Österreich-Kolumne:Fake News aus der Politik

Lesezeit: 3 min

Normalerweise eher im Hinter-, diesmal im Vordergrund: Michaela Steinacker (ÖVP) (Foto: Martin Juen/imago images/SEPA.Media)

Vermehrt werden von Politikern in Österreich falsche Behauptungen aufgestellt - und dann nicht zurückgenommen. Eine Unkultur.

Von Cathrin Kahlweit

Die wenigsten Menschen kennen Michaela Steinacker, obwohl sie Nationalratsabgeordnete, ÖVP-Justizsprecherin und somit in einer öffentlichen Rolle ist. Zuletzt hatte sich Steinacker unrühmlich hervorgetan, als sie zur Verteidigung des Kanzlers und des Finanzministers gegen die österreichische Justiz ausritt. Sie beschuldigte die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA), die gegen den Kanzler, den Finanzminister und andere Politiker ihrer Partei ermittelt, dass diese "bewusst" Leaks aus ihren Akten streue, die dann die Reputation Unschuldiger zerstören könnten. Das sei "leider ein Faktum", auch wenn man bisher nicht habe herausfinden können, wo genau die undichte Stelle bei der WKStA jeweils gewesen sei. So habe Finanzminister Gernot Blümel erst nach einem WKStA-Leak erfahren, dass er Beschuldigter sei.

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Warum ich das so ausführlich aufschreibe, hat natürlich einen Grund. Nichts von dem, was Steinacker gesagt hat, ist bewiesen, einiges sogar widerlegt. Am Dienstag hat Justizministerin Alma Zadić - einmal mehr - wissen lassen, dass die WKStA sich nichts habe zuschulden kommen lassen. Leaks konnten keine festgestellt werden. Und Blümel erfuhr von seinem Beschuldigtenstatus durch den ÖVP-Anwalt.

Ihre falschen Behauptungen hat Steinacker dennoch nie zurückgenommen. Es ist schon merkwürdig, mit welcher Vehemenz die politische Debatte mittlerweile geführt wird - ohne Rücksicht auf Verluste. Ständig regen sich politische Akteure über Fake News in den Medien auf. Derweil kommen Fake News in der Politik offenbar immer mehr in Mode.

Die Justizsprecherin ist nun im Visier der Staatsanwaltschaft

Nun ist die Niederösterreicherin selbst im Visier der WKStA, was die Sympathie der Justizsprecherin für die Justiz weiter vermindern dürfte. Gegen sie wird ermittelt, nachdem jemand Steinacker angezeigt hatte, weil sie bei einer Raiffeisen-Tochter, bestens bezahlt und bestens ausgestattet, tätig gewesen sei, ihre Arbeitszeit aber vor allem der ÖVP gewidmet habe. Der Verdacht: eine illegale Parteispende. Denn ja, so kann das theoretisch gehen: Eine Arbeitskraft wird von einer Firma bezahlt, und eine Partei profitiert davon. Könnte, wohlgemerkt. Bewiesen ist bisher nichts. Es gilt, wie so oft, die Unschuldsvermutung. Zudem gibt es durchaus Kritik an den Ermittlern: Der Verdacht, es könne eine verdeckte Parteispende sein, wenn jemand neben dem Abgeordnetenmandat noch einen Job hat, sei "juristisches Neuland", sagt Franz Fiedler, immerhin mal Rechnungshofpräsident und jetzt Ehrenpräsident von Transparency International.

Aber darum geht es jetzt gar nicht, erst müsste einmal ermittelt werden. Dass die Justiz in Österreich das darf, scheint, wenn man sich die aktuellen Klagen von Staatsanwälten über die politische Einflussnahme auf ihre Arbeit anhört, seit einiger Zeit nicht mehr ganz so selbstverständlich zu sein. Erst am Dienstag saß ein Oberstaatsanwalt der WKStA im Ibiza-Untersuchungsausschuss und berichtete von einer Dienstaufsichtsprüfung just nachdem seine Behörde begann, wegen Falschaussage gegen den Bundeskanzler zu ermitteln. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.

Parallel dazu steht jetzt außerdem die Frage an, ob die Abgeordnete "ausgeliefert" wird. So heißt in Österreich die Aufhebung der Immunität. Das Ergebnis des Votums hängt im Immunitätsausschuss vermutlich demnächst von den Grünen ab, weil die ÖVP schon abgewunken hat: Die Vorwürfe würden, natürlich, jeder Grundlage entbehren. Es ist klar, dass die Türkisen so reagieren, schließlich wäre die ÖVP die Nutznießerin gewesen, wenn die Geschichte stimmt; sie muss also alles dementieren. Das Problem liegt also einmal mehr auf den Schultern des kleinen Koalitionspartners, der in den vergangenen Monaten aus Koalitionsräson so oft gegen die inneren Überzeugungen gestimmt hat, dass es die Basis, die Wähler und sicher auch viele Parteigranden schmerzt. Eine Abgeordnete erzählt, vor dem Nein zur Verlängerung des Ibiza-Untersuchungsausschusses habe man sich verzweifelt in den Armen gelegen.

Eine Entscheidung zwischen zwei größtmöglichen Übeln

Es ist, zweifelsohne, immer wieder die Entscheidung zwischen Skylla und Charybdis, zwischen zwei größtmöglichen Übeln: Bleibt man aus Pragmatismus bei der Stange, um politischen Einfluss zu behalten und "das Schlimmste zu verhindern", wie es bisweilen heißt? Oder steigt man aus der Koalition aus moralischen Gründen aus? Was ist besser für die Wähler und das Gewissen? Realpolitik oder Moralpolitik?

Wenn es danach geht, was derzeit aus dem grünen Club zu hören ist, so könnte die Partei der Auslieferung Steinackers zustimmen - mit einer formaljuristischen Begründung. Dann wäre es an der ÖVP, die Zähne zusammenzubeißen und aus Pragmatismus bei der Stange zu bleiben, um das Schlimmste zu verhindern und keine Koalitionsfrage daraus zu machen. Ein Verfahren gegen eine ohnehin überforderte Justizsprecherin wäre für sie sicher das kleinere Übel. Zumal Sebastian Kurz ja unlängst in der ZIB2 sagte, mittelfristig würden sich alle Vorwürfe und Verfahren gegen Parteigranden in Luft auflösen.

Diese Kolumne erscheint am 28. Mai 2021 auch im Österreich-Newsletter , der die Berichterstattung zu Österreich in der SZ bündelt. Hier kostenlos anmelden .

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