NSU-Prozess:Wie Wohlleben sein Leben beschreibt

Ralf Wohlleben

Der Angeklagte Ralf Wohlleben hat sich erstmals vor Gericht erklärt.

(Foto: dpa)

Seine berufliche Laufbahn war schwierig, die "Kultur unseres Volkes" wollte er erhalten, den NSU-Täter Uwe Mundlos nennt er "Schwiegermuttis Liebling": Auszüge aus der Erklärung des Angeklagten.

Protokoll von Annette Ramelsberger

Der mutmaßliche Terrorhelfer Ralf Wohlleben hat an diesem Mittwoch erstmals im NSU-Prozess ausgesagt. Anders als die Hauptangeklagte Beate Zschäpe sprach er selbst. Er verlas eine Erklärung, in der er sich zu den folgenden Themen äußerte.

Kindheit

Wohlleben wuchs in Jena auf, seine Eltern empfand er als streng, er büchste aus und kam ins Kinderheim. Dort lebte er gern und zog später zu den Eltern zurück. Er nennt das Verhältnis zu ihnen normal. Mit 22 zieht er aus, in unterschiedliche Wohnungen in Jena.

Familie

2002 lernte er seine Frau Jacqueline kennen. 2004 bekommen sie ihre erste Tochter, 2005 wird geheiratet. 2006 wird Tochter Leni geboren. Die Familie lebt in Jena-Ost, bis zur Festnahme Wohllebens im November 2011.

Beruf

Wohlleben begann eine Ausbildung zum Verkäufer, brach diese jedoch ab. Danach machte er eine überbetriebliche Ausbildung in einem großen Möbelhaus, die er 1998 abschloss. Man bot ihm an, in einem anderen Bundesland für die Firma weiterzuarbeiten. Er konnte dem, so sagt er, nichts abgewinnen und wurde lieber arbeitslos. Er bildete sich am Computer fort und bekam eine zweijährige Umschulung zum Fachinformatiker bezahlt. Auch damit fand er keine Anstellung. Wohlleben führt das auf Vorbehalte gegen seine rechtsextreme Einstellung zurück.

Politische Einstellung

Ihm gehe es darum, die "Kultur unseres Volkes zu erhalten, alte Bräuche und Sitten wieder aufleben zu lassen, die Kultur vor weiterem Verfall zu schützen, die Ahnen zu ehren". "Wir bekennen uns zu jedem Teil unserer Geschichte. Sie ist gegeben." Sie stellten das deutsche Volk nicht über ein anderes. Er sei für ein Europa der Vaterländer, sagt Wohlleben.

Er habe nichts gegen Ausländer, sondern gegen eine Politik, die "massenhaften Zuzug von Ausländern" fördere. In Frankfurt am Main habe er ganze Stadtteile gesehen, in denen keine Deutschen mehr leben. Die Gründe, nach Deutschland zu kommen, könne er nachvollziehen. Aber das führe zu Parallelgesellschaften und sozialen Spannungen. Nie habe er Gewalt als Mittel zur Durchsetzung von Politik gesehen. Allerdings sei er beim Aufhängen eines Puppentorsos mit einem Judenstern an einer Autobahnbrücke dabei gewesen.

Politische Aktivität

Schon in der Wendezeit interessierte Wohlleben sich für Politik, war beeindruckt von einer Wahlveranstaltung einer rechten Partei und empfand sich früh als national und rechts. Er sei kein Skinhead, sondern ein sogenannter Scheitel gewesen, ein politisch interessierter Rechter.

Auf Betreiben von Tino Brandt, der später als Spitzel enttarnt wurde, trat er der NPD bei und ließ sich bei Vorstandswahlen aufstellen. Er wurde Schulungsleiter und veranstaltete Treffen zur "Brauchtumsschulung". In Jena war er stellvertretender Kreisvorsitzender, dann Kreisvorsitzender. Er wurde dann auch in den Ortschaftsrat von Jenaer Stadtteilen gewählt. Er habe gemerkt, dass ihm die Parteiarbeit liege, sagt Wohlleben. Bis 2008 blieb er im Landesvorstand. 2010 trat er "aus persönlichen Gründen" aus der NPD aus, blieb aber bei seinen rechten Ansichten.

Äußerungen zu NSU-Tätern und Mitangeklagten

Wohlleben sagt, er habe mit seiner Menschenkenntnis nicht immer richtig gelegen.

Holger G. nennt er abhängig von Glücksspielen. Dieser sei auch durch seine Tolpatschigkeit aufgefallen. Bei einer Geländefahrt habe er die Gruppe auf einer blauen Straße entlang geschickt. Bis Uwe Mundlos gesagt habe: "Mensch, das ist ein Fluss."

Uwe Böhnhardt sei introvertiert gewesen, mit trockenem Humor. Er habe sein Geld für Militaria ausgegeben, von der Axt bis zur Zwille.

Uwe Mundlos war Wohlleben zufolge "Schwiegermuttis Liebling": humorvoll, kontaktfreudig, redegewandt, ob in der Disko oder in Polizeigewahrsam.

Beate Zschäpe sei jemand gewesen, mit dem man gut und lange reden konnte. Durch ihre "Schlagfertigkeit mit viel Witz" habe sie schnell Anschluss zu finden gewusst. Wohlleben fand ihre offene und direkte Art sehr sympathisch. Er erinnere sich an abendliche Gespräche nach Aufenthalten im Jugendclub.

Carsten S. konnte, so sagt Wohlleben, junge Leute begeistern. "Er war ein lustiger und sympathischer Typ, mit dem ich gerne meine Zeit verbrachte." Er habe viele junge Leute um sich geschart, die zu ihm aufblickten.

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