Österreich:Parteipolitisiert

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Seit Jahrzehnten im Würgegriff der Parteien: der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Österreich. (Foto: CHROMORANGE / Weingartner; via imago)

Ausgerechnet aus der Politik kommt eine Verfassungsbeschwerde gegen den Einfluss der Politik im ORF. Was steckt dahinter?

Von Alexandra Föderl-Schmid

Ich hätte nicht für möglich gehalten, dass ausgerechnet aus der Politik ein Antrag kommt, den eigenen Einfluss auf den ORF auf juristischem Wege zu beschränken. Es hat mir, ehrlich gesagt, sogar ein Schmunzeln entlockt. Sind es doch die Parteien, die den ORF im Würgegriff halten, über Interventionen und über Postenbesetzungen - und das seit Jahrzehnten.

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Im Sommer 2021 gab es das Gerangel um die ORF-Führung. Dabei gelangte die Einmischung der Parteien in die Angelegenheiten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks wieder einmal an die Öffentlichkeit. Angesichts der Mehrheitsverhältnisse im Land wurde wenig überraschend der von der ÖVP favorisierte Roland Weißmann neuer ORF-Generaldirektor; die Grünen durften auch Positionen besetzen - schließlich gehören sie jetzt auch zur Bundesregierung.

Anfang dieses Jahres wurde der Sideletter zwischen den Koalitionspartnern ÖVP und Grüne bekannt, wonach die Grünen das Vorschlagsrecht für den Stiftungsratsvorsitzenden bekommen sollen. Schließlich kam es so, wie es zwischen den beiden Regierungsparteien vereinbart wurde. Niemand geniert sich dafür - auch nicht die Partei, die diese Praxis in der Opposition früher angeprangert hat. Vielmehr ist der langjährige Grünen-Funktionär Lothar Lockl nun der höchste Repräsentanten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Eines Rundfunks, für den ein Verfassungsgesetz Unabhängigkeit vorschreibt.

Wer den in Deutschland überall längst üblichen Mediaplayer verhindert

Genau darauf beruft sich das Land Burgenland in seiner Verfassungsbeschwerde gegen den Einfluss der Politik bei der Besetzung von ORF-Gremien, die über Posten und Strategie entscheiden und sich immer wieder in die Berichterstattung einmischen. Zwar ist es so, dass seit 2001 aktive Politiker und Parteimanager nicht mehr im Stiftungsrat sitzen dürfen. Aber Regierung, Parteien, Bundesländer und indirekt das Kanzleramt bestimmen über die Besetzung von 30 der 35 Mandate.

Der ORF ist nicht nur politisiert, sondern parteipolitisiert. Jede Veränderung im ORF ist ein Politikum - so auch der im 21. Jahrhundert nicht ganz vermessene Wunsch, sich stärker digital orientieren zu dürfen. Bei allen öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten in Deutschland gibt es längst einen Mediaplayer, mit dem man sich Sendungen auch länger als die im ORF übliche Sieben-Tages-Frist ansehen und anhören kann.

Gründe für die Verweigerung sind nicht nur politische Interessen, sondern auch jene der Verleger und privater Rundfunkbetreiber, die gegen die geplante ORF-Novelle Sturm laufen. Sie fürchten wirtschaftliche Einbußen. Ja, es braucht ein faires duales Rundfunksystem. So könnten, wie in Deutschland für ARD und ZDF, die Werbemöglichkeiten eingeschränkt werden, weil der ORF ohnehin bereits Gebühren kassiert. Wer aber dem ORF verweigert, digitaler zu werden, fördert damit eine Bewegung hin zu Netflix und den sozialen Medien - und auf die haben weder Politiker noch Medienunternehmen aus Österreich einen Einfluss.

Diese Entwicklung gefährdet die Demokratie in einem Land, das sich ohnehin nicht durch Medienvielfalt auszeichnet.

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