Zwei Wochen vor der Parlamentswahl werden die österreichischen Sozialdemokraten von einem deftigen Skandal erschüttert: Der Wahlkampfleiter und Bundesgeschäftsführer Georg Niedermühlbichler übernahm mit seinem Rücktritt die Verantwortung für zwei aus dem Parteiumfeld gesteuerte Fake-Facebookseiten, deren Ziel es war, den ÖVP-Spitzenkandidaten Sebastian Kurz zu diskreditieren. Die Schmutzkampagne fällt nun auf die SPÖ zurück. Nach einem ohnehin holprigen Wahlkampf dürften damit die Chancen von Bundeskanzler Christian Kern auf eine Wiederwahl noch einmal deutlich gesunken sein.
Im Zentrum der Affäre steht ein von Kern angeheuerter israelischer Wahlkampfberater namens Tal Silberstein. Mitte August war er in seiner Heimat unter Korruptionsverdacht festgenommen und daraufhin von der SPÖ gefeuert worden. Umfangreiche Dokumente, die nun dem Magazin Profil und der Tagezeitung Die Presse zugespielt wurden, belegen jedoch, dass er der Partei ein Geflecht finsterer Machenschaften hinterlassen hat. Eine Art Spezialeinheit soll dafür mit 500 000 Euro ausgestattet worden sein.
Auf das Konto dieser Truppe gehen die falschen Facebook-Seiten "Wir für Sebastian Kurz" und "Die Wahrheit über Sebastian Kurz". Der erste dieser beiden Auftritte wurde als Fanseite für den Kandidaten der Volkspartei getarnt. Neben Lobhudeleien erschienen darauf jedoch gezielt immer wieder Berichte, die rechtspopulistisch über das Ziel hinausschossen. So wurde zum Beispiel eine Abstimmung darüber angeregt, ob der Brenner angesichts eines zu erwartenden Flüchtlingsansturms aus Italien geschlossen werden soll. Die Idee dahinter: Sympathisanten von Kurz, die eher aus der politischen Mitte stammen, sollten abgeschreckt werden.
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Der ÖVP-Chef will islamische Kindereinrichtungen schließen lassen. Die Studie, auf die er sich stützt, sollen seine eigenen Mitarbeiter umgeschrieben haben.
Den entgegengesetzten Weg ging der zweite Facebook-Auftritt. Als "Wahrheit über Sebastian Kurz" wurden dort Anwürfe verbreitet, die mit rassistischen und antisemitischen Untertönen den Anschein vermittelten, von weit rechts zu kommen. Kurz wurde dort unter anderem unterstellt, viel Geld vom philanthropischen US-Milliardär George Soros zu bekommen, den die Rechten weltweit als Teil einer angeblichen jüdischen Weltverschwörung schmähen. Gehofft wurde offenbar auf einen doppelten Profit für die SPÖ: In rechten Kreisen sollte Kurz als Weichling aufscheinen, zugleich sollten die schmutzigen Angriffe der FPÖ angelastet werden.
Die beiden Seiten wurden am Samstag offline gestellt. Als vor einigen Wochen erste Verdächtigungen über die wahre Urheberschaft aufkamen, wurde das in der SPÖ noch empört zurückgewiesen. Nun aber musste Wahlkampfleiter Niedermühlbichler zugeben, dass es zumindest "einen Mitarbeiter" in der SPÖ-Zentrale gibt, der Kenntnis davon hatte. Auskunft könne der aber nicht geben, da er derzeit "im Krankenstand" sei. Alle anderen in der Partei berufen sich darauf, von nichts gewusst und auch nichts bezahlt zu haben. Die Rede ist von "Parallel-Strukturen". Offen bleibt die Frage, wer diese Strukturen angeregt und finanziert hat.
Für die politische Konkurrenz ist dieser Skandal in der heißen Phase des Wahlkampfs eine Steilvorlage. Als betrübtes Opfer klagt die ÖVP über einen "Tiefpunkt", die Grünen sprechen von einer "historischen Grenzüberschreitung". Die FPÖ schließlich sieht im Abgang des Wahlkampfleiters nur ein "Bauernopfer". Sie fordert den Rücktritt von Kanzler Kern. Der gibt sich wortkarg und will "nach vorne schauen".