Österreich:Zukunftsfragen

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Karl Nehammer (ÖVP), 51, ist seit Ende 2021 Bundeskanzler von Österreich. (Foto: IMAGO/Harald Dostal)

Bundeskanzler Karl Nehammer hielt erneut eine groß inszenierte Rede, dieses Mal mit dem Titel "Österreichplan 2030". Die Themen sind vor allem ein Signal an die FPÖ.

Von Cathrin Kahlweit

Der bislang letzte Auftritt dieser Art fand vor weniger als einem Jahr in einem Hochhaus am Wienerberg statt, Business-Ambiente, enge Bestuhlung, spektakulärer Blick. Vielleicht hätte das Team von Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) schon damals eine andere Location auswählen sollen. Denn die Anwesenden - in den ersten Reihen zwangsverpflichtete Parteigranden, weiter hinten pflichtbewusste Journalisten - schauten schon bald nach Beginn der "Zukunftsrede" versonnen in die Ferne.

Nehammer mag zwar mal Lehrtrainer für Informationsoffiziere im Verteidigungsministerium und Absolvent des Studiengangs Politische Kommunikation in Krems gewesen sein. Ein guter Redner ist er trotzdem nicht. Kumpelig kann er besser.

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Außerdem kommt es immer darauf an, was einer sagt. Olaf Scholz ist rhetorisch auch kein Bezwinger der Massen, und in der SPD sind sie immer schon froh, wenn er mal über die Stränge schlägt und ein paar starke Adjektive einbaut. Aber beispielsweise bei der Zeitenwende-Rede am 27. Februar 2022 im Bundestag hing das Land gebannt an seinen Lippen. Da verkündete einer etwas grundlegend Neues.

An diesem Freitag redete Nehammer nun erneut über die Zukunft Österreichs, "Österreichplan 2030" hieß der Großversuch, der diesmal vor 2000 Menschen in der Messe Wels stattfand. Busladungen erwartungsfroher Journalisten und noch mehr zwangsverpflichtete ÖVP-Honoratioren sollten Bedeutung vermitteln.

Nun dürfte sich seit März 2023 nicht so viel an den Plänen der Volkspartei geändert haben; auch Nehammers Rede zur Zukunft der Nation hatte sich auf die Zielmarke 2030 fokussiert. Aber spätestens im Herbst wird gewählt, womöglich auch schon zeitgleich mit der Europawahl. Und die Konservativen wollen als Erste in den Wahlkampf starten.

Leider hatte das PR-Team seine Hausaufgaben in strategischer Kommunikation nicht gemacht und schon vorher alle wesentlichen Inhalte an die Redaktionen verteilt. Cliffhanger gehen anders. Im Vorfeld und in Wels wurde vor allem der Scharfmacher-Karli präsentiert: schärfere Regeln für Asylbewerber, höhere Hürden für Sozialhilfeempfänger, verpflichtende gemeinnützige Arbeit. Und weil es immer ein so schöner Aufreger ist: ein Gender-Verbot in der Verwaltung.

Nun ist die heile Welt der ÖVP zwar vermutlich auch ohne Binnen-I nicht mehr zu retten, aber diese Themen waren vor allem ein Signal an die FPÖ: Wir stehen zur Zusammenarbeit bereit. Auch sonst gab es vorwiegend Erwartbares: mehr ausländische Fachkräfte, mehr Ärzte, mehr Straßen, weniger Steuern für Reiche und den Mittelstand. Er sei außerdem gegen Vermögen- und Erbschaftsteuern, was ein Signal an die SPÖ war: mit euch nicht.

Ob die ÖVP ihre Pläne bis 2030 umsetzen kann, hängt davon ab, ob sie nach der Wahl noch den Kanzler stellt. Vielleicht regieren demnächst nämlich Rechtspopulisten, die überhaupt keinen Plan haben. Weil sie nicht in die Zukunft denken.

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