Obama trifft Putin:Folkloreklänge und Zukunftsmusik

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Wladimir Putin zeigt Barack Obama das traditionelle Russland - der US-Präsident revanchiert sich mit respektvollen Mahnungen.

S. Zekri, Moskau

Wenn die Reise nicht scheitere, sei das bereits ein Erfolg, hieß es noch letzte Woche. Heute weiß man: Der Besuch von US-Präsident Barack Obama in Russland ist nicht gescheitert. Über sein Frühstück mit Premierminister Wladimir Putin äußerte sich das Weiße Haus sogar "sehr zufrieden", obwohl Putin seinem Gast ein inzwischen eher untypisches Folklore-Programm aufnötigte mit Samowar, Volksliedern und historischen Kittelblusen. Mit viel gutem Willen ließ sich das sogar als ironischer Kommentar zu Obamas Bemerkung lesen, Putin stehe mit einem Bein noch in der Vergangenheit und im Kalten Krieg.

Über sein Frühstück mit Premierminister Wladimir Putin äußerte sich Obama "sehr zufrieden". (Foto: Foto: dpa)

Dabei interessiert Obama die Zukunft. Es ist eine Zukunft, in der Russland und Amerika viele Weltprobleme lösen können, ein nukleares Wettrüsten im Nahen Osten verhindern, die Taliban entmachten, den Klimawandel aufhalten, ihren Völkern Wohlstand und Sicherheit bieten, wenn, ja, wenn Russland das denn will.

Dies nämlich war die Botschaft, die er ein paar Stunden später auf der Abschlussfeier der New Economic School in einer Grundsatzrede vorstellte: Wandel ist möglich, Wandel ist nötig, auch und gerade in Russland, aber er werde Russland diesen Wandel nicht aufzwingen. "Amerika kann und darf keinem anderen Land ein Regierungssystem aufdrängen", sagte Obama.

Sein Land wolle "ein starkes, friedliches und blühendes Russland", aus Respekt vor dem russischen Volk und der gemeinsamen Geschichte. Russlands Vermächtnis, seine Leistungen in Literatur, Wissenschaft und Medizin "haben jeden Winkel der Welt berührt", sagte Obama und erinnerte dabei an ein Zitat des früheren US-Präsidenten John F. Kennedy: Kein Volk habe je in einem Krieg so gelitten wie die Sowjetunion im Zweiten Weltkrieg. Mit diesem Zitat trug Obama einem zentralen Element der russischen Selbstwahrnehmung Rechnung - die Befreiung Europas von Nazi-Deutschland.

Heute allerdings, so machte Obama in seiner Rede klar, bleibe Russland unter seinen Möglichkeiten. Ohne den Prozess gegen den inhaftierten früheren Oligarchen und Putin-Gegner Michail Chodorkowskij zu erwähnen oder die Legitimität Präsident Dmitrij Medwedjews in Frage zu stellen, setzte Obama dem autoritären Staat das Modell des amerikanischen Pluralismus entgegen, Meinungs- und Versammlungsfreiheit, Minderheitenschutz, freie Wahlen.

"Amerika fördert diese Werte in der ganzen Welt, weil sie moralisch sind, aber auch, weil sie funktionieren", sagte Obama: "Regierungen, die ihrem Volk dienen, überleben. Regierungen, die ihrer eigenen Macht dienen, nicht." Das war keine der Moralpredigten im Stil früherer US-Administrationen, auch wenn der Präsident wenig Zweifel daran ließ, was er für das historisch überlegene Modell hält.

Zwar gebühre Russland ein Platz als Großmacht in der Welt, so Obama, aber einer Großmacht des 21. Jahrhunderts, die Vorstellungen von Blöcken und Einfluss-Sphären überwunden habe: "Die Zeiten, als Imperien souveräne Staaten wie Schachfiguren behandelt haben, sind vorbei." Georgien ist dabei für Obama so etwas wie eine rote Linie. Ob Russland sich für die Demokratie entscheidet oder noch ein paar Jahrzehnte im Autoritarismus verharrt, ob die Menschen bereit sind, für Bildung Schmiergelder zu bezahlen, ob sie ihre Regierung frei wählen oder nicht, das alles liegt nicht in den Händen Amerikas.

Dass sich Obama am Dienstag auch mit radikalen Kritikern des Kreml wie dem Schachgroßmeister Garri Kasparow traf, markierte nicht den Beginn eines neuen ideologischen Zeitalters. Selbst beim Raketenschild in Osteuropa, dem vielleicht sinnlosesten Coup seines Vorgängers, der Europa spaltet, ohne Iran abzuschrecken, klang der Präsident kompromissbereit: "Meine Regierung wird diesen Plan prüfen." Was aber die territoriale Unversehrtheit Georgiens angeht, ist das Urteil eindeutig: Jeder Staat habe das Recht auf eigene Grenzen und eine eigene Außenpolitik, betonte Obama, auch Georgien und die Ukraine.

Nach Jahren der Nichtbeachtung mit fatalen Folgen hat Barack Obama in Moskau einen konstruktiven, respektvollen Ton angeschlagen, der aber eines nicht überdecken kann: Russland ist für ihn nur Mittel, nicht Zweck. Sollten sich die Erwartungen nicht erfüllen, sollte sich das gerade erst aufgestoßene Zeitfenster der besseren Kooperation wieder schließen, wird er seine Bemühungen auf das pragmatische Minimum beschränken.

© SZ vom 08.07.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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