Österreich-Kolumne:Bitterer Nachgeschmack

Lesezeit: 2 min

Türkis-grüne Spitze in Erklärungsnot: Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) und Vizekanzler Werner Kogler von den Grünen. (Foto: Alex Halada/imago images)

Wie die türkis-grüne Regierungsspitze den bekannt gewordenen Sideletter zu ihrer Koalition erklärt - und was er für eine anstehende Postenvergabe im ORF bedeuten könnte.

Von Cathrin Kahlweit

Politik kann extrem kurzlebig sein; manchmal haben Ideen, Personen, Skandale, aber auch Begriffe nur ein paar Tage lang Konjunktur. Sideletter etwa war das Wort dieser Woche, wobei allein das Framing schon auf Vergänglichkeit ausgelegt ist. Auf Englisch klingt das nebensächlicher als auf Deutsch: Geheime Nebenvereinbarung hat gleich so was Schweres, Historisches.

Was die Fakten hinter der Rhetorik angeht, verdient es durchaus Anerkennung, wie der grüne Parteichef Werner Kogler sich aus der Defensive heraus- und das Problem wegerklärte: Erst hat der innerkoalitionäre Sideletter zwischen ÖVP und Grünen, der, nicht ganz zufällig, kurz nach dem Vorgänger von ÖVP und FPÖ bekannt wurde, die Machtgier der ÖVP gespiegelt (also eine Vorsichtsmaßnahme). Dann war das darin enthaltene Kopftuchverbot eh nur ein Psycho-Schmankerl für Sebastian Kurz (Hat der Obertaktiker Kurz denn gar nicht gemerkt, dass die Grünen das Kopftuchverbot schon wegverhandelt hatten?). Und dann wurde völlige Transparenz gefordert, weshalb jetzt die ÖVP am Zug sei, all die schönen Gesetze zu beschließen, welche die Grünen ohne den Widerstand der ÖVP eh längst beschlossen hätten (Parteiengesetz, Informationsfreiheitsgesetz, Antikorruptionsgesetz).

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Kennen die Landeshauptleute Nehammers Langzeitplan?

Damit, finden sie bei den Grünen, habe man den Schwarzen Peter zur ÖVP hinübergeschoben. Basis, Lüge, Ärger, war da was? Karl Nehammer wiederum ist, spät, aber entschlossen, in der Kronen Zeitung in die Offensive gegangen. Mit ihm, sagt er, werde es "in künftigen Regierungen keine geheimen Vereinbarungen" geben. Aber Achtung, in seinem Schwur ist eine zweite Nachricht versteckt! "Mit mir ... in künftigen Regierungen ..."? Er plant also, länger zu bleiben? Richtig lang? Kein Übergangskanzler, der versehentlich an den Job geriet, weil der türkise Slimfit-Kanzler gerade mal eine Auszeit nahm? Wie man hört, können die schwarzen Landeshauptleute zurzeit vor Kraft kaum laufen. Ob die über Nehammers Langzeitpläne informiert wurden?

Was den ÖVP-FPÖ-Sideletter angeht, so wurde dieser in Teilen umgesetzt, bevor Ibiza über die Koalition hereinbrach; einige Mauern des türkis-blauen Hauses stehen also noch. Interessant ist, neben den Postenvergaben in der Justiz, vor allem der Deal zum ORF. Ein Großteil derer, deren Namen abgekürzt auftauchten, ist ja tatsächlich auf den vorgesehenen Posten gelandet. Nach außen dringt aus dem Sender nur Empörung, und natürlich mit Recht. Ist es da eine naive Frage, ob das intern emotional nachwirkt und ob sich der eine oder andere Aufsteiger erklären muss - oder gar ein ganz klein wenig geniert?

Die Schutzbehauptung des FPÖ-Politikers Gottfried Waldhäusl

Spannend auch, ob Lothar Lockl als (grüner) Stiftungsratsvorsitzender noch durchzusetzen ist oder ob es heißen wird, das gehe jetzt aber gar nicht mehr, weil seine Kür, sidelettertechnisch, einen bitteren Nachgeschmack habe. Ach, sorry, das war ja der andere Brief. Und da steht ja drin, Postenbesetzungen seien abhängig von Kompetenz und Qualifikation. Da sage noch einer, Nebenvereinbarungen gehörten abgeschafft.

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Kommentar von Cathrin Kahlweit

Ein anderes Thema beschäftigt mich aber eigentlich viel mehr: der Prozess gegen den niederösterreichischen FPÖ-Landesrat Gottfried Waldhäusl, der seit Mittwoch in St. Pölten läuft. Er gab 2018 den Auftrag, unbegleitete minderjährige Flüchtlinge in ein Haus zu schaffen, in dem sie hinter einem stacheldrahtbewehrten Zaun mit Kameras, Security und Hunden überwacht wurden. Waldhäusl verteidigt sich mit der Schutzbehauptung, das sei zum Wohle der armen Jugendlichen geschehen, um Über- oder Angriffe von außen zu verhindern. Und der Mann ist noch im Amt? Das ist kein Nullum, wie Werner Koglers Wort der vergangene Woche lautete, das ist ein Absurdum.

Diese Kolumne erscheint am 4. Februar 2022 auch im Österreich-Newsletter, der die Berichterstattung zu Österreich in der SZ jeden Freitag bündelt. Gleich kostenlos anmelden .

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