Obama in Deutschland:Mann für große Momente

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Stopover in Berlin auf dem Rückweg vom G-8-Gipfel: Barack Obama. (Foto: Getty Images)

25 Stunden wird der amerikanische Präsident auf deutschem Boden verbringen. Was ihm noch vor seiner Amtszeit verwehrt wurde, darf jetzt Wirklichkeit werden: Barack Obama spricht am Brandenburger Tor. Der Mann des rhetorischen Überschwangs wird dem deutschen Publikum einige Enttäuschungen erklären müssen.

Von Daniel Brössler, Berlin

Es sei "natürlich sehr schön", dass Barack Obama das erste Mal während seiner Präsidentschaft die deutsche Hauptstadt besucht, hat Angela Merkel in ihrer wöchentlichen Videobotschaft gesagt. Während Obama auch kleine Dinge in großartige Worte zu fassen versteht, ist es bei der Kanzlerin eher umgekehrt. Aber dieser Besuch ist für sie tatsächlich groß. Sie hat ihn gewollt, unbedingt. Monatelang ist rund ums Kanzleramt darüber getuschelt worden, ob er nun endlich kommt - und wenn ja, wann.

Kaum mehr als 25 Stunden wird der amerikanische Präsident nach seiner Ankunft an diesem Dienstagabend auf deutschem Boden verbringen. Besichtigungen stehen keine auf dem Programm, anders als 2009, als Obama das ehemalige Konzentrationslager Buchenwald besucht und auch in der Dresdner Frauenkirche vorbeigeschaut hatte. Einen Besuch am Mahnmal für die ermordeten Juden Europas überlässt der Präsident diesmal seiner Frau Michelle. Er selbst kommt weniger, um zu sehen, als um gesehen zu werden. Vor der ihm von Merkel 2008 verwehrten Kulisse des Brandenburger Tors wird Obama sprechen. Nicht vor Massen wie einst an der Siegessäule, sondern vor ausgewähltem Publikum, darunter vielen Schülern.

Das deutsche Publikum wartet auf ein paar Erklärungen

Obamas stellvertretender Sicherheitsberater Ben Rhodes fand erwähnenswert, dass der Präsident östlich des Tors sprechen werde - "etwas, das vor 50 Jahren unmöglich gewesen wäre". Im Anschluss an den G-8-Gipfel in Nordirland hat der Stopover in Berlin gut in den Terminplan gepasst; vom Weißen Haus aber wurde er von Anfang an historisch aufgeladen. Dabei hilft der gnädige Zufall, dass John F. Kennedys berühmte Ich-bin-ein-Berliner-Rede sich gerade zum 50. Mal jährt. Der Präsident werde auf die gemeinsame Geschichte der transatlantischen Allianz zu sprechen kommen, aber auch dazu aufrufen, "dass wir mit dem gleichen Geist der Kooperation und Entschlossenheit, der uns zusammen durch den Kalten Krieg geführt hat, den heutigen Herausforderungen begegnen".

Obama wird wissen, dass das deutsche Publikum ein paar Enttäuschungen erklärt bekommen möchte - zum Beispiel das noch immer nicht geschlossene Gefangenenlager Guantanamo oder den Skandal um die weltweite Überwachung des Internets durch den US-Geheimdienst NSA. Nun ja, einige der Entführer des 11. September seien von Deutschland aus gekommen, erinnerte Rhodes jüngst wie nebenbei. So sehr man das "besondere deutsche Interesse an Privatsphäre und bürgerlichen Freiheiten" verstehe, werde man klarmachen, dass es um die Abwehr terroristischer Gefahren gehe.

Vor allem aber dürfte Obama, dessen erste Amtszeit stark geprägt wurde durch die Fokussierung auf die gewachsene Bedeutung Asiens, in Berlin versichern, dass die transatlantische Partnerschaft noch lebt. Und er wird in diesen oder anderen Worten wiederholen, was er 2011 beim Besuch von Merkel in Washington gesagt hat: "Deutschland ist einer unserer wichtigsten Verbündeten." Obama selbst allerdings hat sein Interesse an den Deutschen bislang im Wesentlichen auf die Kanzlerin beschränkt. Beide sehen einander vergleichsweise häufig. 2011 ehrte Obama Merkel mit der Freiheitsmedaille und einem Staatsbankett. Er schätze, lobte der Präsident damals, "Angelas pragmatisches Herangehen an komplexe Themen".

Obama hat die Wirtschaftsmacht Deutschland im Visier

Die Themen, die Obama meinte, kreisten vor allem um die Euro-Krise. Die Amerikaner kamen damals ähnlich wie auch die Chinesen zur Überzeugung, dass es da letztlich auf die Deutschen ankomme. In brennender Sorge um die eigene Konjunktur und Wiederwahl wünschte sich Obama 2011 weniger von dem, was Merkel pragmatisch fand, nämlich Sparen. Deutschland wird in den USA als wirtschaftspolitisches Schwergewicht wahrgenommen - und es wird den Deutschen auch zugerechnet, dass es den Euro heute noch gibt.

Am Brandenburger Tor wird sich Obama also nicht zuletzt an die Wirtschaftsmacht Deutschland wenden. Wenn er eine Vision für die Zukunft entwirft, so dürfte ihr Kern das Freihandelsabkommen sein, über das die USA und die EU demnächst verhandeln wollen. Sie sei, hat Merkel in ihrer Videobotschaft versichert, eine "große Befürworterin eines solchen Freihandelsabkommens". Die Erfahrung lehre, dass dank solcher Abkommen "Wachstum entsteht, Handel und Wandel beflügelt werden". Während die Regierung in Paris aus Furcht ums französische Kulturgut das keineswegs kleine Lager der Skeptiker anführt, ist Obama in Berlin zu Gast bei Enthusiasten. Zumindest gilt das für die Bundesregierung. "Ein transatlantisches Abkommen, das nicht nur Handelsfragen, sondern Investitionen, Dienstleistungen, Normen und Standards umfasst, wäre ein wichtiger Baustein für die Zukunft einer freiheitlichen internationalen Ordnung", proklamierte Außenminister Guido Westerwelle jüngst auf einer transatlantischen Tagung der FDP-Bundestagsfraktion.

Das klingt fast so, als solle künftig nicht die Nato als große transatlantische Klammer wirken, sondern der Freihandel. Mitnichten sei die Nato überflüssig, sagt zwar Constanze Stelzenmüller vom German Marshall Fund in Berlin, doch auch sie sieht im geplanten Abkommen ein "Bündnis der freien Welt". Der gemeinsame Wirtschaftsraum werde die westlichen Demokratien in die Lage versetzen, ihre Handlungsfähigkeit angesichts in der Krise offenbar gewordener Schwächen zu sichern.

Was die Handlungsfähigkeit - oder eher Handlungsunfähigkeit - in der Gegenwart betrifft, so werden Obama und Merkel vom G-8-Gipfel in Nordirland erst einmal ihren Dissens im Syrien-Konflikt mitbringen. So wiederholt sich, wenn auch unter anderen Umständen, eine Lagerbildung, wie sie schon beim Libyen-Einsatz 2011 sichtbar geworden ist. Amerikaner, Briten und Franzosen halten die Zeit für Waffenlieferungen an die Aufständischen für gekommen. Deutschland steht (allerdings mit fast allen anderen EU-Staaten) auf der anderen Seite.

Darin, solche Konflikte elegant zu relativieren, haben Obama und Merkel große Routine. Bestimmt wird Obama das deutsche Engagement in Afghanistan loben. Vermutlich überschwänglich.

© SZ vom 18.06.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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