mithilfe von Überkopfwegweisern in ein flexibles umzuwandeln. Eine Fortführung der "obsolet gewordenen Beschränkung" hingegen wäre laut Hörl ein "Festhalten an der verfehlten und gegen die Tirolerinnen und Tiroler gerichteten grünen Verkehrspolitik".

Steht der Lufthunderter deshalb wirklich in der Kritik?

Nein, die Kritik daran ist eher punktuell. In Kärnten wie auch in Tirol wollen die Landesregierungen die Geschwindigkeitsbeschränkungen nach dem IG-L beibehalten; für Tirols Landeshauptmann Anton Mattle (ÖVP) steht der Lufthunderter "nicht zur Diskussion". In der Steiermark verweist die zuständige Umweltlandesrätin Ursula Lackner (SPÖ) darauf, dass die Schadstoff- und Lärmbelastung mit einer Aufhebung des Tempolimits wieder steigen würde. Auch der Obmann der Bürgerrechtsorganisation Transitforum Austria-Tirol, Fritz Gurgiser, plädierte vor wenigen Tagen für ein Beibehalten des Tempolimits und kritisierte das Ansinnen der FPÖ-Landespolitiker in Salzburg und Oberösterreich teils scharf. Da es dort flexible Tempolimits betreffe, gelte bei entsprechender Luftgüte "ohnedies freie Fahrt". Für Gurgiser handelt es sich folglich um das "Vorgaukeln" einer Beschränkung, die in Wahrheit nicht bestehe und eine "einseitige Aufschaukelei bar jeder sachlichen Grundlage", so Gurgiser.

Hat Tempo 100 mittelfristig eine Zukunft?

Ein interessanter Vergleich findet sich in dem Leserbrief eines Lungenarztes an die Salzburger Nachrichten : "Wenn ich nach Erreichen meines Zielblutdrucks/Blutzuckers beschließe, die Medikation zu beenden, ist das aus Sicht eines Laien durchaus nachvollziehbar. Wenn der Arzt so handelt oder ein Politiker ähnliche Maßnahmen beim Tempolimit setzt, ist das ein Indiz für ein kognitives Defizit." Tatsächlich verweisen diverse Experten darauf, dass eine Rückkehr zu Tempo 130 die Schadstoffbelastung wieder steigen ließe und die Grenzwerte nur durch die IG-L-Geschwindigkeitsverordnung eingehalten werden. Auf die Argumentation stützte sich kürzlich auch das Tiroler Landesverwaltungsgericht, welches die Beschwerde eines Schnellfahrers zurückwies. Dieser hatte sich mit der Begründung gegen eine 200-Euro-Strafe gewehrt, dass der Lufthunderter "europarechts- und verfassungswidrig" sei. Hinzu kommt, dass die EU bei den Luftqualitätsrichtlinien für 2030 noch strengere Vorgaben plant. So soll beispielsweise der vorgeschlagene Grenzwert für Stickstoffdioxid nur noch bei 20 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft liegen, halb so hoch wie heute. Damit dürfte der Lufthunderter trotz aller Bemühungen der FPÖ alternativlos bleiben.

Ihre Meinung ist gefragt: Was halten Sie von Umwelt-Tempolimits auf Autobahnen? Schreiben Sie uns bitte via E-Mail an oesterreich@sz.de

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